Bundesweit kommt es in diesem Sommer immer wieder zu Starkregen und heftigen Unwettern. Nicht immer ist es so schlimm wie im bayerischen Simbach oder in Braunsbach in Baden-Württemberg, doch großer Schaden kann im Einzelfall auch schon entstehen, wenn die Kanalisation vorübergehend überfordert ist. In Berlin hat es in der vergangenen Woche eine Apotheke erwischt.
46 Liter Wasser pro Quadratmeter in weniger als zwei Stunden fielen am vergangenen Mittwoch in Berlin – so viel wie sonst in einem Monat. Die Feuerwehr rief von nachmittags bis abends um 22 Uhr den Ausnahmezustand aus. Mehr als 350 wetterbedingte Einsätze gab es, meist musste Wasser von Straßen, aus Unterführungen oder Kellern gepumpt werden.
Auch der Keller einer Berliner Apotheke war mehr als einen Meter hoch mit Abwässern aus der Kanalisation gefüllt. Teile des Lagers und selbst der etwas höher gelegene Raum mit Kühlschränken und Medikamenten- und Kosmetiklager wurde von einer undefinierbaren Brühe in Mitleidenschaft gezogen. Ob durchnässt oder nicht, im Kühlschrank oder auf Regalen: keines der dort gelagerten Medikamente ist noch abgebbar. Ebenso die Kosmetik, denn Schmutzwasser erzeugt Gerüche, und diese kontaminieren zumindest die Umverpackung.
Ein Rückhalteventil der Kanalisation hatte den Wassermassen nicht standhalten können. „Ursprünglich dachten wir, es wäre ‚nur‘ Regenwasser, doch schnell war klar, dass den Keller noch etwas ganz anderes als Regenwasser geflutet hat“, berichtet Bernd Teschner, Servicemitarbeiter eines Spezial-Versicherungsmaklers für Apotheken.
Alarmiert vom Inhaber war Teschner eine Stunde später am Ort des Geschehens. Bei Wasserschäden ist schnelle Hilfe gefragt, deshalb alarmierte Teschner nicht nur die Feuerwehr, sondern auch gleich den ‚SchadenDienst24‘. Das ist ein Zusammenschluss von auf Hygienethemen spezialisierten Haustechnikern mit 3000 Mitarbeitern an gut 100 Standorten bundesweit, die einen 24-Stunden-Notruf eingerichtet haben.
Feuerwehr und SchadenDienst24 waren praktisch gleichzeitig vor Ort. Die Wasseruhr der Feuerwehr wies knapp 5000 Liter Wasser aus, die aus der Apotheke gepumpt werden mussten. Der Schadendienst sicherte vor allem die Elektrik, insbesondere noch intakte Waren und Geräte wurden über Nacht aus dem Keller geschafft. Drei starke Trockengeräte wurden aufgestellt und eine Entlüftung durch den Haus-Schornstein hergestellt, damit am nächsten Morgen in der Apotheke wieder gutes Klima herrschte. So eine schnelle Reaktion ist Teschner zufolge enorm wichtig, da ansonsten der Schaden deutlich schlimmer und teurer wird.
In Berlin gehört der Schadendienst seit zwei Jahren zum engsten Kreis des Apotheken-Service-Netzwerks von PharmAssec. „Nur sofortige Reinigung, Trocknung und Desinfektion vermeidet eine schadenbedingte Betriebsschließung. Steht das Wasser länger in der Apotheke, ist sie bis zur Wiedereröffnungsrevision zu“, erklärt Apotheken-Spezialmakler Michael Jeinsen. Er hat als Vorstand im genossenschaftlichen Heilwesennetzwerk diesen Kundenservice vor Ort mit aufgebaut.
Nach seiner Erfahrung funktioniert eine wirksame Schadenbekämpfung nur, wenn alle Beteiligten vorab miteinander abgestimmt sind. Damit bei Bedarf alles von vornherein Hand in Hand ablaufe, hätten sich im Heilwesennetzwerk eine Vielzahl von Dienstleistern rund um die Gesundheitsberufe zusammengeschlossen, so Jeinsen. Der Versicherer gehe nach Begutachtung in der Apotheke im Augenblick von rund 25.000 Euro Schaden aus. Wäre nicht sofort aufgeräumt und gereinigt worden, wäre der Schaden sicher deutlich höher, schätzt Jeinsen.
