Versender: Botendienst-Honorar ist Benachteiligung APOTHEKE ADHOC, 30.10.2020 12:51 Uhr
Die im EAMSP zusammengeschlossenen EU-Versandapotheken kritisieren das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) als Wettbewerbsbenachteiligung für ihre Branche, die die Arzneimittelausgaben in die Höhe treiben werde. Als EAMSP-Präsident warnt DocMorris-CEO Olaf Heinrich davor, der Botendienst könne zu einer unterregulierten und für die Patienten unsicheren Konkurrenz für den Versandhandel werden. Statt nur den Botendienst zu honorieren, müssten die Versandapotheken deshalb einen Zuschlag zu den Arzneimittellieferkosten erhalten.
Der EAMSP sieht im Botendiensthonorar von 2,50 Euro pro Fahrt eine Benachteiligung der Versandapotheken. Zwar könne es sich beim Botendienst „um eine sinnvolle, lokale Ergänzung handeln“, so der Verband, der im Wesentlichen die Interessen von DocMorris/Zur Rose und Shop-Apotheke vertritt. „Eine Grenze muss aber im Interesse der Arzneimittelsicherheit dort gezogen werden, wo der Botendienst zu einem Versandhandel ohne Erlaubnis würde und somit die strengen Auflagen für den Arzneimittelversand umgangen würden.“
Denn auch der Versandhandel trage insbesondere zu einer besseren Versorgung für ältere Menschen sowie in Regionen mit geringerer Apothekendichte bei. Aus Sicht des Patienten sei es aber nicht nachvollziehbar, warum er für die Zustellung per Botendienst selbst bei kleinen Bestellungen nichts bezahlen muss, für eine Lieferung des Versandhandels hingegen schon. „Der EAMSP setzt sich daher für einen Zuschlag zu den Arzneimittellieferkosten für Versandapotheken ein, der auch die Patienten entlastet.“
Die im Gesetz vorgesehenen Temperaturkontrollen nimmt der Versenderverband hingegen sportlich: Die im am Donnerstag vom Bundestag verabschiedeten Gesetz vorgesehenen Regelungen hinsichtlich der Qualität und der Wirksamkeit bei der Verpackung, dem Transport und der Auslieferung von Arzneimitteln würden bereits heute für deutsche und europäische Versandapotheken gelten. „Die im EAMSP organisierten Versandapotheken haben die dafür notwendigen operativen Maßnahmen bereits seit Jahren umgesetzt und erfüllen die gesetzlichen Anforderungen.“
Eindeutiger Widerspruch kommt jedoch zum Rx-Boni-Verbot bei gesetzlich Versicherten: „So ist die beschlossene Festschreibung des Bonusverbots im SGB V eindeutig europarechtswidrig und führt zu einer Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland“, so Heinrich. „Das Gesetz treibt die Arzneimittelausgaben der gesetzlich versicherten Patienten direkt in die Höhe.“ Vor allem gehe das Gesetz dabei zulasten der Patienten, da es für sie in Zukunft doppelt teuer werden könne: Denn zum einen „wird ihnen der Bonus auf ihre Rezepte gestrichen“, zum anderen könnten aufgrund des geringeren Wettbewerbs die Preise für apothekenpflichtige Medikamente steigen. Dabei verweist der EAMS auf das Iges-Gutachten des Bundesgesundheitsministeriums (BMG): Das habe gezeigt, dass dadurch beispielsweise der Preis für Aspirin um bis zu 26 Prozent steigen könne.
Diese Wettbewerbsbenachteiligung will die Versandbranche nach eigenen Angaben nicht hinnehmen: „Die europäischen Versandapotheken werden sich weiterhin für die Gewährung von Boni als mögliches Wettbewerbselement einsetzen und sind bereit, auch den Rechtsweg zu beschreiten“, so der EAMSP. Der Verband werde sich auch künftig für eine europarechtskonforme Lösung einsetzen, „die die Interessen der Patienten in den Mittelpunkt stellt“.
Der EAMSP ist nicht allein mit seiner kritischen Haltung zum geplanten Gesetz. Auch der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) kritisiert das VOASG, wenn auch mit gänzlich anderer Stoßrichtung. AVWL-Chef Dr. Klaus Michels geht das Rx-Boni-Verbot nälich ganz im Gegenteil nicht weit genug. Es müsse auch auf den PKV-Bereich ausgeweitet werden, fordert er. „Wir halten diese Ungleichbehandlung der Patientengruppen nicht nur für verfassungswidrig, sondern das VOASG am Ende auch für gänzlich kontraproduktiv, um die Preisbindung im Rahmen eines erneuten Verfahrens vor dem EuGH rechtfertigen zu können“, kritisiert der Verbandschef. „Unseres Erachtens droht daher absehbar der gänzliche Wegfall der Preisbindung.“ Er sieht die uneinheitliche Preisbindung als möglichen ersten Schritt zur weiteren Aufweichung der Spielregeln, der zum „Verlust weiterer fundamentaler Prinzipien“ für die Vor-Ort-Apotheke wie beispielsweise das Fremd- und Mehrbesitzverbot führen könne.
Glücklich mit dem VOASG scheint bisher nur die Abda zu sein. „Vier Jahre haben wir für dieses Gesetz gekämpft. Endlich ist die Hängepartie beendet“, sagt Abda-Präsident Firedemann Schmidt am Tag nach der Abstimmung. „Mit dem Apothekenstärkungsgesetz bekommen die Apotheken einen klareren ordnungspolitischen Rahmen und können wieder mit mehr Zuversicht nach vorne schauen. Angesichts rückläufiger Apothekenzahlen brauchen gerade junge Apotheker eine Perspektive, wie sie ihre Patienten in zehn oder zwanzig Jahren versorgen können. Dazu trägt das Gesetz bei.“