ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick

Über-Übergangslösung: Apotheken müssen Engpass-Tagebuch führen

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Berlin -

Gibt es jetzt die Engpass-Prämie? Oder nicht? Diese Frage lässt sich am Wochenende nicht mit einhundertprozentiger Sicherheit beantworten. Als die Abda die gute Nachricht am Freitag verkündete, wurde über die berühmten Teufelchen in den Details nämlich noch verhandelt. Bis zur Übergangslösung gibt es daher jetzt eine Übergangslösung.

Da muss dieses ALBVVG aber auch ausgerechnet ab 27. Juli in Kraft treten! Mitten in der Sommerpause, wenn die Verantwortlichen bei DAV und Abda im Sommerurlaub sind. Zugegeben, für die Austauschregeln war es schon irgendwie wichtig, dass der Termin gehalten wird. Ansonsten hätten die Apotheken ab 1. August wieder im luftleeren Raum agieren müssen. Aber hatte man dem BMG denn nicht den Ernst der Lage klar gemacht? Dass man in den vergangenen Wochen und Monaten viel zu sehr mit dem eigenen Haushalt und anderen internen Themen beschäftigt war, um sich auch noch rechtzeitig mit der Engpass-Prämie zu beschäftigen. Sind doch ohnehin nur 50 Cent geworden, da würde es doch auf den einen oder anderen Monat nicht ankommen. Der Großhandel bekommt doch auch erst ab September sein höheres Fixum...

Wie dem auch sei, eine Lösung musste her, und zwar schnell. Denn die Abda-Pressestelle hatte freudig schon eine Übergangslösung verkündet, als DAV-Vize Anke Rüdinger in Wirklichkeit noch mit den Softwarehäusern über die Stolperstellen grübelte. Eine Woche vorher war es im Übereifer schon einmal zu einem ähnlichen Vorfall gekommen. Man musste also jetzt endlich etwas liefern.

Tagebücher für den NNF

Die Über-Übergangslösung sieht wie folgt aus: Bis auf Weiteres müssen alle Apotheken ein händisches Engpass-Tagebuch führen, das jeweils zwischen dem dritten und dem fünften Werktag des Folgemonats persönlich beim Nacht- und Notdienstfonds (NNF) abgegeben werden muss. Aus Gründen der Vergleichbarkeit sind ausschließlich A5-Hefte möglich, Lineatur f ist vorgeschrieben, Umschlagfarbe blau. Einzutragen sind auf den linken Seiten alle Lieferengpässe, für die sofort ein Austauschpräparat gefunden werden konnte. Die rechten Seiten sind Abholern und Fällen mit Arztrücksprache vorbehalten. Eintragungen sind nur mit blauem Füllfederhalter zulässig, bei Abweichungen von den formalen Vorgaben wird der mögliche Auszahlungsbetrag um die Hälfte gekürzt.

Was an dieser Stelle vielleicht absurd klingt, hat natürlich wie immer einen wahren Kern. Die Übergangslösung für die Engpass-Prämie wurde tatsächlich verkündet, bevor sie ganz zu Ende konzipiert war. Zum Einsatz kommt die bekannte Sonder-PZN 02567024 mit dem entsprechenden Faktor. Und weil das Verfahren mit sozusagen glühender Nadel gestrickt wurde, gibt es für BtM- und T-Rezepte noch keine Lösung. Und auch bei E-Rezepten sehen – anders als der DAV – zumindest die Rechenzentren noch Probleme.

Neue Regeln, neue Fallen

Aber auch insgesamt entzaubert sich das ALBVVG gerade als eben nicht das große Versorgungsvereinfachungsgesetz, als das es einmal gestartet war. Bei den Abgabeerleichterungen ist die Sache so, dass die Apotheken sich keineswegs nur auf die Versorgung konzentrieren dürfen. Sie müssen einfach an anderen Stellen aufmerksam sein als bislang. Die Akutversorgug ist nur für Akutfälle, die Abgabe von Teilmengen ist zwar erlaubt, aber die Abrechnung noch offen. Und während den Kassen in Sachen Retaxationen ein ganzer Strauß an Möglichkeiten bleibt, lässt etwa die Streichung der Präqualifizierung auf sich warten. Ach ja, die 50 Cent gelten übrigens pro Arzneimittel – und nicht pro Packung.

Und wie aus dem noch zu schreibenden Lehrbuch „UAW in der Gesundheitspolitik“ kam eine Konditionenanpassung von Gehe/AHD daher: Weil es durch das ALBVVG künftig 3 Cent mehr als Fixum gibt, passt der Großhändler seine Bestellstrukturspanne um 0,14 Prozentpunkte an. Ob das Ganze für die Kunden neutral bleibt, wird sich zeigen. Die Anpassungen gelten laut Schreiben ab dem 1. September und für alle Lieferungen ab diesem Zeitpunkt.

AOK retaxiert Mehrkosten

Nicht nur die Präqualifizierungsstellen – allen voran die Abda-eigene AfP – geben in Erwartung der drohenden Einschränkungen noch einmal alles, sondern auch die Retaxabteilungen der Kassen. Neuester Clou ist die Streichung von abgerechneten Mehrkosten. Hier hatten die Kassen zwar im Herbst noch großspurig versichert, dass den Versicherten wegen der Engpässe keine Aufzahlungen entstehen sollten. Gemeint war aber offenbar, dass nicht sie selbst, sondern die Apotheken den Differenzbetrag übernehmen sollen. Mindestens zwei AOKen retaxieren jedenfalls in großem Stil: „Mehrkosten zu Lasten der GKV nur bei Nichtverfügbarkeit eines Rabattpartners und keine Alternative unterhalb des Festbetrages abrechnungsfähig. […] ggf. Nichtverfügbarkeitsnachweise nachreichen.“ Dufte Typen, mit einem ganz eigenen Verständnis von der Verpflichtung ihren Versicherten gegenüber.

Schlappe für Plattformen

Überraschende Töne kamen aus Luxemburg: Generalanwalt Maciej Szpunar findet zwar, dass Apothekenplattformen wie die von DocMorris in Frankreich nur verboten werden können, wenn sie tatsächlich Gesundheitsrisiken bergen. Doch er sieht mehrere Ansatzpunkte, etwa die Zuverlässigkeit und Qualität der Arzneimittelversorgung und die Unabhängigkeit von Apothekerinnen und Apothekern. Keinesfalls müssten die Mitgliedstaaten „abwarten, bis die Realität dieser Risiken vollständig klar wird“. Es ist derselbe Anwalt, der 2016 die Rx-Preisbindung mit zu Fall gebracht hatte. Bemerkenswerte Lernkurve. Schönes Wochenende.

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