Im Streit um den Kassenabschlag 2009 mussten die Apotheker vor dem Sozialgericht Aachen zurückstecken: Die Richter entschieden, dass die Apotheker keinen Anspruch auf Erstattung des Abschlags haben, auch wenn die Kassen im Streit die Frist nicht eingehalten hatten. Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger hält die Argumentation für nicht überzeugend und setzt auf das Bundessozialgericht (BSG).
In dem Verfahren geht es um den Kassenabschlag 2009. Nachdem sich der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband nicht auf einen Betrag einigen konnten, legte die Schiedsstelle zum Jahresende den Abschlag auf 1,75 Euro fest. Die Kassen klagten. Im Mai 2010 ordnete das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in einem Eilverfahren die sofortige Vollziehung an. Die Rechenzentren stellten die Differenz von 55 Cent pro Packung in Rechnung.
Die Kassen zahlten zwar, einige aber erst nach der 10-Tages-Frist. Nachdem sich DAV und GKV-Spitzenverband 2013 auf ein Paket für den Kassenabschlag bis 2015 geeinigt hatten und mögliche Ansprüche auf eine Rückzahlung dabei nicht explizit ausgeschlossen wurden, zogen Hunderte Apotheker vor Gericht.
Der wesentliche Punkt der Urteilsbegründung ist aus Bellingers Sicht, dass der Schiedsspruch die Zwangsrabatte rückwirkend geändert hätte. Dadurch hätten die Kassen bei solchen Streitigkeiten nie die Möglichkeit, die 10-Tages-Frist einzuhalten. Daher könne auch keine Überschreitung der Frist angenommen werden, weil dies zu einer „sinnwidrigen Absurdität“ führe.
Bellinger hält diese Begründung allerdings nicht für tragbar: Der Schiedsspruch sei mit dem Vollzugsbeschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg nur für die Apotheken sofort vollziehbar gewesen. Da der Beschluss aber noch keine Rechnung sei, habe er gerade nicht die 10-Tages-Frist ausgelöst.
„Die 10-Tages-Frist konnte durch den Schiedsspruch also gar nicht rückwärts in Gang gesetzt werden, sondern knüpfte kraft gesetzlicher Regelung an den Zugang der Rechnung eines Rechenzentrums“, so Bellinger. Er ist überzeugt: „Eine Revision kann diese Urteilsbegründung wohl kaum überleben.“ Er will nun in allen Verfahren die Sprungrevision einreichen.
Bellinger hat für seine Mandaten 516 Klagen gegen Krankenkassen eingereicht – acht Verfahren hat er nun verloren. Aus seiner Sicht ist das „ärgerlich, aber verschmerzbar“. Das Sozialgericht habe die Sprungrevision eingeräumt; es habe sich also um eine „reine Durchgangsstation“ gehandelt.
Die beteiligten Krankenkassen hätten schon im Vorfeld erklärt, dass ihrerseits wegen der bundesweiten Bedeutung keine Vergleichsbereitschaft bestehe. Der GKV-Spitzenverband betreue die Revision genauso wie das Verfahren vor dem Berliner Sozialgericht, bei dem ein Urteil noch ausstehe, so Bellinger.
Neben Bellinger haben zahlreiche weitere Steuerberater des Kanzlei-Verbunds Apo-Audit Klagen auf Auszahlung des Kassenabschlags 2009 eingereicht. Insgesamt gingen Bellinger zufolge bundesweit fast 1000 Klageschriften an die Sozialgerichte. Dabei gehe es um 7,5 Millionen Euro. Der Steuerberater hatte einen Musterprozess angestrebt.
Nach Bellingers Recherchen haben etliche große Kassen die Differenz zu spät gezahlt: Der Musterprozess in Berlin sollte gegen die AOK Nordost, die Barmer GEK, die Techniker Krankenkasse, die KKH, die DAK Gesundheit, die IKK Classic, die Siemens BKK und die BKK VBU geführt werden.
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