Richtig teuer wird es, wenn es zu einer Betriebsunterbrechung kommt. Eine Apotheke in Lichtenrade hat vor vier Jahren diesen Alptraum durchlebt. Bis der Pharmazierat die Wiedereröffnungsrevision durchgeführt hatte, war ein sechsstelliger Schaden entstanden. Deshalb ist für Jeinsen entscheidend, dass Apotheker in der Schadensituation entlastet werden, damit sie den Betrieb wenn irgend möglich am Laufen halten können.
Für größere Schadenslagen haben Jeinsen und seine Kollegen im Rahmen des Heilwesennetzwerks die Interessenvereinigung Apotheken- und Praxisschutz (IAP) gegründet, deren Mitglieder bundesweit Apotheken im Schadenfall betreuen. Sie sollen Ansprechpartner vor Ort koordinieren, von der Versicherung über Glaser oder Schlosser bis zum IT’ler oder Spezialanwälten. Muss sich der Apotheker um alles selbst kümmern, würden häufig Maßnahmen oder Fristen versäumt, so Jeinsen.
Beim beauftragten Reinigungsdienst sollten Apotheken einige Dinge berücksichtigen: „Ganz wichtig ist, dass der gerufene Notdienst Qualitätskriterien gemäß der DIN EN ISO 9001 erfüllt und über TÜV-zertifizierte Fachkräfte verfügt“, erläutert Andreas Winter von SchadenDienst24. Damit sei sichergestellt, dass bei der Schadensbeseitigung alle Qualitätsvorgaben erfüllt werden – von der Ursachenermittlung über eine fachgerechte Instandsetzung bis hin zur Einhaltung des Hygiene-Leitfadens bei Schimmelbefall und Austritt von Schmutzwasser.
Im Fall von Apotheken seien besondere Sicherheitsvorkehrungen zu beachten, erklärt Winter. Denn die rechtlichen Rahmenbedingungen wiesen eine Reihe von Besonderheiten im Umgang mit derartigen Schadensfällen auf. Dazu zählen die eingeschränkte Zugänglichkeit zum Objekt sowie hygienische Auflagen.
Im Krankenhaus- und Pflegebereich, bei Apotheken und in der Gastronomie seien zusätzliche Vorgaben der Gesundheitsbehörden zu erfüllen. „Obendrein gelten bei Schäden in Apotheken Sicherheitsauflagen zum Betäubungsmittelgesetz und im Rahmen der Apothekenbetriebsordnung“, betont Winter. Das gehe bis zur Dokumentation der ordnungsgemäßen Entsorgung verdorbener und der sicheren Zwischenlagerung unbeschädigter Medikamente.
Gerade für Apotheken sind Überschwemmungen eine naheliegende Gefahr – ihre Geschäftsräume liegen immer ebenerdig, nicht selten sogar im Souterrain. Die Phönix-Apotheke von Ulrike von Wilmowski im sächsischen Delitzsch hat ein besonderes Problem: Der Apothekeneingang liegt etwas unterhalb des Parkplatzes; das Wasser floss unter der Schiebetür hindurch in die Offizin.
Zweimal stand das Wasser in den vergangenen Jahren deshalb schon in der Phönix-Apotheke: „2013 musste danach sogar der Boden ausgetauscht und unser Kommissionierer repariert werden“, berichtet eine Apothekerin. Doch auch während der Handwerkerarbeiten konnte die Apotheke ihre Kunden bedienen. Die Kosten wurden vollständig von der Versicherung getragen.
Nachdem 2014 die Apotheke nochmals unter Wasser stand, wurden Maßnahmen ergriffen: Die Hausverwaltung baute Zisternen ein, in denen sich Regenwasser sammeln kann. Außerdem kann die Tür der Apotheke mit sogenannten Shots gesichert werden. Die etwa einen Meter hohen Abdichtungen werden vor stärkeren Unwettern vom Hausmeister vor der Tür aufgestellt. Seitdem ist die Apotheke trocken geblieben.
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