Wer als Apotheker arbeiten will, muss Mitglied der jeweiligen Landesapothekerkammer sein. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern überall in Europa. Als Selbstverwaltungskörperschaften vertreten die Kammern die berufsständischen Interessen, vor allem aber kümmern sie sich - quasi als verlängerter Arm der staatlichen Rechtsaufsicht - um die Einhaltung der Berufsregeln. Für einige Apotheker ist die Mitgliedschaft ein reines Ärgernis. Denn ob Fortbildungs- oder QMS-Pflicht, Notdienst oder Testkäufe: Die Folterinstrumente sind vielfältig. Ein Verein will die Pharmazeuten jetzt von der Zwangsmitgliedschaft befreien. Heute soll eine entsprechende Petition an das EU-Parlament gesendet werden.
Eigentlich ist dem „Bundesverband für freie Kammern“ (bffk) vor allem die Zwangsmitgliedschaft aller Selbstständigen in den Industrie- und Handelskammern (IHK) ein Ärger. „Selbstständige werden in Deutschland in unzumutbarer Weise eingeschränkt“, sagt Verbandsgeschäftsführer Kai Boeddinghaus, der im normalen Geschäftsleben ein Reisebüro leitet. Denn ihnen werde eine Interessenvertretung aufgezwungen, die so keiner anderen Berufs- oder Bevölkerungsgruppe zugemutet werde.
Doch auch für das berufsständische Kammerwesen sieht Boeddinghaus keine Berechtigung: „Die Kammern sind kein unverzichtbarer Player.“ Stattdessen setzt sein Verband auf ein System der freiwilligen Mitgliedschaft: Kernaufgaben, wie die Organisation der Ausbildung, sollen Kammern weiterhin übernehmen dürfen; die Leistungen sollen über Gebühren oder Umlagen finanziert werden. Apotheker, die sich politische Vertretung durch die Kammer wünschen, sollen laut Modell aber Mitglied werden und zusätzlich Beiträge bezahlen.
Boeddinghaus sieht darin mehrere Vorteile: Die Nicht-Mitglieder müssten weniger zahlen und bräuchten politische Initiativen der Kammern nicht mitzutragen. Die Kammern wiederum müssten die verschiedenen Ausgaben transparent veröffentlichen. „Bislang jubeln Kammern ihren Mitgliedern politische Initiativen wie in einem trojanischen Pferd unter - die staatlich übertragenen Aufgaben dienen als Hülle“, so Boeddinghaus.
Im Apothekerhaus in Berlin kennt man die Vorwürfe und weist die Kritik am System entschieden zurück: Der Staat habe den Kammern die Sicherstellung und Optimierung der Arzneimittelversorgung übertragen, sagte ein Sprecher der Bundesapothekerkammer (BAK). So werde für Praxisnähe und Wirtschaftlichkeit gesorgt. Ohne Pflichtmitgliedschaft könnten die Kammern ihre Aufsichts- und Kontrollfunktionen nicht ausüben: „Die Mitgliedschaft darf nicht beliebig sein.“
Der bffk hat nach eigenen Angaben rund 1300 Mitglieder, darunter etwa 100 Apotheker. Gegründet wurde der Verein 1996, damals unter dem Namen IHK-Verweigerer. Fünf Jahre später mussten die Kammergegner ihre erste Niederlage einstecken: Das Bundesverfassungsgericht wies eine Klage gegen die Zwangsmitgliedschaft ab. Denn die Kammern erfüllten so Aufgaben im Interesse der Gemeinschaft, die weder allein in privater Initiative wahrgenommen werden könnten noch zu den engeren staatlichen Aufgaben zählten. Der Gesetzgeber müsse allerdings ständig überprüfen, ob die Voraussetzungen noch bestünden.
2004 scheiterte der bffk mit einer Gesetzesinititiative im Bundestag. Nach einer internen Krise änderte der Verband seinen Namen, um auch Handwerksunternehmen, Ärzte oder Architekten anzusprechen. Im Herbst 2010 wandte sich der bffk an die EU-Kommission - derzeit wird die Beschwerde in Brüssel noch geprüft. Beim deutschen Bundestag liegt zudem ein weiterer Petitionsantrag des Verbands. Ob die Petition zur Unterzeichnung freigegeben wird, ist noch nicht entschieden.
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