Nordrhein: Ein bisschen Umlage kommt Patrick Hollstein, 15.02.2017 12:12 Uhr
Zeitenwende bei der Apothekerversorgung in Nordrhein: Am 8. März soll die Kammerversammlung über eine Neufassung der Satzung entscheiden. Das bisherige rein kapitalgedeckte System soll umgestellt werden auf ein offenes Deckungsplanverfahren: Die Mitgliedern sparen nicht mehr ausschließlich Eurobeträge an, sondern sammeln Rentenpunkte.
Die Altersrente soll in Nordrhein ab 2018 neu berechnet werden: Der monatlich gezahlte Beitrag wird durch einen sogenannte Messbetrag dividiert, der dem in der Deutschen Rentenversicherung (DRV) geltenden monatlichen Höchstbetrag entspricht. Vorstand und Aufsichtsrat können – mit Genehmigung des Finanzministerium als zuständiger Aufsichtsbehörde – für jeweils ein Jahr einen abweichenden Messbetrag festlegen.
Das auf vier Stellen nach dem Komma gerundete Ergebnis heißt Beitragsquotient. Die Summe der in einem Jahr erworbenen monatlichen Beitragsquotienten wird multipliziert mit einem Multiplikator Rx. Dieser ist altersabhängig und beträgt für 20-jährige Mitglieder 1,702 und für 67-jährige Mitglieder 0,560.
Dann wird eine zusätzliche Stellschraube eingeführt: Die Summe dieser Produkte wird multipliziert mit dem sogenannten Rentenanpassungsbetrag, der für Leistungsfälle ab dem Geschäftsjahr 2018 auf 100 Euro festgelegt wird und in Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde ebenfalls auf Basis der Jahresabschlüsse angepasst werden kann.
In der Beschlussvorlage werben Aufsichtsrat und Vorstand um Zustimmung zur Umstellung: Das neue Modell bringe den Mitgliedern mehr Sicherheit und Planbarkeit. Das Kapitalmarktumfeld bleibe schwierig: Der Druck auf die Renditen werde nicht nachlassen, mit höheren Zinsen sei nicht zu rechnen. Auf höher verzinsliche Anlagen könne nur begrenzt ausgewichen werden, da hier die Risiken höher seien.
Im Übrigen habe das Versorgungswerk frühzeitig reagiert und seine Kapitalanlagen diversifiziert; die festverzinslichen Wertpapiere im Direktbestand machten nur noch 54,5 Prozent des Portfolios aus. Die Umstellung des Finanzierungsverfahren sei daher als Meilen- und zugleich Schlussstein zu sehen, der zusammen mit den Optimierungen in der Kapitalanlage und bei der Risikotragfähigkeit die Altersversorgung für alle Mitglieder für die nächsten Jahrzehnte absichere.
In der Vergangenheit habe man dank stabiler Rahmenbedingungen Beitragshöhe, Ertragsentwicklung und Leistungsausgestaltung durch versicherungsmathematische Verfahren in ein festes Verhältnis zueinander setzen können. In den vergangenen Jahren hätten sich die externen Parameter allerdings gravierend geändert. „Bisher konnte das Versorgungswerk durch interne Effizienzsteigerungen sowie durch die Anpassung des Rechnungszinses – eine sehr weitreichende Maßnahme – die Auswirkungen der Niedrigzinsphase auffangen.“ Jetzt gebe es keine Stellschrauben mehr.
Auch eine in Auftrag gegebene Untersuchung einer Ratingagentur sei zu dem Schluss gekommen, dass das Versorgungswerk entweder höhere Risiken in Kauf nehmen oder das Finanzierungsverfahren auf neue Füße stellen müsse.
In Düsseldorf verspricht man sich mehr Flexibilität auf der Leistungsseite und damit mehr Stabilität auch bei einer „volatilen Ertragssituation“. Das offene Deckungsplanverfahren senke die Anforderungen an den jährlich zu erwirtschaftenden Rechnungszins. Die Leistung sei nicht nur von der Höhe der eingezahlten Beiträge abhängig, sondern auch von anderen Faktoren wie der Ertragslage der letzten Geschäftsjahre, Höhe der Rentenversicherungsbeiträge der DRV und Zugang an neuen Mitgliedern. „Diese Faktoren fließen durch Rechengrößen in die Rentenberechnung ein und flexibilisieren die starre Äquivalenzbeziehung von Beitrag und Leistung.“
Kritiker sehen in der Umstellung eine Abkehr vom bisherigen kapitalgedeckten System, das über Jahrzehnte hinweg Stärke und Sicherheit symbolisierte. Allerdings haben in der anhaltenden Niedrigzinsphase andere Kammerbezirke bereits umgestellt; berufsübergreifend gibt es die Mischform bei den meisten Versorgungswerken. Bei der Ärzteversorgung Bayern/Baden-Württemberg liegt der Umlageanteil sogar bei 70 Prozent. Bei den Apothekern gehen bislang nur einige Versorgungswerke die Mischform; Bayern hatte 2015 umgestellt. In Sachsen und Thüringen wird das Verfahren seit der Gründung 1992 praktiziert.
In Düsseldorf weist man auf die Vorteile hin: Die Verzinsungsanforderungen sinken, da die Verpflichtungen in geringerem Maße wachsen. Der Abdeckungsgrad der Verpflichtungen durch das Vermögen erhöht sich. Die Gefahr einer Unterdeckung der Verpflichtungen wird deutlich reduziert. Eigenkapital und Reserven würden geschont und könnten stabil gehalten oder sogar ausgebaut werden. Die Kopplung an die DRV verstärke gleichzeitig die Beitragsdynamik.
Da mehr Geld in den Gemeinschaftstopf fließt, drohen älteren Jahrgängen Abschläge. Daher gibt es eine Übergangsregelung: Für Jahrgänge bis 1956 wird die Abweichung zum bisherigen Modell komplett ausgeglichen, danach sind es pro Jahr 20 Prozent weniger. Alle ab 1961 geborenen Mitglieder erhalten Leistungen nach dem neuen Recht. Jüngere Jahrgänge sollen sogar profitieren, da sie von den Anpassungen beim Rechnungszins vor drei Jahren stärker betroffen waren.
Zusätzlich wird der Einfachheit halber ab 2018 nur noch mit einem einheitlichen Renteneintritt im Alter von 67 Jahren kalkuliert; wer früher in Rente gehen will, muss Abschläge in Kauf nehmen. Zudem könne der Generationenfaktor entfallen, da Empfänger von Berufsunfähigkeits- oder Hinterbliebenenrente laut nicht mehr direkt von Anpassungen beim Rechnungszins getroffen würden.