TV-Apothekentest

Versandapotheken: Werbung statt Warnhinweis

, Uhr
Berlin -

Online bestellen ist bequem und liegt voll im Trend. Vom Sofa aus können auch Arzneimittel per Klick bestellt werden. Die Versender locken zudem mit günstigeren Preisen als die Apotheke um die Ecke. Der Hessische Rundfunk (HR) zeigte in der Sendung „Service Gesundheit“ den Beitrag „Deutschlands Online-Apotheken – werden wir dort gut beraten?“

Die Reporter testeten die fünf umsatzstärksten Versandapotheken auf ihre Beratung, denn dazu sind sie wie die Apotheken vor Ort verpflichtet. Überprüft wurden DocMorris (Umsatz 2016: 317 Millionen Euro) und Shop-Apotheke (145 Millionen Euro) sowie die deutschen Versender Medikamente-per-Klick (116 Millionen Euro) und Medpex (115 Millionen Euro). Die fünfte Versandapotheke im Test war die Europa Apotheek (101 Millionen Euro), ebenfalls mit Sitz in den Niederlanden.

Bestellt wurden jeweils drei Schmerzmittel und ein Schlafmittel. Die Anmeldung als 80-Jährige sei schnell und einfach. Im Warenkorb befanden sich jeweils: Aspirin 500 mg 80 Stück, Thomapyrin intensiv, Diclofenac und Hoggar Night. Den „gefährlichen Medikamentemix“ hatte der Pharmakologe Professor Dr. Martin Wehling empfohlen. „Dass das einfach so geht ohne Rückfragen, ohne Warnhinweis an sich schon auf der ersten Maske, ist ein Fehler“, so Wehling.

Die Schmerzmittel seien nur für die kurzfristige Selbstmedikation geeignet und für eine 80-Jährige sehr gefährlich. Die drei nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) haben als Hauptnebenwirkung Nierenschäden, warnt der Pharmakologe. Eine längere Einnahme sei mit Blutdruckanstieg, Herzinfarkt, Schlaganfall und Magen-Darm-Blutungen verbunden – „alles, was man im Alter braucht“. Vor allem für alte Menschen sei die Kombination besonders kritisch.

Während des Bestellvorganges wies jedoch keine der fünf Versandapotheken auf die gesundheitsgefährdende Kombination hin. Den Lieferungen von DocMorris, Europa Apotheek und Medpex lagen jedoch Hinweise bei. So warnten die niederländischen Versender die 80-Jährige Kundin, mehrfach den gleichen Wirkstoff oder die gleiche Wirkstoffgruppe bestellt zu haben. Zudem wurde vor der Einnahme während der Schwangerschaft gewarnt.

Sinnvoll erachten die Reporter den Aufkleber von DocMorris, der auf der Packung des Schlafmittels zu finden war. „Dieses Arzneimittel kann die Verkehrstüchtigkeit beeinflussen“, war schwarz auf gelb zu lesen. Den anderen Bestellungen fehlte ein Warnhinweis, dabei können laut Wehling Schlafmittel besonders für Ältere gefährlich sein. Verwirrtheit und Delir seien möglich und könnten Stürze mit sich bringen. „Dass das einfach so ohne Kommentar an 80-Jährige abgegeben wird, ist eigentlich schon eine Katastrophe.“

Besonders negativ ist den Reportern die viele Werbung aufgefallen. Verkaufsförderung stehe im Vordergrund. Statt einem Warnhinweis gebe es Werbung für noch mehr Schmerzmittel mit dem Hinweis „Kunden kauften auch“. Mehrfach empfohlen wurde während des Bestellvorganges außerdem der Kauf von Wick Medinait. Für den Pharmakologen eine Katastrophe, enthalte das „Multipräparat“ doch ein Schmerzmittel und ein ähnliches Schlafmittel. Die Nebenwirkungen würden also verstärkt.

Wenn schon nicht beraten wird, wollen die Reporter den Wechselwirkungscheck der Versender testen. Das Ergebnis überrascht, denn die drei Schmerzmittel und das Schlafmittel führten demnach bei einer 80-Jährigen zu „keinen bedeutenden Wechselwirkungen“. Erst nach Anruf bei den fünf Versendern wurde vor einer gemeinsamen Einnahme gewarnt. Wick Medinait solle auf gar keinen Fall dazu kombiniert werden. Der Tipp der Redaktion: Kunden sollten bereits beim leisesten Zweifel die Hotline anrufen.

Das Fazit der Reporter ist ernüchternd – auch wenn es sich nur um eine „Stichprobe“ handele. Diese bestätigt jedoch das „erschreckende“ Ergebnis von Stiftung Warentest mit 18 Versandapotheken. Die besten Versender wurden mit befriedigend und sieben gar mit mangelhaft bewertet.

Anhand der Stichprobe steht fest: „Werbung und Umsatz gehen vor Information und Beratung. Daher sind auch die drei Besten nicht gut.“ Ein Plus erhielten alle fünf Versender für die Beratung am Telefon, DocMorris für die sinnvolle Begrenzung der Bestellmenge sowie die drei Versender, die den Lieferungen Warnhinweise beilegten. Negativ wurden jedoch die Beratung im Netz, die allgemeinen und entsprechend unsinnigen Warnungen beurteilt sowie die viele Werbung.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Neuere Artikel zum Thema

APOTHEKE ADHOC Debatte