BGH glaubt nicht an Stückel-Boni Julia Pradel, 11.08.2015 12:06 Uhr
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Rabatte auf verschreibungspflichtige Medikamente für zulässig erklärt – unter der Voraussetzung, dass Teilmengen eines Fertigarzneimittels abgegeben werden. Das gelte sowohl für die Verblisterung als auch das Auseinzeln von Arzneimitteln, heißt es in der jetzt vorliegenden Urteilsbegründung. Aus Sicht der Richter sollte die Verblisterung nicht behindert werden.
In dem Verfahren ging es um Rabatte auf Fertigarzneimittel zur Herstellung patientenindividueller Blister. Die Preise für die Medikamente wollte Ratiopharm frei mit den Apotheken verhandeln. Die Wettbewerbszentrale hatte gegen den Generikakonzern geklagt. Der berief sich auf eine Ausnahmeregelung und bekam in der letzten Instanz vom BGH recht.
Die Richter stellten klar: Das Arzneimittelgesetz (AMG) schreibt zwar vor, dass Hersteller für verschreibungspflichtige Arzneimittel keine Rabatte geben dürfen. Diese Vorgabe gilt aber nur für Arzneimittel, für die Preise und Preisspannen bestimmt sind. In der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sind verschiedene Ausnahmen aufgeführt, darunter für „von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt“.
Darauf hatte auch Ratiopharm Bezug genommen, vor dem Landgericht Ulm (LG) und dem Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) noch vergeblich. Die Vorinstanzen hatten sich der Argumentation der Wettbewerbszentrale angeschlossen, nach der es darauf ankomme, was der Arzt verordne und bei den Krankenkassen abgerechnet werde: Wenn der Patient im Endeffekt die gesamte Packung erhalte, könne nicht von einer Teilmenge gesprochen werden und die Ausnahmeregelung nicht greifen.
Der BGH sieht das anders. Den Richtern zufolge sind die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelung erfüllt: „Die Apotheken geben die Fertigarzneimittel in Teilmengen ab“, betonen die Richter. Dass im Laufe der Zeit die Gesamtmenge einer Arzneimittelpackung ausgeliefert werde, schließe die Ausnahmeregelung nicht explizit aus.
Die Richter gehen sogar noch weiter und stellen klar: „Die Vorschrift erfordert auch nicht, dass die Abgabe der Teilmenge auf einer ärztlichen Verordnung beruht.“ Damit könnten Apotheken theoretisch jederzeit Teilmengen einer Packung abgeben und damit die AMPreisV umgehen. Dem steht allerdings der Rahmenvertrag zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband entgegen: Dort ist geregelt, dass die Abgabe einer Teilmenge nur auf ausdrückliche ärztliche Anordnung zulässig ist – zumindest soweit nichts anderes vereinbart ist.
In ihrer Urteilsbegründung berufen sich die Richter auf die Entstehung der Ausnahmevorschrift: Dabei habe der Verordnungsgeber Blister und ausgeeinzelte Arzneimittel im Blick gehabt. Ohne die Ausnahmevorschrift hätten für die Teilmengen jeweils eigene Listenpreise oder Berechnungsgrundlagen erstellt werden müssen. Dies sei aber nicht praktikabel.
Diese Praktikabilitätserwägungen sprechen aus Sicht der Richter dafür, die Vorschrift nicht einengend auszulegen. Auf diese Weise soll gewährleistet sein, dass eine individuelle Zusammenstellung von Arzneimitteln in Blistern nicht behindert wird. Der BGH hebt die Vorteile hervor: Durch Blister könnten Medikationsfehler verhindert werden, außerdem böten sie sich für Alten- und Pflegeheime an, die die Arzneimittel andernfalls zu einnahmefertigen Tablettensets zusammenstellen müssten.
Diese Vorteile überwiegen den Richtern zufolge das Risiko des Missbrauchs, das sie ohnehin als gering einschätzen. Sie nehmen nicht an, dass Arzneimittel in neue Blister verpackt werden, um Preisvorschriften zu umgehen. „Für eine ernstzunehmende Gefahr eines solchen Verhalten ist auch nichts ersichtlich“, heißt es in der Urteilsbegründung.
Die Wettbewerbszentrale hatte kritisiert, dass mit dem Bezug auf die Ausnahmeregelung jede Gesamtmenge in zwei Teilen geliefert werden könne und dann nicht unter die AMPreisV falle. Tatsächlich gibt es bereits Fälle, in denen Hersteller auf diese Weise die Preisbindung umgehen: Die Spiralen Mirena und Jaydess von Jenapharm etwa werden in Packungen zu einem oder fünf Stück angeboten – doch kaum eine Patientin wird eine Fünferpackung kaufen. Apotheken nutzen die Auseinzelung und bieten die Spiralen zu Sonderpreisen an.
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