Apothekenpflicht

Urteil zu Homöopathie: 100 Prozent Zucker?

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Berlin -

Sind Homöopathika mehr als bloße Zuckerkügelchen? Darüber wird seit Jahren erbittert gestritten. Ein Urteil des Landgerichts Darmstadt könnte die Debatte nun erneut befeuern. Auslöser ist der Hype um die sogenannte HCG-Diät, bei der das Schwangerschaftshormon in homöopathischer Verdünnung zum Einsatz kommt. Mehrere Apotheken mischen mit – die Wettbewerbszentrale versucht, dem Wildwuchs Einhalt zu gebieten. Am Ende könnte es um die Grundsatzfrage gehen, ob Homöopathika bis unter die Nachweisgrenze verdünnte Wirkstoffe enthalten oder ausschließlich energetisch aufgeladenen Zucker.

Die HCG-Diät verspricht einen schnellen Gewichtsverlust. Neben einer extrem kalorienreduzierten Ernährung kommt bei der „Hollywood-Kur“ HCG in der Verdünnung C30 zum Einsatz. Die meisten Produkte im Internet, die unter dem Namen „HCG-Diät“ angeboten werden, enthalten in Wirklichkeit nicht das Schwangerschaftshormon, sondern Eiweiß, Vitamine und Pflanzenextrakte und sind als Ergänzung zu Globuli beziehungsweise Tropfen gedacht.

Einige Anbieter versuchen, auch die notwendigen homöopathischen Produkte als Nahrungsergänzung zu verkaufen, so etwa die Firma Hecht-Pharma. 2018 stufte das Kammergericht Berlin ein entsprechendes Produkt des Herstellers Gall-Pharma als Präsentationsarzneimittel ein. Zuvor hatte das Landgericht Stade in einem anderen Fall ähnlich entschieden. Doch es gibt eine Vielfalt an Angeboten am Markt, die nicht den arzneimittelrechtlichen Vorgaben entsprechen. Auch Apotheken bewegen sich bei der Einstufung beziehungsweise Kennzeichnung im Grenzbereich. Sie stellen, obwohl es mittlerweile Fertigarzneimittel gibt, entsprechende Zubereitungen her – die nicht immer den Anforderungen an die Defektur entsprechen.

Im Herbst 2018 mahnte die Wettbewerbszentrale eine Apotheke ab, die unter der Kennzeichnung „HCG C30“ Tropfen und Globuli anbot. Diese hauseigenen, homöopathischen Präparate in Apothekenqualität, wie es in der Werbung heißt, werden nicht nur in der Apotheke verkauft, sondern auch über einen Webshop sowie über Amazon vertrieben. Laut Wettbewerbszentrale entsprach die Kennzeichnung nicht den Vorgaben des Arzneimittelrechts. Die Inhaberin wurde aufgefordert, künftig keine HCG-Produkte „bestehend aus 100 Prozent Zucker als Nahrungsergänzungsmittel ohne Angaben der Kategorien von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen, die für das Erzeugnis kennzeichnend sind, in den Verkehr zu bringen und/oder bringen zu lassen“.

Die Apothekerin gab die Unterlassungserklärung ab, doch da im September 2019 immer noch ähnliche Produkte online zu finden waren, ging der Fall vor Gericht. Und vor der Kammer für Handelssachen schienen irgendwie alle Parteien aneinander vorbei zu reden.

Die Wettbewerbszentrale argumentierte, das Schwangerschaftshormon sei – anders als in der Produktbezeichnung suggeriert – nicht in den Produkten enthalten. Diese bestünden nach der Potenzierung ausschließlich aus Saccharose (Zucker). Damit bestehe die Gefahr, dass Verbraucher sich mit den Produkten selbst behandelten und im Zweifel auf einen angezeigten Arztbesuch verzichteten.

Die Apothekerin verteidigte sich, die von der Unterlassungserklärung erfassten Produkte seien mit den jetzigen nicht identisch gewesen. Die aktuell angebotene Ware sei gemäß Homöopathischem Arzneibuch hergestellt worden. HCG sei in der Dosierung C30 enthalten, den angesprochenen Verkehrskreisen sei auch bekannt, dass Wirkstoffe in homöopathischen Arzneimitteln soweit verdünnt sein könnten, dass diese nicht mehr wissenschaftlich nachweisbar seien.

Das Gericht folgte dieser Argumentation. Durch Vorlage der Dokumentation für Defekturarzneimittel habe die Apothekerin nachgewiesen, dass HCG in der angegebenen Dosierung C30 enthalten sei. Würde man der Sichtweise der Wettbewerbszentrale folgen, dass bei der Verdünnung C30 kein Inhaltsstoff mehr enthalten sei, komme dies einem faktischen Verbot der Homöopathie gleich, die nicht im Sinne der Verbraucher sei.

Auch eine Irreführung könne nicht angenommen werden. „Grundsätzlich muss davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem angesprochenen Verkehrskreis um Personen handelt, die grundsätzlich der Homöopathie offen gegenüberstehen und denen bekannt ist, dass die Wirkstoffe bei homöopathischen Arzneimitteln geringer dosiert sind, als bei klassischen schulmedizinischen Produkten.“ Viele Verbraucher – gerade Chroniker – hofften ja gerade deswegen auf weniger Nebenwirkungen.

Anhänger der Schulmedizin gingen dagegen üblicherweise davon aus, dass homöopathische Arzneimittel keinerlei Wirkungen haben können und mögliche Behandlungserfolge ausschließlich auf den „Placeboeffekt“ zurückzuführen seien. „Dieser Personenkreis wird von der Werbung der Beklagten nicht angesprochen, da klar erkennbar ist, dass ein homöopathisches Arzneimittel vertrieben wird.“

Das Risiko, dass auf notwendige Arztbesuche verzichtet werde, sah das Gericht nicht: Da mittlerweile bei bestimmten Homöopathika keine Anwendungsgebiete mehr genannt werden dürften, sei spezielles Fachwissen notwendig, was viele Verbraucher eher dazu nötigen werde, einen Arzt oder Heilpraktiker aufzusuchen, um sich entsprechende homöopathische Mittel verschreiben zu lassen.

In der nächsten Instanz werden sich die Richter vermutlich eingehender mit den Abgrenzungsfragen beschäftigen müssen, um über die Kennzeichnung entscheiden zu können. In einem anderen Fall hat sich die Wettbewerbszentrale nämlich bereits durchgesetzt: Das Landgericht Lübeck entschied im September gegen die Klindwort-Apotheken, die unter der Rubrik „21-Tage-Stoffwechselkur“ ebenfalls selbst hergestellte HCG-Globuli online vertrieben hatten.

Hier lag der Fall insofern anders, als in der Werbung gar keine Verdünnungsstufe angegeben wurde und auch aus der Produktbezeichnung „HCG Globuli Komplexmittel (C12/C30/C60)“ keine eindeutigen Informationen dazu zu entnehmen waren. Das Argument, dass diese Fragen im Beratungsgespräch geklärt werden könnten, ließen die Richter nicht gelten.

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