Festbetrag bringt Lieferengpässe Patrick Hollstein, 13.09.2016 10:40 Uhr
Festbeträge senken nicht nur die Preise – sondern können auch ganz unerwartete Folgen haben. Aktuell gibt es bei den urologischen Spasmolytika Lieferengpässe. Um die Probleme zu überbrücken, hat der Hersteller Astellas jetzt einen Direktbestellweg eingerichtet.
Zum 1. April wurde die neue Festbetragsgruppe der urologischen Spasmolytika eingerichtet. Enthalten sind die Wirkstoffe Darifenacin, Fesoterodin, Propiverin, Solifenacin, Tolterodin und Trospiumchlorid.
Seitdem sind bestimmte Originalpräparate nur noch mit Aufzahlung zu erhalten. Bei den Pfizer-Präparaten Detrusitol (Tolterodin) und Toviaz (Fesoterodin) werden bis zu 117 beziehungsweise 103 Euro in der Apotheke fällig, bei Dridase (Oxybutynin) von Sanofi gibt es Mehrkosten von allerdings nur bis zu 5 Euro.
Astellas hat seinen Preis für Vesikur (Solifenacin) angepasst, das Präparat ist damit ohne Mehrkosten erhältlich. In der Folge ist laut Unternehmen die Nachfrage unerwartet explodiert – über den regulären Lieferweg via Großhandel gibt es seit einigen Wochen Defekte. Daher hat sich die Firma entschlossen, Apotheken bis Ende September die Direktbestellung zu ermöglichen. Dadurch sollen die üblichen Bestellwege kurzfristig entlastet werden. Mit der Abwicklung wurde der Dienstleister NextPharma beauftragt.
Der Versand erfolgt porto- und verpackungsfrei. Allerdings müssen die Apotheken ihre Betriebserlaubnis bei der Bestellung mitliefern, zudem gibt es maximale Bestellmengen von 5 Packungen bei Einheiten à 30 und 50 Stück und 10 Packungen bei Einheiten à 100 Stück.
So liegt der Verdacht nahe, dass Astellas auch die Abwanderung der Produkte ins Ausland verhindern will. Immerhin sind die Preise im April drastisch gesunken: Statt 153 Euro kostet etwa die N3 der Packung à 5 mg nur noch 64 Euro auf Basis der Apothekenverkaufspreise (AVP). Bei diesem Niveau ist Ware aus Deutschland für den Export ins Ausland attraktiv.
Was die verstärkte Nachfrage angeht, werden nicht nur Patienten umgestellt, die bislang die jetzt aufzahlungspflichtigen Präparate erhalten haben. Denn diese konnten Urologen auch in der Vergangenheit nur in Ausnahmefällen verordnen, wenn sie die Vorgaben der Wirtschaftlichkeit beachten wollten. Vielmehr sind Wechsel auch bei Patienten zu beobachten, die bislang mit den preiswerten Generika behandelt wurden.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) haben ihre Mitglieder in den vergangenen Wochen über die neuen Bewertungen informiert: Spasmex (Dr. Pfleger) etwa gehört nicht mehr zu den besonders günstigen Präparaten mit Trospiumchlorid, Apogepha hat es nach der Absenkung mit Mictonorm Uno zum Preisführer bei Propiverin geschafft. Für die Ärzte geht es darum, die Generikaquoten nach Wirkstoffvereinbarung zu erfüllen.
Laut Arzneiverordungsreport wurden 2014 insgesamt 180 Millionen Tagestherapiedosen (DDD) an urologischen Spasmolytika auf Kassenrezept verordnet. Davon entfielen ein Drittel auf Trospiumchlorid und 28 Prozent auf Solifenacin, also Vesikur.
Das mittlerweile generische Propiverin macht 10 Prozent aus, Emselex (Darifenacin) und Toviaz kommen auf je 7 Prozent, Oxybutynin auf 5 Prozent. Andere Wirkstoffe wie Tolterodin und Präparate wie das mittlerweile vom Markt genommene Betmiga (Mirabegron) und Yentreve (Duloxetin) sind von untergeordneter Bedeutung.