Der Buscopan-Engpass hält in vielen Apotheken seit Wochen an – Versandapotheken scheinen dagegen oft noch gut bestückt. Apothekerin Sybille Koch wollte eigentlich nur sehen, ob beim Versender Juvalis (Apo.com Group) wirklich so viel Ware zur Verfügung steht, und packte sich den digitalen Warenkorb voll. Zu ihrer Überraschung erhielt sie am nächsten Tag ein Paket mit 20 Packungen Buscopan plus. Als Kauffrau ärgert sich Koch über die ungleiche Verteilung der Ware, als Apothekerin ist sie entsetzt.
Buscopan plus enthält neben dem in den „normalen“ Dragées enthaltenen Butylscopolamin auch 500 mg Paracetamol pro Tablette. In einer einzelnen 20er-Packung ist also bereits die Höchstmenge des Wirkstoffs für den freien Verkauf enthalten. Ab einer Menge von 10 g ist Paracetamol verschreibungspflichtig – das gilt grundsätzlich auch für den Verkauf mehrerer Kleinpackungen.
Juvalis hat 20 Päckchen Buscopan plus ohne weitere Nachfrage geschickt, bis heute lässt sich diese Menge in den Warenkorb legen. Dasselbe gilt für Apo.com, das Flaggschiff der Versendergruppe. Während von anderen Paracetamol-Produkten maximal vier Packungen bestellt werden können, gilt bei Buscopan plus nur die allgemeine Obergrenze des Versenders: „Maximale Bestellmenge wirkstoffgleicher Produkte im Einkaufswagen erreicht“, heißt es zu den 20 Packungen.
Die in der Gesamtlieferung enthaltenen 200 g Paracetamol sind eine massiv lebertoxische und potenziell tödliche Dosis. Auf Nachfrage sagte eine Sprecherin von Apo.com, es handele sich um einen technischen Fehler, der schnellstmöglich korrigiert werden soll.
Apothekerin Koch findet die Lieferung aber nicht nur aus pharmazeutischer Sicht bedenklich. „Warum beliefert der Hersteller den Versandhandel und nicht unsere Großhändler?“ Im Südwesten der Republik sei Buscopan plus derzeit so gut wie gar nicht zu bekommen.
Ein Großhändler bestätigte gegenüber APOTHEKE ADHOC, dass die Verfügbarkeit nach wie vor schwierig sei. Es komme zwar immer mal Ware rein, aber nicht ausreichend, um den Bedarf zu decken. Den Versendern geht es allerdings der Sprecherin von Apo.com zufolge auch nicht besser: „Wir spüren den Engpass auch, nur bei einigen Versendern gibt es noch Bestände.“ Aufgrund der größeren Läger könnten die Versandapotheken möglicherweise etwas flexibler auf die Lieferschwierigkeiten reagieren.
Hersteller Nattermann/Sanofi teilte auf Nachfrage mit, dass es nach wie vor bei den Buscopan-Präparaten „eine anhaltend ungewöhnlich starke Nachfrage in allen Vertriebskanälen“ gebe. „Diese führt leider in Kombination mit gleichzeitig auftretenden langen Lieferzeiten von z. B. Packmaterialien seitens unserer Lieferanten und teilweise Kapazitätsproblemen in der Produktion zu temporären Engpässen bei einzelnen Buscopan Packungsgrößen“, so eine Sprecherin. Betroffen hiervon seien alle Vertriebskanäle. „Je nach Nachfrage und Logistikkette seitens unserer Vertriebspartner kann es vorkommen, dass das Warenangebot zweitweise je nach Vertriebskanal stark variiert.“
Prinzipiell seien aber alle zugelassenen Darreichungsformen der Buscopan-Palette lieferbar, so der Herstelle weiter; jedoch nicht immer in vollem Umfang in jeder Packungsgröße (PZN). „Mit den aktuellen Wareneingängen werden zunächst vorrangig Nachlieferungen bedient. Das heißt, Bestellungen werden nach Bestelldatum bearbeitet. Wir erwarten für November durch weitere Wareneingänge eine Entspannung der Liefersituation“, so die Sprecherin.
Apothekerin Koch hätte jetzt eigentlich wieder ein paar Packungen, aber als andere Kolleg:innen hat sich nicht vor, das bestellte Buscopan zu verkaufen. „Das war eher ein Testkauf. Ich beziehe meine Ware nicht aus dem Versandhandel und werde das auch künftig nicht tun.“ Es konterkariere das System der Versorgung, wenn Apotheken fehlende Arzneimittel bei niederländischen Versendern beziehen müssten. Die Inhaberin will versuchen, die Ware zu retournieren.
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