ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick

Überleben in der Apotheke: Neues Fach im Pharmaziestudium

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Berlin -

Zu theoretisch, zu wenig alltagsorientiert: Kritik am Pharmaziestudium gibt es seit Jahren. Insbesondere auf die Arbeit in der Apotheke werde man an der Uni viel zu schlecht vorbereitet. Mit einem neuen Pflichtfach soll nun gegengesteuert werden: Vermittelt werden Tricks und Methoden, wie man in der Offizin die gute Laune behält.

Vom nasschemischen Trennungsgang bis hin zur pyknometrischen Dichtebestimmung lernt man im Pharmaziestudium alle möglichen Fertigkeiten, die man im Apothekenalltag nicht braucht. Seit Jahren schon wird daher über die Frage diskutiert, ob man wirklich seine Patientinnen und Patienten besser versorgen kann, weil man Praktika in – nach menschlichem Ermessen eigentlich nicht zu erfassenden – Fächern wie physikalische Chemie überlebt hat oder Spaltöffnungen unter dem Mikroskop ausfindig machen kann. Oder anders gefragt: Wann sind Sie das letzte Mal schweißgebadet aufgewacht, weil sie im Traum vor einer Prüfung standen, die Sie im echten Leben irgendwann einmal wie durch ein Wunder bestanden haben?

Andere Dinge wie Marketing/Kommunikation, BWL/Controlling oder die hohe Kunst der Abgaberangfolge kommen bei so viel zu absorbierenden Spezialfachwissen naturgemäß zu kurz oder werden vor dem 3. Staatsexamen im Schnelldurchgang gestreift. Jetzt kommt heraus: Viele Professorinnen und Professoren sowie Assistentinnen und Assistenten machen in Andeutungen und Einflüsterungen die Arbeit in der Apotheke bei den Studierenden auch noch schlecht. Wie soll in einer solchen Gemengelage noch genügend Nachwuchs in der Offizin ankommen, wo er am dringendsten benötigt wird?

Daher wird jetzt gegengesteuert. Neu in die Anlage 1 der Approbationsordnung (AAppO) aufgenommen wird ein Wahlpflichtfach, in dem es um das Überleben in der Apotheke geht. Vermittelt werden hier nicht nur Fähigkeiten, wie man selbst im sinnlosesten Kundengespräch die Nerven und bei unbegründeten Retaxationen die gute Laune behält, sondern auch Methoden, um Selbstzweifel in den Griff zu bekommen und permanente Erniedrigungen akzeptieren zu können.

Inspirierende Einblicke

Da es also viel um Selbstbeherrschung und Karma geht, folgen die Seminare einem strengen Ritual. Nach der Begrüßung übernimmt eine Yogalehrerin, zum Auftakt gibt es Meditieren und dann den Sonnengruß. Anschließend geben ausgewählte Referenten einen inspirierenden Blick über den Tellerrand:

  • Ein Stand-up-Comedian erklärt, wie man schlechte Witze so verpackt, dass am Ende doch noch jemand lacht.
  • Ein Löwenbändiger aus dem Zirkus gibt Tipps für den Umgang mit aufgebrachten Kunden.
  • Ein Investmentbanker erklärt, wie man schlechte Geschäftszahlen als Wachstumsperspektive verkauft.
  • Ein Ernährungsberater verrät, welche ungesunden Snacks in ausweglosen Situationen ein wenig glücklich machen.
  • Eine Archivarin aus der Zentralbibliothek hat Ratschläge, warum man für Dokumenationspflichten eine Leidenschaft entwickeln statt sie hinterfragen sollte.
  • Ein Schauspieler vermittelt Techniken, wie man stundenlang ohne innere Motivation lächeln kann, ohne die Gesichtsmuskulatur zu strapazieren.
  • Ein Exkurs über Schattentheater bereitet auf Notdienste vor, in denen es nachts um 3 Uhr langweilig wird.

Geteiltes Leid ist halbes Leid

Manchmal hilft es auch, frustrierende Momente zu überstehen, indem man das Leid mit Anderen teilt. Hier also ein paar Highlights aus der vergangenen Woche:

Ein Vertretungsapotheker erlebte beim Stecken der Gesundheitskarte einer Patientin eine große Überraschung: Statt der erwarteten einen Verordnung tauchten plötzlich 14 auf – und zwar von mindestens drei verschiedenen Patienten. „Der heißgeliebte Datenschutz ist somit dahin.“

Dr. Jozef Dobija bekam 23 Euro retaxiert, weil bei einer Grippeimpfung in seiner Paul Gerhardt Apotheke in Berlin bei der Abrechnung der Vorname des Impfenden fehlte. Kein Einzelfall: Auch der Brunnen-Apotheke in Karlsbad-Ittersbach wurden 130 Euro abgezogen, weil bei Impfungen der vollständige Name des impfenden Apothekers fehlte.

Mit einer Lastschriftgebühr hatte der Großhändler AEP versucht, den Apotheken nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Rx-Skonto einen zusätzlichen Konditionenbaustein anzubieten. Doch die Wettbewerbszentrale ist schon dagegen vorgegangen und hat beim Landgericht Aschaffenburg (LG) eine einstweilige Verfügung erwirkt.

In der Platanen-Apotheke in Gera gehören pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) zu den wöchentlichen Aufgaben. Neulich kam jedoch ein Patient mit einem Medikationsplan, der 28 Arzneimittel umfasste. Für die Analyse, die mehrere Stunden in Anspruch nahm und 72 Wechselwirkungen zu Tage brachte, bekommt sie lediglich 90 Euro. „Ein guter Stundenlohn ist das nicht.“

In Hessen sollte ein Jugendlicher mit transplantierter Herzklappe aus dem Krankenhaus entlassen werden; für das Gerinnungsselbstmanagement benötigte er ein Coagucheck-Gerät. Die Kasse wollte der Apotheke weniger als den Einkaufspreis zahlen, weil sie lieber einen Versender beauftragen wollte. Am Ende teilten sich Eltern und Inhaberin die Mehrkosten.

Obwohl PTA mit der Apothekenreform wichtiger werden sollen als je zuvor, stecken auch die Berufsschulen in der Krise: Für die insolvente Naturwissenschaftlich-Technische Akademie Prof. Dr. Grübler in Isny wurde weder ein neuer Käufer noch ein anderes Sanierungsmodell gefunden. Und in Plauen haben sich am König-Albert-Stift/IWB nicht genügend Interessentinnen und Interessenten gefunden. Im neuen Schuljahr wird daher an beiden Standorten kein PTA-Jahrgang mehr angeboten.

Ein Lichtblick

Ganz wichtig, das weiß jeder Mental Coach: Immer mit einem positiven Thema abschließen. Bitteschön:

Der 21-jährige Pharmaziestudent Jonah Sauter hat sich bereits jetzt für die Arbeit in der Apotheke entschieden. „Der Sinn der Notwendigkeit einer öffentlichen Apotheke liegt klar auf der Hand.“ Es herrsche unter den Studenten zwar großer Unmut im Hinblick auf die Apotheke vor Ort. Wenn er in drei Jahren mit dem Studium fertig ist, gibt es für ihn aber nur eine logische Konsequenz: „Ich werde in der Apotheke meiner Eltern arbeiten.“

Das tat gut. Schönes Wochenende!

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