Bundesfinanzhof

Vertretungsapotheker: Fiskus will Gewerbesteuer

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Berlin -

Angesichts des grassierenden Personalmangels werden Vertretungsapothekerinnen und -apotheker händeringend gesucht. Doch die Behörden machen es den Kolleginnen und Kollegen immer schwieriger, ihrem Auftrag nachzukommen. War es bislang vor allem die Sozialversicherung, die hier ein Angestelltenverhältnis vermutete und Beiträge abgreifen wollte, kommt nun auch der Fiskus. Der Bundesfinanzhof entschied in einem aktuellen Urteil, dass ein Gewerbe vorliegt und damit Gewerbesteuer gezahlt werden muss. Das dürfte zwar in den meisten Fällen bei der Einkommenssteuer berücksichtigt werden, könnte aber rückwirkende Auswirkungen auf die Betroffenen haben.

Im konkreten Fall ging es um einen Pharmazeuten aus Rheinland-Pfalz, der im streitigen Zeitraum 2016 eigentlich schon in Rente war, aber mit Urlaubs- und Krankheitsvertretungen sein Einkommen aufbesserte. Seine Aufträge und sein Honorar erhielt er von einer Vermittlungsagentur – im Vertrag war explizit verabredet, dass jegliche Qualifizierung des Vertrages als abhängiges Angestelltenverhältnis verhindert werden sollte.

In seiner Einkommensteuererklärung wies er die Tätigkeiten als selbstständige Einkünfte gemäß § 18 Einkommenssteuergesetz (EStG) aus. Das Finanzamt vertrat jedoch die Position, dass es sich um gewerbliche Einkünfte gemäß § 15 EStG handele. Einsprüche gegen den Bescheid wurden zurückgewiesen, der Fall ging vor Gericht.

Im Kern ging es um die Frage, ob Vertretungsapothekerinnen und -apotheker einer freiberuflichen Tätigkeit nachgehen. Dazu gehören laut Gesetz „selbstständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeiten“, aber auch die „selbstständige Berufstätigkeit“ etwa von Ärzten und Zahnärzten. Und weiter: „Ein Angehöriger eines freien Berufs im Sinne der Sätze 1 und 2 ist auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.“

Anders als zuletzt die Sozialgerichte kam das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) zunächst zu dem Ergebnis, dass die Vertretung in einer Apotheke sowohl im Angestelltenverhältnis als auch auf selbstständiger Basis erfolgen könne. „Die apothekenrechtlichen Bestimmungen schließen eine selbstständige Tätigkeit des Vertreters nicht aus.“ Bei der Auslegung sei der Vertragswille der Beteiligten von Bedeutung – und da im Verhältnis zur Vermittlungsagentur weder Weisungen noch Entgeltfortzahlungen vorgesehen waren, sei die Sache klar. Dass er sich an die Öffnungszeiten der Apotheke halten müsse, begründe jedenfalls kein Angestelltenverhältnis. „Nach den Gesamtumständen ist davon auszugehen, dass der Kläger selbstständig tätig war.“

Apotheker ist kein Arzt

Nunmehr ging es also darum, ob die selbstständige Tätigkeit als freiberuflich oder gewerblich zu bewerten sei. Hier macht das FG nicht viel Federlesen: „Der Beruf des Apothekers zählt auch nicht zu den freien Berufen. Als Apotheker ist der Kläger weder wissenschaftlich, künstlerisch, schriftstellerisch noch erzieherisch tätig.“

Auch sei der Beruf „in den wesentlichen Punkten nicht mit dem eines Arztes vergleichbar“, so das Gericht. „Vom Beruf des Arztes unterscheidet ihn die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, während der Arzt persönliche Dienstleistungen höherer Art darbietet und deshalb einen nicht gewerblichen freien Beruf ausübt. Seinen Umsatz erzielt der Apotheker im Wesentlichen durch den Verkauf von Waren, die überwiegend nicht selbst hergestellt, sondern vom Großhandel bezogen werden. Hierzu bedient er sich eines Geschäftslokals, das zu festgelegten Zeiten geöffnet ist. Der Beruf weist daher, wenngleich in qualifizierter Form ausgeübt, auch starke Ähnlichkeiten mit der Tätigkeit von Einzelhandelskaufleuten auf, die nicht von der Gewerbesteuer begünstigt sind.“

