Viele Apotheker:innen beteiligen sich aktuell an Arzneimittelspenden für die Ukraine. Organisationen wie Apotheker ohne Grenzen oder Action Medeor bringen die benötigten Mittel in die Ukraine. Dabei denkt man wohl zuerst an Analgetika, Verbandstoffe und Desinfektionsmittel. Dabei werden auch alltägliche Medikamente von Chronikern benötigt. Auf Insulin können viele Diabetiker:innen nicht verzichten – es ist lebensnotwendig.
Das Insulin in der Ukraine wird knapp – knapper, als es sowieso schon war. Denn das Peptidhormon war bereits vor der Krise in einigen Regionen Mangelware. Nun fehlt es im ganzen Land. Viele Ukrainer:innen sind auf den Stoff angewiesen. Insbesondere Typ-I-Diabetiker:innen können ohne Insulin nicht überleben.
Der Bundestag teilte gestern mit, dass es wohl zur Zerstörung des größten Insulin-Lagers in der Ukraine gekommen sei. Ein Großteil der Vorräte sei unbrauchbar. Da Insulin gekühlt werden muss, kann der Stoff jedoch auch nicht ohne weiteres gespendet werden. Auch hier empfiehlt es sich, Kontakt mit Organisationen aufzunehmen.
Die Hilfsorganisation „Insulin zum Leben“ setzt sich seit Jahren mit dem Thema Insulin-Not auseinander. Aufgrund der aktuellen Situation wird jetzt für die Ukraine gesammelt. „Dabei stehen wir vor neuen Herausforderungen. Es scheint, als würden in der Urkaine fast ausschließlich Normalinsuline verordnet werden“, berichtet Heidrun Schmidt-Schmiedebach, Leiterin des Hilfsprojektes seit über 20 Jahren. Normalinsuline sind schnell wirksam. Der Wirkeintritt erfolgt ungefähr 30 bis 60 Minuten nach subkutaner Gabe. Die Wirkdauer liegt bei rund fünf bis acht Stunden. In Deutschland kommen bei der Insulintherapie verschiedene Insulinarten oder Kombinationen zum Einsatz. Die ersten Rückmeldungen an Schmidt-Schmiedebach lassen ein abweichendes Therapieschema in der Urkaine vermuten.
Die Organisation fokussiert sich auf Insulin. das nicht mehr benötigt wird. „Es gibt genügend Insulin, was im Umlauf ist, aber nicht mehr verspritzt wird – beispielsweise, weil der Patient die Therapie wechselt. Genau diese Insuline sammeln wir, lagern sie in einem begehbaren Kühlraum zwischen und verschicken sie.“ Auch Hilfsmittel wie Pennadeln und Lanzetten können an „Insulin für Leben“ gespendet werden. „Die Insuline können gekühlt verschickt werden. Wer aber so zur Post geht, dass das Paket am nächsten Tag bei uns ankommt, der kann auf Kühlakkus verzichten. Es liegen erstaunliche Daten dazu vor, wie robust Insulin ist.“ Ein Tag ohne Kühlung stelle dabei kein Problem dar. So konnte die Organisation Ärzte ohne Grenzen beispielsweise in einer Studie mit der Universität Genf nachweisen, dass einige Insuline bis zu vier Wochen bei Temperaturen zwischen 25 und 37 Grad Celsius gelagert werden können, ohne dass es zu einem signifikanten Wirkverlust kommt.
Schmidt-Schmiedebacher ist dankbar für jeden Hinweis, der ihr mehr Einblick in die Leitlinien der Insulintherapie in der Ukraine gibt. Eine erste Lieferung Insulin konnte sie gemeinsam mit ihrem Team bereits losschicken. Weitere Lieferungen sollen folgen. Auch Apotheken könnten Patient:innen, die korrekt gelagertes Insulin zurückgeben wollen (aus welchen Gründen auch immer) darauf hinweisen, dass es die Initiative „Insulin für Leben“ gibt. Gleichzeitig will Schmidt-Schmiedebacher Apotheker:innen und Ärzt:innen auf den Insulinmangel in der Ukraine aufmerksam machen.
In einer Bewertung der WHO über den Zugang zu unentbehrlichen ambulanten Arzneimitteln aus dem vergangenen Jahr wird deutlich, dass die generelle Versorgung mit Insulin in der Ukraine eingeschränkt ist. So berichtet die WHO davon, dass Insuline nur in der Hälfte aller Einrichtungen verfügbar waren. Auf der Liste der nationalen unentbehrlichen Arzneimittel findet sich Normalinsulin.
Darüber hinaus würden bei Insulin große Preisdifferenzen zwischen den einzelnen Herstellern existieren. Insulin 100 IE/ml verzeichnete dabei im Vergleich zu anderen Arzneimitteln die breiteste Preisspanne. Normalinsuline sind weitaus günstiger als langwirksame Vertreter wie Insulin Glargin. In einigen Regionen sind die langwirksamen Vertreter zehnmal teurer als die schnell und kurzwirksamen Insuline. So lag der mittlere Preis pro Einheit Insulin glargin laut WHO-Bericht bei 91,87 Hrywnja, umgerechnet 2,77 Euro.
Das 2017 eingeführte ukrainische Programm für bezahlbare Medikamente verbessert nachweislich den Zugang zu Arzneimitteln. Seit 2020 verfügt die Ukraine über zusätzliche Fördermittel zur Erstattung der Insulinkosten für Diabetiker:innen.
Die Situation in der Ukraine ist dramatisch. Um den Menschen zu helfen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine Liste mit Organisationen und Spendenkonten finden Sie hier.
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