Preismanipulation über zwei Jahre

Trotz Mitarbeiterrabatt: Approbierte bestiehlt Inhaberin Katharina Brand, 15.11.2024 10:54 Uhr

Trotz Mitarbeiterrabatte und übertariflicher Bezahlung senkte die Ex-Angestellte eigenmächtig Produktpreise. Jetzt fordert sie zudem eine Lohnnachzahlung. Foto: Andrey Popov/stock.adobe.com
Berlin - 

OTC, Medizinprodukte, Rx: Eine Apothekeninhaberin aus Bremen wurde über einen Zeitraum von zwei Jahren von ihrer Approbierten bestohlen. Die Angestellte hatte im System manuell die Preise zu ihren Gunsten nach unten korrigiert. Nach einer fristlosen Kündigung bat die ehemalige Mitarbeiterin um eine Aufhebungsvereinbarung, was die Inhaberin jedoch ablehnte. Nun folgte ein anwaltliches Schreiben: Der Ex-Angestellten sei nicht ausreichend Lohn gezahlt worden. Aktuell befindet sich die ehemalige Mitarbeiterin wieder in einem Angestelltenverhältnis.

Aufgeflogen ist die Approbierte, nachdem erst der Inhaberin und schließlich auch Angestellten bei Einkäufen, die über das Kundenkonto der Ex-Mitarbeitenden liefen, Ungereimtheiten auffielen. „Man schenkt seinen Angestellten Vertrauen, man glaubt bei Bestandsfehlern oder fehlerhaften Preisen nicht daran, dass einer der Mitarbeiter mutwillig vorgeht.“

So ging die Täterin vor

Die Approbierte korrigierte die Produktpreise für sich nach unten: „Wenn ein Produkt mit 15 Euro im System gelistet ist und eine Person diesen manuell auf 6 Euro abändert, wird das farblich in unserem System hervorgehoben“, erklärt die Inhaberin. „So ist uns schließlich aufgefallen, dass gerade diese Person in der Vergangenheit viele Produktpreise nach unten angepasst hat.“

Die Preisdifferenzen variierten hier stark – zudem erhielt die Ex-Angestellte nicht nur einen Mitarbeiterrabatt: Einkaufspreis zuzüglich Mehrwertsteuer. Obendrein wurde sie laut Inhaberin deutlich übertariflich bezahlt. „Ich mache durch die Verkäufe an meine Mitarbeitenden keinen Gewinn; sie hatte einen deutlichen Preisvorteil. Aber das hat ihr einfach nicht gereicht.“

Als die Chefin die ersten Hinweise und Anzeichen entdeckte, wollte sie gar nicht glauben, dass jemand aus ihrem Team für die Fehlbeträge verantwortlich sein soll. Durch Corona, Lieferengpässe und das E-Rezept habe sie als Apothekenleiterin viel um die Ohren: „Und außerdem: Ich kontrolliere meine Mitarbeitenden nicht. Ich habe ihnen Freiheiten eingeräumt, weil ich Vertrauen habe.“

Gerade deshalb übernahm die angestellte Apothekerin auch Nacht- und Notdienste, wenn die Inhaberin selbst verhindert war. „Rückblickend betrachtet hatte sie da natürlich freie Hand und konnte sich bedienen.“ Zum Ende des Angestelltenverhältnisses hin nahmen die Diebstähle nicht nur zu; rund drei Monate, bevor sie aufflog, stahl die Approbierte auch Rx-Präparate, maßgeblich Schmerzmittel: „Sie muss sich sicher gefühlt haben“, schätzt die Apothekerin.

Nachdem andere Angestellte ihre Chefin auf die Diebstähle ansprachen, begann die mit ihrer Recherche. Genau mit Ende der Probezeit der Approbierten – über einen Zeitraum von insgesamt zwei Jahren – begannen die diebischen Machenschaften. Und das waren laut Inhaberin einige: „Ich bin mit der vollständigen Auswertung noch nicht fertig, und trotzdem sind es schon drei volle DIN-A4-Seiten.“ Die weitere Auflistung wird die Anwältin der Apothekenleiterin übernehmen. „Ich habe bereits so viel Zeit für diese Person geopfert.“

Erst Tränen, dann Forderungen

Die Täterin flog kurz vor dem Urlaub der Inhaberin auf. „Natürlich kann ich mit dieser Person nicht weiterarbeiten und habe ihr fristlos gekündigt.“ Einer direkten Konfrontation entzog sich die Ex-Angestellte zunächst durch eine Krankschreibung, weshalb sie ihre Kündigung per Einschreiben erhielt. Plötzlich stand sie dann laut Inhaberin weinend in der Apotheke. „Ich habe sie direkt gefragt, warum sie mich bestohlen hat. Ihre Antwort war: ‚Weil ich bescheuert bin.‘“

Diese Situation erweckte für die Chefin den Eindruck, dass ihre ehemalige Approbierte die zahlreichen Taten bereut. „Ich habe sie nicht angezeigt, ihr aber deutlich gemacht, dass ich ihr nicht mehr vertrauen kann und wir uns deshalb trennen müssen.“ Dennoch bat die Ex-Angestellte darum, ihre außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung umzuwandeln. „Darauf habe ich mich nicht eingelassen“, betont die Apothekenleiterin.

Für ein paar Wochen kehre Ruhe ein – bis zum Paukenschlag: „Ich habe ihr im August gekündigt. In den Herbstferien – das weiß die Person auch – bin ich immer im Urlaub. In genau dieser Zeit kam per Mail ein Schreiben vom Anwalt.“ Hierin fordert die Ex-Angestellte eine vollständige Lohnauszahlung für August – dem sei sie nicht nachgekommen: „Weder die Arbeitsstunden noch die Urlaubstage hat sie korrekt angegeben. Auch das hat sie manipuliert“, beklagt die Inhaberin. „Nach allem, was passiert ist, versucht sie jetzt auch noch, auf diese Weise Geld von mir zu bekommen.“

Approbierte hat neue Stelle

Auf die Situation angesprochen habe die Kammer der Inhaberin mitgeteilt, dass sie ihr nicht helfen könne. Und auch von anderen Apothekenleiterinnen und -leitern sind der Chefin ähnliche Fälle bekannt: „Eine Inhaberin hat etwas Ähnliches erlebt; da wurden einfach Tilidin und Diazepam mitgenommen.“

Sie betont: „Wir fühlen uns als Inhaber vernachlässigt. Bei uns werden die Gesetze so streng genommen. Die Arbeitnehmenden bekommen immer, was sie möchten.“ Deshalb ist sich die Apothekenleiterin, was die Machenschaften ihrer Ex-Mitarbeiterin angeht, auch sicher: „Sie wird weitermachen. Sie hat mich über zwei Jahre erfolgreich bestohlen. Wenn sie diese Lohnklage bei mir auch noch durchbekommt, wird sie woanders genauso weitermachen.“

Die Apothekerin hat mittlerweile erfahren, dass ihre ehemalige Angestellte wieder einen neuen Arbeitsplatz in Bremen hat.