Seit Burda mit My Life ein eigenes Magazin in den Apotheken hat, haben sich die Vorzeichen im Markt geändert. Zwar ist der Wort & Bild Verlag mit seiner Apotheken Umschau noch immer unangefochtener Platzhirsch, hat aber erstmals seit Jahren einen ernstzunehmenden Konkurrenten. Der Ton zwischen den Verlagshäusern wird rauer.
Anne-Bärbel Köhle hat einen Essay für die Reihe „Werteorientierte Digitalisierung“ geschrieben. Unter dem Titel „Wahnsinn, wie die Sitten in unserer Branche verrohen” hält sie ein „Plädoyer für Anständigkeit in Zeiten der Disruption“. Das klingt sehr groß, hat aber zumindest teilweise einen etwas profanen Hintergrund.
Denn Köhle ist nicht nur Dozentin an der Deutschen Journalistenschule, der Akademie der Bayerischen Presse und am Institut für Deutsche Sprache in Bozen, sondern auch Chefredakteurin des Diabetes Ratgebers vom Wort & Bild Verlag. Und der hat bekanntermaßen seit Kurzem einen Nebenbuhler namens „Gut leben mit Diabetes“. Das Spezialmagazin aus der My Life-Reihe. Burda hat zusammen mit dem Großhändler Noweda im Zukunftspakt Apotheke mit My Life nämlich nicht nur der Apotheken Umschau Konkurrenz gemacht, sondern das gesamte Konzept adaptiert. Neben dem Diabetesheft gibt es das Kindermagazin „Platsch“ statt „Medizini“ und ab Januar das „Senioren Magazin“ statt dem „Senioren Ratgeber“.
Und in dieser Gemengelage ist wohl klar, wer gemeint ist, wenn Köhle in ihrem Anstandsplädoyer als Beispiel für die Verrohung der Sitten schreibt: „Ein großer, international agierender Verlag kopiert derzeit das Geschäftsmodell eines anderen Medienhauses, macht jede einzelne von dessen Zeitschriftentiteln in Konzept und Aufmachung nach, so dass es Zeitschriften nun quasi doppelt auf dem Markt gibt. Zeitgleich liefert der Nachmacher an seine möglichen Neu-Kunden gleich ein Abbestell-Fax für die Hefte des Traditionsunternehmens mit. Solche Kopier- und Plattmacher-Methoden kannte ich bislang eigentlich nur von auf Messen herumspionierenden chinesischen Technologiekonzernen.“ Hätten sich ihre Kinder auf dem Schulhof so verhalten, es hätte ein ernstes Einzelgespräch gegeben: „Dein Verhalten schadet nicht nur einem anderen, sondern auch Dir selbst, Deiner Familie, Deinen Schulkameraden, der ganzen Schule. Das. Geht. Gar. Nicht.“, schreibt Köhle.
Der Essay wurde unter anderem auf der Plattform Meedia veröffentlicht. Dort ist er aber zwischenzeitlich wieder entfernt worden, mutmaßlich weil sich Burda über die verbale Ohrfeige beschwert hat. Denn in der Medienbranche wusste natürlich jeder, wer hier gemeint ist.
Mit der Löschung ist es für Burda aber offensichtlich nicht getan. Im Flaggschiff des Medienkonzerns, dem Nachrichtenmagazin Focus, wird heute eine „schmutzige Kampagne“ beklagt. Burda würden von Köhle „verunglimpfend unlautere Geschäftspraktiken“ bei der My Life-Einführung vorgeworfen – ein „untauglicher Versuch, in einem freien Markt den Wettbewerb zu verhindern“.
Köhles Arbeitgeber sei aber der Wort & Bild-Verlag, erinnert der Focus. Und der behindere mit allen Mitteln dem Markteintritt von Burda. Und abschließend heißt es im Beitrag: „Meedia-Verleger Timo Busch hat sich für den Text entschuldigt: Es habe keine „journalistische Beobachterin“ geschrieben, sondern „eine Betroffene über die Konkurrenz“.
Ganz sauber ist der Focus in seinem Aufschrei über die Schmutzkampagne allerdings selbst nicht: Anders als der Beitrag suggeriert, hatte Köhle in ihrem Essay Burda und My Life gerade nicht namentlich angegriffen.
Inhaltlich haben beide Parteien ihren Punkt: Selbstverständlich ärgert man sich in Baierbrunn, dass das eigene Erfolgskonzept kopiert wird. Die My Life-Macher stehen auf dem Standpunkt, dass sie den Apothekern natürlich ein vergleichbares Portfolio bieten müssten, um diese zu einem Umstieg zu bewegen. Das sei kein „bewusstes Kopieren“, sondern bilde eben den Markt und den Wettbewerb ab.
Und es deutet nichts darauf hin, dass sich die Situation entspannt. My Life will die monatliche Auflage von derzeit 2,3 Millionen schon im ersten Quartal 2020 erhöhen. Sofern die Apotheken nicht beide Magazine abgeben, steht ein Verdrängungswettbewerb an. Dabei hat der Wort & Bild Verlag mit einer Auflage von 8,9 Millionen Exemplaren zwar noch klar die Nase vorn, aber so ungemütlich war es für den Platzhirschen lange nicht mehr.
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