Ärger wegen Eingangstüren

Trotz Hausverbot: Apotheke muss Stalker bedienen

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Berlin -

In Oranienburg hat eine Apotheke Ärger mit einem Stalker: Weil die Türen nach innen und nicht nach außen öffnen, schickte ein Mann mehrere Faxe und drohte mit der Verteilung von Flyern an die Kundinnen und Kunden. Zwar konnte der Inhaber vor Gericht ein Hausverbot durchsetzen. Bedienen müsste das Team den Mann trotzdem.

Der Verkaufsraum der Diana-Apotheke im Fachmarktzentrum Oranienpark kann über drei verschiedene Türen betreten werden. Im Januar 2021 ging jedoch eine Bürgerbeschwerde beim brandenburgischen Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) ein, in der beanstandet wurde, dass die Notausgänge nicht in Fluchtrichtung, sondern nach innen aufschlügen.

Im Juli desselben Jahres inspizierte die Behörde die Sache vor Ort und kam zu dem Ergebnis, dass die baulichen Gegebenheiten eine Abweichung von § 3a Abs. 3 Arbeitsstättenverordnung zuließen. Inhaber Christian Buttenberg wurde empfohlen, zur rechtlichen Absicherung einen entsprechenden Ausnahmeantrag wegen unverhältnismäßiger Härte zu stellen.

Ein dafür vom Apotheker hinzugezogener Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, dass wegen des Vorhandenseins von drei Ausgängen im Verkaufsraum sowie eines weiteren Fluchtwegs im Personalbereich, der ebenerdigen Nutzung und organisatorischer Maßnahmen keine Bedenken bestünden. Im Februar 2022 erlaubte schließlich das LAVG den Betrieb der Apotheke mit Notausgangstüren, die entgegen der Fluchtrichtung aufschlagen.

Doch zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Sache schon verselbstständigt: Nur drei Wochen vor dem Bescheid der Behörde schickte der Beschwerdeführer – Inhaber einer Autowerkstatt in Oranienburg – zwei Faxe an die Apotheke, in dem er eine „Lebensgefahr im Kundenbereich“ geltend machte und unter anderem die Frage aufwarf: „Ob und wenn ja wer nimmt da gegebenenfalls den Tod von Menschen billigend in Kauf. Ggf. sogar Ihren eigenen Tod?“ Weiter drohte er an, „wenn es meine Zeit erlaubt, könnte ich auch vor der Apotheke auf öffentlichem Straßenland Infoblätter verteilen“. Eine Genehmigung durch die Stadt liege dafür jedenfalls vor.

Auf das zweite Fax des Mannes ließ Buttenberg seinen Anwalt antworten. Der verwies auf die Genehmigung der Verkaufsfläche durch die zuständige Behörde und erteilte Hausverbot wegen der „Faxüberflutung“ und der Drohung mit geschäftsschädigenden Verhaltensweisen. Jegliche Kontaktaufnahme, insbesondere über das Faxgerät, sei fortan zu unterlassen.

Weil der Mann aber nicht nur das Hausverbot zurückwies, sondern prompt erneut per Fax beziehungsweise E-Mail auf angebliche „Mängel“ in der Apotheke und hieraus resultierende Lebensgefahren für Menschen hinwies, zog der Apothekeninhaber vor Gericht: Der Mann habe sich nicht an das ausgesprochene Hausverbot gehalten, sondern sei nach eigenen Angaben in die Apotheke eingedrungen. Zudem habe er Gewalttaten angedroht, deren Begehung unmittelbar bevorstehe. Insgesamt zeige er ein klassisches Stalking-Verhalten, welches nicht selten in körperliche Gewalt münde. So habe er angekündigt, auch die Filialen in Berlin zu besuchen: „Na wenn ich Zeit habe, gehe ich gerne in die M.-straße und in die S.-str. um zu schauen was denn da ggf. so nicht io ist!"

Die Argumentation des KfZ-Manns, es handele sich um freie Meinungsäußerung und er habe in Summe gerade einmal 75 Seiten außerhalb der Geschäftszeiten geschickt und damit den Betrieb nicht beeinträchtigt, ließ das Landgericht Neuruppin (LG) nicht gelten: Per einstweiliger Verfügung wurde ihm untersagt, weitere Faxe oder E-Mails zu schicken, den Inhaber oder seine Mitarbeiter oder Kunden in Bezug auf vermeintliche Gefahren oder fehlenden Brandschutz auf irgendeine Weise zu kontaktieren, sie zu bedrohen, ihnen aufzulauern oder sonst eine räumliche Nähe zu suchen. Weder dürfe er bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Apotheke oder die Filialen betreten oder Dritten gegenüber behaupten, in der Apotheke würden die gesetzlichen Vorschriften über Fluchtmöglichkeiten nicht einhalten.

