Verblistern: Zugewinn für die Therapiesicherheit Alexandra Negt, 26.07.2022 09:40 Uhr
Nur wenige Apotheken verblistern selbst. Es sind meist nur diejenigen, die mit mehreren Pflegeheimen zusammenarbeiten. Denn das Blistern ist immer noch eine Selbstzahlerleistung – die Kasse übernimmt die Kosten nicht. Andere Länder sind da schon viel weiter und profitieren von besserer Therapiesicherheit, die sich aus patientenindividuell abgepackten Arzneimitteln ergibt, erzählt Robert Hüttner, Apotheker und Mitglied der Geschäftsleitung der Medipolis-Apotheken in Jena. Er will auf das Thema aufmerksam machen, denn jede Apotheke kann das Angebot machen, egal ob ein Blisterzentrum angeschlossen ist oder nicht.
Apotheker Robert Hüttner sieht im Verblistern zahlreiche Vorteile für Patient:innen und Angehörige. „Das Vorteilhafte am Verblistern ist, dass es sich um einen Prozess handelt, der die Arzneimittelsicherheit erhöht, maschinell durchführbar und zudem skalierbar ist.“ Hüttner ist bewusst, dass viele Apotheken sich vor dem Thema scheuen, da es zunächst Arbeit bedeutet. Aber: Um einem Patienten/einer Patientin das Angebot machen zu können, muss die Apotheke keinem Blisterzentrum angeschlossen sein, gibt er zu bedenken.
Im Beratungsgespräch auf Notwendigkeit achten
„Auch im normalen Beratungsgespräch kann es vorkommen, dass man bei der Abgabe von mehreren Präparaten merkt, dass der Patient mit der Anzahl seiner Medikamente überfordert ist. Da sollte jede Apotheke wissen, dass die Zusammenarbeit mit einem Blisterzentrum möglich ist. Jede Apotheke kann das Angebot des Verblisterns machen.“ Und einmal angefangen sei der Aufwand auch tatsächlich überschaubar, so Hüttner. „Sicherlich, zu Beginn stellt das Verblistern eine Herausforderung dar. Wie bei allen neuen Prozessen, wird es bei der Eingabe der Daten für den ersten Patienten holprig laufen, doch mit der Zeit etablieren sich die Prozesse und die Softwarelösungen unterstützen den Prozess.“
Und, dass Verblistern gut für den Patienten/die Patientin ist, zeigt sich in der Praxis: „In vielen anderen Ländern, darunter beispielsweise Finnland und Amerika, ist das Verblistern viel etablierter. Untersuchungen zeigen, dass diese Dienstleistung die Adhärenz massiv steigern kann.“ Und das sollte schließlich, gibt der Apotheker zu bedenken, stets eines der obersten Ziele von Ärzt:innen und Apotheker:innen sein.
Von Pflegeheimen lernen
„In Pflegeheimen ist das Thema Blistern etabliert“, so Hüttner. „In der Apotheke ist dies noch nicht unbedingt bei allen der Fall.“ Pflegeheime legen die Kosten dabei direkt auf die Bewohner:innen um. „Im Normalfall beauftragt und bezahlt das Pflegeheim eine Apotheke mit dem Verblistern. Ob das Verblistern zu- und das händische Stellen durch das Pflegepersonal in den Heimen abnimmt, ist schwer zu sagen. Sicherlich schont das Verblistern personelle Ressourcen im Heim bei gleichzeitig sinkender Fehlerquote. Mit Blick auf den Fachkräftemangel könnte es natürlich dazu kommen, dass Verblistern in der Zukunft in Heimen eine größere Rolle spielt als heute.“
Auch im Krankenhaus gewinnt das Thema an Bedeutung. Hier warten zumeist ganz andere Herausforderungen, als im Pflegeheim auf die Blisterzentren: „Im Krankenhaus ist Verblistern ein viel komplexerer Prozess. Hier übernehmen die Krankenhausapotheken diese Aufgabe meist selbst. Denn für die Versorgung auf Station muss täglich verblistert werden. Ohne räumliche Nähe wäre der Prozess nicht zu stemmen.“
In den Medipolis Apotheken spielt das Thema Verblistern allerdings nicht nur bei der Zusammenarbeit mit den Heimen eine Rolle. „Die Verblisterung von ambulanten Patienten spielt bei uns auch eine wichtige Rolle. Wir haben uns da vor allem auf die Versorgung von onkologischen Patienten spezialisiert. Das Verblistern von oralen Zytostatika bieten nicht alle an.“ Und hier geht Hüttner auch nochmal auf die initiale Medikationsanalyse ein: „Der qualitative Nutzen dieses Vorgehens steht übrigens ja auch schon ganz am Anfang des Prozesses. Denn jeder Patient, der seine Fertigarzneimittel zukünftig verblistert bekommen soll, muss einen vollständigen Medikationsplan abgeben. Dieser wird dann geprüft. Bei diesem Medikationsplan-Check können eventuelle Fehler oder Risiken aufgedeckt werden.“
Verblistern als pharmazeutische Dienstleistung
Verblistern hätte laut dem Apotheker gut in den Katalog der pharmazeutischen Dienstleistungen gepasst. „Mit Blick auf die pharmazeutischen Dienstleistungen sehe ich eine große Chance für das Verblistern. Wenn man im Gespräch merkt, dass der Patient das eigenhändige Stellen seiner Präparate nicht mehr kontinuierlich hinbekommt und gegebenenfalls auch Angehörige wie die Ehefrau damit überfordert sind, so sollte das Angebot des Verblisterns als erweiterte Patientenbetreuung angeboten werden. Es geht hier um die Steigerung der Therapiesicherheit.“
Doch da die Dienstleistung aktuell eine Selbstzahlerleistung ist, nehmen nur wenige Patient:innen das Angebot wahr. „Es wäre gut, wenn die Politik die Notwendigkeit und den Nutzen für bestimmte Patientengruppen sehen würde und ein Finanzierungsmodell für diese zusätzliche Versorgungsoption ausarbeiten würde. Es fehlen langfristige Ideen zur Vergütung.“