Keine eigene Apotheke

Dass der Vertretungsapotheker keine eigene Apotheke betreibe, sei unerheblich: „Bei einer Betrachtung von außen macht es keinen Unterschied in der Berufsausübung, ob der in der Apotheke agierende Apothekenleiter als Vertreter oder als Inhaber, als Angestellter oder selbstständiger Mitarbeiter agiert. Entscheidend ist, ob das Berufsbild des Apothekers, mit dem Berufsbild eines Katalogberufes vergleichbar ist. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.“

Und noch einmal betont das Gericht den Unterschied: „Anders als bei dem Beruf des Apothekers erfolgt bei Ärzten die Wertschöpfung im Wesentlichen unter Einsatz ihrer persönlichen und nicht auf den Absatz von Waren gerichteten Arbeitskraft. Dies zeigt sich auch letztlich aus der Berufsbeschreibung des Klägers, der zwar angibt, auch Patienten persönlich zu beraten, allerdings auch den Abgleich der vom Arzt verordneten Medikamente vorzunehmen oder selbst hergestellte Arznei und damit Waren zu veräußern.“

Berufs-, Sozial- und Steuerrecht

Zwar habe das Bundesverfassungsgericht den Apothekerberuf zu den höheren freien Berufen des Gesundheitswesens gezählt, dies schließe jedoch die gleichzeitige Bejahung des gewerblichen Charakters des Apothekenbetriebs nicht aus. Auch dass Berufsordnungen von „freien Heilberufen“ sprächen oder das Gewerbeamt für Vertretungsapotheker keine Gewerbeanmeldung fordere, sei für die steuerrechtliche Einordnung nicht von Relevanz.

BFH sieht keinen Unterschied

Der Bundesfinanzhof (BFH) lehnte es ab, sich noch einmal mit der Frage zu beschäftigen. Denn der Pharmazeut habe nicht dargelegt, „worin sich die Tätigkeit des Vertretungsapothekers von der berufsbildtypischen Tätigkeit des Apothekers unterscheiden soll und warum dies zu einer unterschiedlichen Beurteilung bei der Zuordnung beider Tätigkeiten zu einer Einkunftsart Anlass geben könnte“. „Der Vortrag des Klägers, die Tätigkeit des Vertretungsapothekers sei bei Bestehen einer Gewerbesteuerpflicht unwirtschaftlich und erfordere keine Gewerbeanmeldung, genügt zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Frage nicht.“

Handel ist Gewerbe

Komplett überraschend kommt die Bewertung für Experten zwar nicht. Denn der Begriff des Gewerbebetriebs werde auch im Handelsrecht verwendet, wo er als Abgrenzungskriterium für die Kaufmannseigenschaft diene. Dort setze ein Gewerbebetrieb ebenfalls kein stationäres Verkaufsgeschäft voraus, weshalb auch Handwerker, Dolmetscher und Werbefachleute entsprechend eingestuft werden.

Die steuerlichen Folgen lassen sich derzeit nur schwer abschätzen, kritisch werden könnte es aber für Approbierte, deren Einkommenssteuererklärung schon rechtskräftig ist, für die aber im Nachhinein auf der Grundlage des Urteils noch Gewerbesteuer festgesetzt werden könnte. Vielfach wurde zu dem Thema bislang auf kommunaler Ebene ganz unterschiedlich entschieden.

Steuer vs. Sozialbeiträge

Noch gravierender ist aber der Unterschied zum Sozialrecht, denn hier verläuft die Entwicklung komplett entgegengesetzt: Sobald eine irgendwie geartete Eingliederung in einen Betrieb vorliegt, gehen die Gerichte hier von einem Angestelltenverhältnis und damit von einer Sozialversicherungspflicht aus. Erst 2021 hatte das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass eine ärztliche Praxisvertreterin aufgrund ihrer „funktionsgerecht dienenden Eingliederung“ als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte gilt.

„Die zunehmend unterschiedliche Handhabung von Soloselbstständigen und Kleinunternehmern führt zunehmend zum Auseinanderfallen der steuerlichen und sozialversicherungspflichtigen Bewertung ein und derselben Tätigkeit“, bewertet ein Jurist. „Die Zahl der Umsatz- und Gewerbesteuerpflichtigen Unternehmer, für die zugleich Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten sind, nimmt damit zu.“

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