Boni von einem Euro pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel sind aus Sicht des Verwaltungsgerichts Berlin zu viel: Das Berufsgericht für Heilberufe hat gestern in mehreren Verfahren zu Rx-Boni gegen acht Apotheker Maßnahmen verhängt. Eine Apothekerin wurde freigesprochen. Die Berliner Apothekerkammer hatte die Apotheken gerügt. Einen Freibrief für geringwertige Boni gibt es also nicht.
In den teilweise gemeinsam verhandelten Fällen ging es vor allem um die Frage, ob für die Apothekerkammer eine Aufgreifschwelle gilt. Die Frage in der Praxis lautet: Darf die Kammer berufsrechtliche Sanktionen wegen Verstößen gegen die Arzneimittelpreisbindung verhängen, die aus wettbewerbsrechtlicher Sicht womöglich nicht zu beanstanden sind?
Das Gericht ließ diese Frage offen. Denn aus Sicht der Richter war die Bagatellschwelle in den vorliegenden Fällen ohnehin überschritten. Denn entgegen der landläufigen Auffassung habe der Bundesgerichtshof (BGH) keineswegs Boni von einem Euro für wettbewerbsrechtlich zulässig erklärt. In dem 2010 in Karlsruhe verhandelten Fall war ein Sammelsystem erlaubt worden, bei dem die Kunden zunächst zehn Rezepte einreichen mussten und dann einen Gutschein oder Rabatt von zehn Euro erhielten.
Die jetzt verhandelten Bonusmodelle seien anders zu bewerten: „Hier wirkt sich der Bonus sofort aus“, so der Vorsitzende Richter. Betroffen waren vier Apotheker, die zu den Guten-Tag-Apotheken von Elac Elysée gehören. Diese hatten Rx-Boni von einem Euro pro Rezept oder pro Arzneimittel gewährt und dies zum Teil aufwändig in Berlin beworben. Weitere fünf easy-Apotheker hatten gemäß dem Vorschlag ihrer Systemzentrale im November und Dezember 2010 mit Rx-Boni von einem Euro pro Arzneimittel geworben.
Die Gutscheine konnten jeweils beim Kauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimitteln eingelöst werden. Die Werbeflyer lagen in den Berliner easy-Apotheken aus und wurden zudem als Postwurfsendung an jeweils rund 40.000 Haushalte verteilt. Elac-Chef Rolf Spielberger hatte dagegen in lokalen Medien mit einer Auflage von bis zu 300.000 Exemplaren für seine Boni geworben.
Gegen zwei Apotheker verhängte das Gericht Geldbußen in Höhe von 5000 Euro, ein Apotheker muss 2000 Euro zahlen. In vier Fällen wurde eine Verwarnung ausgesprochen, ein Apotheker erhielt einen Verweis, was die nächst strengere Maßnahme ist. Die Kammer hatte in allen Fällen eine Zahlung von 2500 Euro gefordert.
Das Berufsgericht würdigte in der Verhandlung jeweils das Zustandekommen des Bonus sowie das Verhalten der Apotheker. easy-Apothekerin Elke Bohlen wurde deshalb bereits am Nachmittag freigesprochen: Die Richter befanden den Verstoß für nicht zu schwer, da die Apothekerin ihr Bonusmodell schnell wieder eingestellt hatte, nachdem die Kammer gegen sie aktiv geworden war.
Das Berufsgericht berücksichtigte auch, dass die Systemzentrale von easy den Mitgliedsapotheken nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Rx-Boni im September 2010 empfohlen hatte, das Bonusmodell in dieser Form zu starten.
Diskutiert wurde auch in diesem Zusammenhang auch, warum die Berliner Kammer nicht schon damals berufsrechtlich gegen den Apotheker mit dem vom BGH verhandelten Sammelmodell vorgegangen war. Schließlich betrieb dieser seine Apotheke ebenfalls in der Hauptstadt.Dr. Rainer Auerbach, Geschäftsführer und Justiziar der Kammer, begründete dies damit, dass der Bonus damals zur Erstattung der Praxisgebühr eingesetzt werden konnte. Deshalb habe der Fokus seinerzeit anders gelegen. Man habe zudem die Entscheidung des BGH abwarten wollen. Unmittelbar nach der Bekanntgabe des Urteils aus Karlsruhe habe die Kammer den Apothekern jedoch mitgeteilt, dass Rx-Boni unzulässig sein.
Die Werbeaktionen von easy und Elac waren in diesen Zeitraum gefallen. Das Gericht unterschied in der Verhandlung daher zwischen Apothekern, die das Konzept in der Folge eingestellt hatten und solchen, die daran festhielten.
So gewährt easy-Apotheker Alexander Irrgang die Boni nach wie vor, bewirbt sie aber nicht mehr. Dies habe sich ohnehin nicht gelohnt, wie er zu Protokoll gab. Gerade am Anfang hätten die Rezeptgutscheine aber geholfen, damit die Kunden easy-Apotheken überhaupt als Apotheken wahrnehmen.
Unstrittig war für das Verwaltungsgericht, dass auch indirekte Boni einen Verstoß gegen die Preisbindung darstellen. Hierzu sei die Rechtsprechung „erstaunlich einheitlich“, so der Vorsitzende Richter.
Der BGH wird sich im Mai erneut mit Rx-Boni befassen. Dabei geht es um die konkrete Höhe, die wettbewerbsrechtlich zulässig ist. Dann könnten sich Berufsgerichte wieder mit dem konkreten Ermessenspielraum der Kammern beschäftigen.
„Wir sind in der Lage zu sehen, was gesicherte Rechtsprechung ist und was noch im Fluss ist. Und hier ist noch viel im Fluss“, so der Vorsitzende Richter am Verwaltungsgericht in Berlin. Das Berufsgericht war mit zwei hauptamtlichen Richtern und drei Apothekern als ehrenamtliche Richter besetzt.
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