Direkt nach der Approbation wurde Damian Kaminski Vertretungsapotheker. Der 26-Jährige arbeitet als Selbstständiger, unter anderem wird er vom Dienstleister Flying Pharmacist vermittelt. Im Gespräch mit APOTHEKE ADHOC berichtet er von Lieblingsapotheken, Chaos in der Offizin und unterschiedlichen Beratungsmentalitäten.
ADHOC: Seit wann sind Sie Vertretungsapotheker?
KAMINSKI: Direkt nach dem dritten Staatsexamen bin ich auf ein Inserat von Flying Pharmacist auf einer Kammer-Webseite aufmerksam geworden. Das war vor ziemlich genau einem Jahr. Nach dem Studium und dem Praktischen Jahr (PJ) wollte ich mich orientieren und habe mich daher auf das Inserat gemeldet. Danach bin erst einmal dabei geblieben. Ich nehme Vertretungsjobs über Flying Pharmacist und auch privat an. Inzwischen habe ich in etwa 50 verschiedenen Apotheken gearbeitet.
ADHOC: Was schätzen Sie an der Arbeit?
KAMINSKI: Vor allem die Flexibilität. Ich schaue im Online-Portal von Flying Pharmacist nach Vertretungsgesuchen und entscheide selbst, welche Jobs ich annehme. So kann ich mir meine Termine legen wie ich will und spare mir Urlaubsdiskussionen. Außerdem gefällt mir die Abwechslung des Jobs, ich lerne unterschiedliche Apotheken und Regionen kennen. Interessant finde ich, dass es zwischen Stadt und Land Unterschiede in der Beratungsmentalität der Kunden zu geben scheint: In der Stadt sind die Kunden meist offener für Beratungen, obwohl der Anteil der Laufkundschaft höher ist und dem Apotheker somit eigentlich weniger Zeit bleibt. In ländlichen Gegenden lassen sich Patienten nach meiner Erfahrung nicht so gerne beraten.
ADHOC: Was sind die Schattenseiten des Jobs?
KAMINSKI: Ich muss viel pendeln. Häufig übernehme ich Vertretungen in Nordrhein-Westfalen und fahre von meinem Wohnort Münster aus in die Apotheken. Das kostet Zeit. Ich habe aber auch schon Aufträge in Rheinland-Pfalz und Bayern angenommen, dann habe ich in Unterkünften vor Ort übernachtet. Als Selbstständiger ist es außerdem meine Pflicht, mich um meine Versicherungen selbst kümmern.
ADHOC: Waren Sie bei Ihrem ersten Einsatz nervös?
KAMINSKI: Nein, eigentlich nicht, obwohl ich direkt beim ersten Auftrag als einziger Approbierter im Team die pharmazeutische Verantwortung trug. Ich habe mein PJ in einer Apotheke meiner Studienstadt Münster gemacht. Die Chefin dort hat super ausgebildet, daher fühlte ich mich sicher. Und ich hatte die „richtige“ Apotheke für eine erste Vertretung; sie war nicht zu groß. In einer geschäftigen Center-Apotheke wäre ich vielleicht aufgeregter gewesen.
ADHOC: Wie bereiten Sie sich auf die Vertretungen vor?
KAMINSKI: Vorab gibt es ein paar Infos über die Apotheken selbst, wie beispielsweise die Öffnungszeiten und welche Software verwendet wird. In der letzten Woche war ich in einer Apotheke mit homöopathischen Schwerpunkt, da habe ich mich etwas eingelesen. Außerdem bereite ich mich auf die saisonalen Beratungsthemen vor. Manche Inhaber wünschen sich, dass man als Vertretungsapotheker vorab ein kurzes Telefonat mit ihnen führt. Hier werden dann eventuelle Besonderheiten der Apotheke erklärt; das ist hilfreich. Meist erfahre ich Details aber erst vor Ort. Das ist jedoch fast nie ein Problem, weil die Teams sehr hilfsbereit sind, mir die Apotheke zeigen und alles erklären.
ADHOC: Wie viele Stunden pro Woche arbeiten Sie?
KAMINSKI: Das ist ganz unterschiedlich. Wenn ich etwa Chefvertretungen für eine Woche annehme, stehe ich von 8 bis 19 Uhr in der Apotheke. So kommen schon 60 Stunden zusammen. Manchmal vertrete ich auch nur für einige Tage, zum Beispiel übernehme ich einen Freitag und Samstag. Im Durchschnitt komme ich wohl auf 25 bis 30 Wochenstunden – Fahrtzeiten nicht eingerechnet.
ADHOC: Wie viel verdienen Sie?
KAMINSKI: Mein Honorar liegt über dem Tarif. Als Selbstständiger habe ich zudem steuerliche Vorteile.
ADHOC: Haben Sie Apotheken kennengelernt, in denen Sie am liebsten geblieben wären?
KAMINSKI: Ich habe mehrere Lieblingsapotheken. Da gibt es tolle Chefs, die ihre Apotheke sehr gut organisieren; die Arbeit macht einfach Spaß. Sowohl das Team als auch die Kunden sind freundlich. Die Apotheken sind modern ausgestattet, es gibt einen Kommissionierer. Die Kollegen beantworten gerne Fragen und man kann auch einmal Aufgaben nach hinten delegieren. In manchen Apotheken war ich bereits mehrfach. Es ist schön, wenn man sich auf das Team freuen kann und merkt, dass die Mitarbeiter einem ebenfalls Wertschätzung entgegenbringen.
ADHOC: Gibt es auch Negativbeispiele?
KAMINSKI: Die sind die absolute Ausnahme. Wenn, dann lag es vor allem an technischen und personellen Problemen. In zwei Apotheken, in denen ich gearbeitet habe, herrschte das Chaos. Die EDV hat etwa eine Woche lang nicht funktioniert, aber der Inhaber fühlte sich nicht verantwortlich, das Problem zu beheben. Zudem war die Apotheke unterbesetzt; die PTA machten viel zu viele Überstunden. In der Warenwirtschaft kam es zu Problemen, weil manche Bestellungen vergessen wurden.
ADHOC: Welche Eigenschaften sollte ein Vertretungsapotheker haben?
KAMINSKI: Man sollte höflich und aufgeschlossen sein und zugleich gegenüber unfreundlichen Kunden ein dickes Fell haben. Das gilt wohl grundsätzlich für jeden Apotheker. Außerdem sollten Vertretungsapotheker in Situationen, in denen sie sich nicht sofort zurechtfinden, die Ruhe bewahren können. Eine lockere Herangehensweise an Probleme hilft.
ADHOC: Wollen Sie selbst einmal eine Apotheke führen?
KAMINSKI: Das fragen mich viele. Vorerst nicht. Es wird schon viel geschimpft über die Krankenkassen. Aber ich denke, dass es ohne Rabattverträge für die Kassen heute wirklich zu teuer wäre. Mein Ideal für eine Anstellung wäre eine Center-Apotheke in der Stadt, in der schon einiges los ist und der Stammkundenanteil etwa bei einem Viertel liegt. Eine Hauptbahnhof- oder Flughafen-Apotheke wäre mir zu stressig. Im Moment finde ich die Arbeit als Vertretungsapotheker einfach sehr abwechslungsreich; sie ist immer für eine neue Erfahrung gut.
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