Hilfstaxe

Verband warnt: Kassen retaxieren rechtswidrig

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Berlin -

Die neue Hilfstaxe für die Zytoherstellung hat schon für reichlich Ärger gesorgt. Jetzt haben die AOK Hessen und die BKK VBU damit begonnen, die Abrechnungen Zytostatika herstellender Apotheken für die Monate November und Dezember 2017 zu retaxieren. In Hessen wurden etwa 30 Zyto-Apotheken retaxiert. In Baden-Württemberg ist eine Retaxation einer BKK bekannt. Der Verband Zytostatika herstellender Apotheken (VZA) empfiehlt, Einspruch einzulegen.

Die BKK VBU habe über ihren Dienstleister Convema nunmehr damit begonnen, Taxbeanstandungen für den von der Rückwirkung des Schiedsspruchs betroffenen Zeitraum November und Dezember 2017 auszusprechen, heißt es in einem VZA-Schreiben: „Sie macht mit diesen Retaxationen die im Schiedsspruch rückwirkend ab dem 1. November 2017 festgesetzten Preise geltend.“

Da der Schiedsspruch und insbesondere die darin festgesetzte Rückwirkung aus Sicht des VZA und des Deutschen Apothekerverbands (DAV) rechtswidrig ist, sei Klage gegen den Schiedsspruch beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingereicht worden. Die mündliche Verhandlung in diesem Verfahren findet am 16. Oktober 2018 statt.

„Vor dem Hintergrund, dass somit noch nicht gerichtlich geklärt ist, ob die Festsetzungen des Schiedsspruchs rechtmäßig sind und Bestand haben, empfehlen wir Ihnen, gegen die Retaxationen der BKK VBU fristgemäß Einspruch zu erheben. Gleiches gilt für etwaige vergleichbare Retaxationen anderer Krankenkassen“, so der VZA.

Dann liefert der Verband ein Widerspruch-Musterschreiben: „Sehr geehrte Damen und Herren, gegen Ihre Taxbeanstandung vom ... zu den oben genannten PIC-Nummern lege ich Einspruch ein. Den Einspruch begründe ich wie folgt:

Die von Ihnen beanstandeten parenteralen Zubereitungen im Bereich der Onkologie wurden im Zeitraum vom ... bis ... hergestellt und an die verordnenden Ärzte geliefert. Zu diesem Zeitpunkt gab es allein die ab dem 01.10.2015 geltende Anlage 3 zur Hilfstaxe, nach deren Abrechnungsregeln ich die Zubereitungen zutreffend abgerechnet habe.

Die im Schiedsspruch vom 19.01.2018 festgesetzten Preise waren mir im Zeitpunkt der Belieferung der Verordnungen nicht bekannt. Die im Schiedsspruch vorgesehene Rückwirkung von im Belieferungszeitpunkt nicht bekannten Preisen stellt eine sogenannte ‚echte Rückwirkung‘ dar, die unzulässig ist. Dementsprechend ist in § 129 Abs. 5c Satz 5 SGB V auch geregelt, dass die Vereinbarung oder der Schiedsspruch bis zum Wirksamwerden einer neuen Vereinbarung fort gilt. Der Schiedsspruch wurde erst am 19.01.2018 gefasst. Die Abrechnungsregeln nach der Anlage 3 zur Hilfstaxe 2015 galten daher im von Ihnen beanstandeten Zeitraum fort und sind daher zutreffende Grundlage für meine Abrechnung. Ich bitte Sie daher, meinem Einspruch in vollem Umfang stattzugeben.“

Für den Fall, dass die BKK VBU oder andere Krankenkassen Retaxationen für den Rückwirkungszeitraum vornähmen und diese sich zudem auf Zubereitungen aus Wirkstoffen bezögen, die nicht in der Onkologie zum Einsatz kämen, empfiehlt der VZA auch diese zu beanstanden mit folgender Argumentation: „Ihre Taxbeanstandung ist auch deswegen rechtswidrig, weil der Schiedsspruch auf der Grundlage von § 129 Abs. 5c Satz 2 und 4 SGB V ergangen ist und die Regelungen des Schiedsspruchs daher von vornherein ausschließlich für ‚parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie‘ gelten. Die Anlage 3 in der Fassung des Schiedsspruchs kann daher nicht Grundlage einer Retaxation sein, die Zubereitungen betrifft, die außerhalb einer onkologischen Indikation zum Einsatz gekommen sind.“

Noch ist unklar wie es mit der Hilfstaxe weitergeht: Die Verhandlungen des DAV mit dem GKV-Spitzenverband über eine Neuordnung waren im Frühsommer gescheitert. Daraufhin hat der DAV die Anlagen 1 und 2 und Teile der Anlage 3 gekündigt. In Anlage 1 der Hilfstaxe findet sich die Liste der Arzneimittelpreise und in Anlage 2 die Liste der Gefäße. Beide Anlagen wurden zum 30. September gekündigt.

Beschlossen wurde die Kündigung am Rande der ABDA-Mitgliederversammlung am 28. Juni. Die Kündigung musste bis Ende Juni erfolgen. Zum DAV-Wirtschaftsforum Ende April beschloss die Mitgliederversammlung noch, zunächst weitere Verhandlungen mit den Kassen abzuwarten. Schon dort hatten einige Verbände auf eine Kündigung gedrängt. DAV-Chef Fritz Becker sagte dort: „Mit den Beschlüssen der Mitgliederversammlung haben wir eine gute Basis, um bei der Hilfstaxe voranzukommen. Der DAV ist weiter bereit, eine Lösung am Verhandlungstisch zu finden.“ Das ist offenbar gescheitert.

Außerordentlich gekündigt hat der DAV die festgesetzten Zytostatika-Abschläge zu einzelnen Wirkstoffen gemäß Ziffer 7 der Anlage 3 Teil 2 der Hilfstaxe, „da bei diesen Wirkstoffen die Einnahmesituation für die Apotheke gegenüber dem Hilfstaxenpreis um mehr als 10 Prozent, teilweise sogar erheblich darüber hinaus, abweicht“, so eine Mitteilung.

Diese Kündigung wurde bereits zum 31. Juli 2018 wirksam und umfasst folgende Wirkstoffe: Oxaliplatin, Cyclophosphamid, Methotrexat, Mitomycin, Bortezomib, Carfilzomib, Daratumumab, Infliximab (Flixabi), Infliximab (Inflectra), Infliximab (Remicade), Infliximab (Remsima), Irinotecan PEGliposomal (Onivyde), Nivolumab, Olaratumab, Pembrolizumab, Vinflunin, Trabectedin und Pixatron.

DAV und GKV-Spitzenverband haben nun bis Ende September Zeit für die Vereinbarung neuer Abschläge auf die betreffenden Wirkstoffe. Kommt eine neue Vereinbarung nicht zustande, muss die Schiedsstelle erneut entscheiden.

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