Mit seinen Nachrichten habe der Mann eine Grenze überschritten, da sie aufgrund ihrer Art und Häufigkeit geeignet seien, Unsicherheit und Unruhe in der Apotheke herbeizuführen, hieß es zur Begründung. Da er bislang nur geschrieben habe, sei nicht einzuschätzen, ob er seinen Worten Taten folgen lasse und damit von ihm eine reelle Gefahr für Leib und Leben der Mitarbeiter ausgehe.

Das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) bestätigte die Entscheidung im Grundsatz: Dem Apotheker stehe das Recht zu, im Zusammenhang mit dem Streit um den Brandschutz dem Mann die Kontaktaufnahme per Fax, Mail oder anderem Weg zu untersagen. Das bisherige Geschehen gehe nämlich über eine bloße Belästigung oder sozial übliche Behinderung hinaus. So habe er nicht nur seine Meinung geäußert, sondern mit negativen Konsequenzen gedroht:

„Wenn es meine Zeit erlaubt, könnte ich auch vor der Apotheke auf öffentlichem Straßenland Infoblätter verteilen… Dann wäre ja die Möglichkeit im Dialog mit der dann informierten Kundschaft die Sache zu erörtern“

„Und wie wird Ihre Kundschaft es auffassen, wenn Sie einen Kunden [,] der richtige Hinweise auf eine Lebensgefahr gibt, dann mit einem Hausverbot belegen?“

„Vergessen Sie nicht, wie die Belegschaft es sieht?“

„Mal die Frage, geht es jetzt Vernunft-richtig weiter oder? Oder soll ich etwas anschieben?“

„Wer nach einer vermeintlichen Ringelnatter tritt, wird ggf. doch arg erstaunt sein, wenn zu erkennen sein wird, dass es eine Cobra ist!“

Dem Apotheker sei es nicht zuzumuten, die Schreiben des Mannes „in besonnener Selbstbehauptung zu ignorieren“, so der OLG. Dies gelte nicht nur für Faxe und E-Mails, sondern auch für andere Formen der Kontaktaufnahme. Denn es sei „hochgradig wahrscheinlich“, dass er bei einem auf die bisherigen Medien beschränkten Verbot andere Kommunikationsmittel nutzen würde. In der mündlichen Verhandlung habe der Mann jedenfalls keinen Hehl daraus gemacht, dass er die Einschätzung des LAVG für falsch halte und sich unverändert für berufen halte, weiter auf eine Änderung hinzuwirken.

Allerdings ging das OLG nicht so weit, dem Mann abseits des Streits um die Eingangstüren jegliche Kontaktaufnahme zu unterlassen. „Zum einen ist nicht festzustellen, dass durch jede andere Nachricht des Verfügungsbeklagten an den Verfügungskläger rechtswidrig in dessen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen würde. Zum anderen fehlt es insofern an einer Wiederholungs- bzw. Erstbegehungsgefahr.“

Ähnlich sah es das OLG mit Blick auf das ausgesprochene Hausverbot. Dieses sei auch ohne anwaltliche Vollmacht wirksam ausgesprochen und durch dringende sachliche Gründe gerechtfertigt – nämlich das grundgesetzlich geschützte Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Aufgrund des Kontrahierungszwangs gilt laut Gericht allerdings die Einschränkung, dass das Hausverbot den Mann nicht vom Bezug von apothekenpflichtigen Arzneimitteln oder Medizinprodukten ausschließen darf.

Was die Behauptung gegenüber Dritten angeht, in der Apotheke gehe es brandschutztechnisch nicht mit rechten Dingen zu, kippte das OLG ebenfalls die Entscheidung der Vorinstanz: Einerseits fielen solche Aussagen dem Grunde nach in den Bereich der verfassungsrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit. Nur wenn diese darüber hinaus gingen, seien sie zu beanstanden. Da der Mann bislang keine Äußerungen öffentlich gemacht habe, gebe es dafür aber keine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr.

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