„Urteil erschwert Vertretungen“ Janina Rauers, 21.05.2012 15:28 Uhr
Keine Apothekervertretungen mehr durch Freiberufler – das Urteil des Berufsgerichts München ist zwar noch nicht rechtskräftig. Trotzdem beschäftigt es die Branche. Denn ein Großteil der Apotheker, die im Urlaubs- oder Krankheitsfall einspringen, sind freiberuflich tätig. Müssen sie künftig für die Zeit festangestellt werden, dürften auf Apotheker, die sich vertreten lassen wollen, zudem höhere Kosten und mehr Bürokratie zukommen.
Den Richtern zufolge ist eine Festanstellung zwingend notwendig, damit das Weisungsrecht des Apothekeninhabers durchgesetzt werden kann. Auch bei kurzen Vertretungen wollen die Richter keine Ausnahmen zulassen: Schließlich könnte auch bei Notfalleinsätzen der Anstellungsvertrag nachgeholt werden.
Die professionellen Vermittler für Apothekervertretungen warnen vor Belastungen für ihre Kunden: „Wenn das Urteil rechtskräftig wird, werden sich viele Apotheker erst einmal keinen Urlaub mehr leisten können“, sagt Sanja Müller, Personalbeauftragte bei „hsi health care experts“. Denn auch innerhalb von Familien ist laut Müller die teurere Festanstellung Pflicht. Vertretungen von weniger als einer Woche dürften sich zudem aufgrund des Aufwands bei der An- und Abmeldung bei der Bundesagentur für Arbeit nicht mehr lohnen.
Müllers Team betreut derzeit im Raum Baden-Württemberg rund 90 Apotheker, die freiberuflich tätig sind; drei Apotheker sind bei dem Dienstleister festangestellt. Letztere könnten Müller zufolge auch weiterhin an Apotheker vermittelt werden, wenn das Urteil rechtskräftig würde: „Überlassene Arbeitnehmer sind gegenüber dem Kunden weisungsgebunden – hier greifen die Vorgaben aus der Zeitarbeit.“
hsi ist Franchisenehmer von „health care experts“ von Norbert Fuhrmann, bundesweit gibt es acht weitere Franchisenehmer. Insgesamt vermittelt die Gruppe rund 170 Pharmazeutisch-technische Assisten (PTAs), 20 Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKAs) und etwa 25 festangestellte Apotheker – wie viele Freiberufler den Service in Anspruch nehmen, ist nicht bekannt.
Das Urteil hat „health care experts“ überrascht: Schließlich habe das nordrhein-westfälische Landessozialgericht (LSG) 1967 entschieden, dass auch selbstständige Apotheker Vertretungen übernehmen dürften, so Fuhrmann. Zudem sei fraglich, wie Apothekeninhaber aus dem Urlaub oder vom Krankenbett aus ihr Weisungsrecht ausüben könnten.
Neben „health care experts“ gehört Approtime aus Saarbrücken zu den großen Vermittlern von Apothekervertretungen. Geschäftsführer Andreas Gerlach sieht sich vom Urteil nicht betroffen – schließlich seien die rund 30 Apotheker alle festangestellt. Aufgrund der rechtlichen Bedenken habe man nie Freiberufler vermittelt.