Urheberrecht

Abmahnungen wegen Pollenflugkalender Alexander Müller, 14.12.2016 10:21 Uhr

Berlin - 

Flattert kurz vor Weihnachten eine Abmahnung in die Apotheke, weckt das bei vielen Inhabern böse Erinnerungen. Aktuell wird einigen Apothekern ihr Pollenflugkalender zum Verhängnis. Weil die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst ihre Urheberrechte verletzt sieht, hat sie Anwälte eingeschaltet. Wie viele Apotheken betroffen sind, steht nicht fest, um eine „Abmahnwelle“ handelt es sich aber wohl nicht.

Als tausende Apotheken vor zwei Jahren eine Abmahnung der Brücken-Apotheke erhielten, war auch ein Apotheker aus Nordrhein-Westfalen betroffen. Es war seine erste und bislang einzige Abmahnung – bis er unlängst Post von der Berliner Kanzlei KV Legal erhielt, die ihn im Auftrag der Pollen-Stiftung abmahnte.

Wie viele seiner Kollegen hat der Apotheker auf seiner Internetseite einen Serviceteil inklusive Pollenflugvorhersage. Die Grafik zeigt etwa, dass Spitzwegerich von Ende Mai bis Ende August seine Hauptblütezeit hat und dass Gräser-Allergiker bis in den April hinein Ruhe haben.

Das Problem: Die Grafik gleicht für den Geschmack der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst allzu sehr deren eigener Kreation. Vor allem wird ein Verstoß gegen den Datenbankschutz moniert. Die Stiftung hat ihren Sitz an der Berliner Universitätsklinik Charité und erstellt regelmäßig einen Plan zur Vorhersage des Pollenflugs. Dazu gibt es Messstationen an 38 Standorten in der ganzen Republik, an denen die Pollenimmission in der Saison oder ganzjährig gemessen wird.

Der aus den Messergebnissen resultierende Plan konnte früher gegen eine einmalige Schutzgebühr von 350 Euro verwendet werden. Neuerdings wird die Lizenz je nach Nutzung individuell vergeben, Interessenten müssen sich direkt an die Stiftung wenden.

Der jetzt abgemahnte Apotheker aus NRW hat seinen Pollenflugkalender nicht bei der Stiftung lizenziert. Er hatte eine Firma mit der Gestaltung seiner Homepage beauftragt. Diese hat wiederum die Bildrechte an dem Kalender offenbar aus einer Bilddatenbank gekauft.

Der Stiftung ist allerdings inzwischen aufgefallen, dass jemand den „offiziellen“ Pollenflugkalender als sein eigenes Werk ausgibt und in Bilddatenbanken vertreibt. Auch dagegen werde natürlich vorgegangen, heißt es bei der Stiftung. Doch auch die Nutzer des Kalenders oder leichter Abwandlungen davon werden angeschrieben.

Rund ein Dutzend Abmahnungen wurden bereits ausgesprochen, neben Apothekern auch Betreiber von Allergikerportalen. Weil die Daten mit extrem hohem Aufwand generiert würden, müsse man gegen die unrechtmäßige Nutzung jetzt vorgehen, heißt es bei der Stiftung.

Auch die Apotheke aus NRW erhielt ein Schreiben der Kanzlei KV Legal: Der Pollenflugkalender auf der Homepage der Apotheke sei so aufgebaut wie jener der Stiftung und ähnele diesem auch im Erscheinungsbild sehr. Damit verletze die Apotheke die urheberrechtlich geschützten Rechte. Dass der Kalender der Apotheke farblich und in der Anordnung der Monate etwas anders gestaltet ist, spielt demnach keine Rolle.

Die Stiftung fordert nicht nur die Entfernung des Kalenders von der Homepage der Apotheke, sondern auch Auskunft über dessen Herkunft. Anschließend werde man sich erneut wegen etwaiger Schadenersatzforderungen melden. Denn wer das Urheberrecht fahrlässig oder vorsätzlich verletze, sei zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet.

Schon für die Abmahnung verlangt die Kanzlei einen Betrag von rund 1500 Euro. Die Kosten für die Erstellung des Pollenflugkalenders beziffert die Stiftung auf knapp 4,1 Millionen Euro. In diese Berechnung fließen die Messstationen, die jahrelange Messung 16 verschiedener Pollenarten sowie der alte Preis für den kommerziellen Erwerb ein.

Sollte tatsächlich das Urheberrecht verletzt sein, besteht zwar ein Unterlassungsanspruch gegen den Apotheker – unabhängig vom eigenen Verschulden. Was den Schadenersatz betrifft, ist er aber besser gestellt, erklärt Rechtsanwalt Dr. Volker Herrmann von der Kanzlei Terhaag und Partner in Düsseldorf: „Für Schadenersatzforderungen muss dem Apotheker ein Verschulden nachgewiesen werden. Selbst Fahrlässigkeit dürfte ihm aber schwer nachzuweisen sein, wenn er eine Agentur mit der Erstellung der Homepage beauftragt hat und diese wiederum Bildrechte gekauft hat.“

Der Apotheker hat die Sache seinem Anwalt übergeben. Er ist sich keiner Schuld bewusst, da er mit der Erstellung seiner Homepage einen professionellen Dienstleister beauftragt hat.