Impfstoff-Vorbestellung

Fax ist nicht Beweis genug

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Berlin -

Jedes Jahr bestellen die Arztpraxen in den Apotheken Grippeimpfstoffe vor, diese kaufen die Vakzine ein und liefern sie an die Praxen. Problematisch wird es, wenn das Verhältnis zwischen Arzt und Apotheke nicht das Beste ist und die Praxis weniger Impfstoffe abnimmt als vereinbart. Dann muss die Apotheke nachweisen, dass eine höhere Menge vorbestellt war und sie den Arzt aufgefordert hat, die übrigen Impfstoffe abzunehmen. Ein Fax reicht dafür allerdings nicht aus. Diese Erfahrung musste eine Apothekerin aus dem Saarland machen.

Der Apothekerin zufolge hatte eine Gemeinschaftspraxis im selben Haus 2008 insgesamt 500 Grippeimpfstoffe verschiedener Hersteller bestellt. In der Pandemiesaison 2009/2010 nahmen die Ärzte ihr aber nur einen Teil der Impfstoffe ab, bezahlt wurden 200 Dosen. 100 Impfstoffe wurden – darüber gibt es keine Diskussion – bestellt und bezahlt. Probleme gab bei einem weiteren Rezept, das der Apothekerin zufolge geändert und dadurch schlecht lesbar geworden war. Laut Kassenbon seien 150 Dosen abgegeben worden, die AOK habe jedoch auf 100 Dosen retaxiert und auch die Arzthelferinnen hätten ausgesagt, dass lediglich 100 Impfstoffe abgegeben worden seien.

Die übrigen 250 Impfstoffe hat die Praxis der Apothekerin nicht abgenommen. Mehrere mündliche Aufforderungen und eine gefaxte schriftliche Aufforderung hätten nicht gefruchtet, so die Pharmazeutin. Sie musste die Impfstoffe am Ende der Saison vernichten. Der Praxis stellte sie die 50 nicht bezahlten und die 250 nicht abgenommenen Impfstoffe in Rechnung, insgesamt rund 6700 Euro.

Weil die Praxis diese Summe nicht zahlte, ging der Streit vor Gericht. Die Apothekerin fühlte sich sicher: Immerhin sei durch die Vorbestellungsaufträge ein Kaufvertrag zwischen ihr und der Praxis zustande gekommen.

Die Richter sahen den Fall aber anders: Das Landgericht Saarbrücken (LG) hat die Klage der Apothekerin im Juni 2013 abgewiesen, das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) nun ihre Berufung. Die Apothekerin habe weder Anspruch auf Bezahlung der 250 Impfstoffe, die die Praxis nicht abgenommen habe, noch auf die 50 Dosen, von denen sie behaupte, sie an die Praxis geliefert zu haben.

Die Richter erklärten, die Apothekerin müsse ein Angebot beziehungsweise eine Abnahmeaufforderung beweisen. Dieser Beweislast habe die Apothekerin nicht genügt, da weder mündliche noch schriftliche Abnahmeaufforderungen nachgewiesen seien, entschieden die Richter. Das Fax und den von der Apothekerin vorgelegten Sendebericht ließen die Richter nicht gelten.

Der Sendebericht sei lediglich ein Indiz für den Zugang eines Fax, und kein Beweis, so die Richter. Immerhin: Da der „OK“-Vermerk auf dem Sendebericht das Zustandekommen einer Verbindung belege, könne die Praxis nicht einfach bestreiten, das Fax nicht erhalten zu haben. Das Praxisteam müsse sich dazu äußern, welches Gerät betrieben worden, ob die Verbindung im Speicher enthalten und ein Empfangsjournal geführt worden sei.

Allerdings half das der Apothekerin nicht weiter: Laut Praxis wurde das Faxgerät 2011 defekt entsorgt, sodass kein Speicher mehr ausgelesen werden könne. Zum damaligen Zeitpunkt sei auch kein Empfangsjournal geführt worden. Damit ist die Praxis aus Sicht der Richter ihrer Beweispflicht nachgekommen und die Apothekerin wäre wieder am Zuge gewesen. Da sie keine weiteren Beweise vorbringen konnte, bekam die Arztpraxis Recht.

Im Streit um die 50 Dosen Impfstoff musste die Apothekerin ebenfalls eine Niederlage einstecken. Aus Sicht der Richter war die Pharmazeutin auch für die Behauptung, die Praxis habe tatsächlich 50 Impfstoffe erhalten, beweisfällig geblieben. Die vorgelegten Unterlagen begründeten zwar „eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass 50 weitere Einheiten des Impfstoffes abgegeben wurden“, hätten aber nicht den erforderlichen Überzeugungsgrad vermittelt.

Zweifel hätten sich nach Meinung der Richter außerdem in Anbetracht des unleserlichen Rezeptes und aufgrund der Aussagen der Arzthelferinnen ergeben, die übereinstimmend eine Lieferung von 100 Impfstoffen bestätigten. Die Richter erkannten auf dem Rezept schließlich eher eine Abänderung von 200 auf 100 Dosen. Keinesfalls sei aber die behauptete Änderung von 200 auf 150 Dosen zweifelsfrei belegt.

Die Argumentation der Richter kann die Apothekerin nicht nachvollziehen. Selbst wenn ehemalige Mitarbeiterinnen eine Zeugenaussage hätten machen können, hätten die Angaben ihrer zwei Mitarbeiter gegen die von fünf Arzthelferinnen gestanden. Aus dem Urteil zieht sie vor allem eine Lehre: Da naheliegende Vorgehensweisen wie mündliche Aufforderungen praktisch nicht nachweisbar seien und selbst der Sendebericht eines Fax nicht ausreichend sei, tue eine Apotheke gut daran, säumige Ärzte per Einwurf-Einschreiben zur Abnahme aufzufordern.

Das Verhältnis zwischen der Apothekerin und der Gemeinschaftspraxis ist ohnehin nicht das Beste: Die Pharmazeutin hatte bereits gegen diese und eine weitere Praxis sowie einen Kollegen geklagt, weil die Ärzte dem Apotheker Rezepte zugefaxt hatten. Sein Botendienst habe die Arzneimittel ausgeliefert und anschließend in den Praxen die Originalrezepte eingesammelt. In diesem Fall bekam sie Recht: Der Apotheker durfte nicht nicht länger eine Rezeptsammelstelle bei den Ärzten betreiben, und auch die Mediziner akzeptierten schließlich die einstweilige Verfügung des Gerichts.

Ob die Vorbestellung von Impfstoffen zu einer Abnahmepflicht führt, ließen die Richter in dem aktuellen Fall offen: Das Landgericht ging „zumindest im Fall der Nichtabnahme zum Schadensersatz verpflichtenden schuldrechtlichen Sonderverbindung zwischen den Parteien aus“. Das OLG erklärte hingegen, es bedürfe letztlich keiner Festlegung, ob zwischen der Apotheke und der Praxis eine vorvertragliche Beziehung bestanden habe, „die zum Abschluss von Kaufverträgen über die bestellten Impfstoffe verpflichtete, oder wenigstens eine Schadensersatzpflicht im Fall der Nichtabnahme auslösen konnte“. Entscheidend sind demnach in diesem Fall die fehlenden Beweise.

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