Die Apotheker sitzen zwischen den Stühlen: Reimporteur Orifarm hat mit der AOK Sachsen-Anhalt einen Rabattvertrag über Palexia (Tapentadol) abgeschlossen, konnte aber nicht jederzeit liefern. Wenn Apotheker das nicht in jedem Einzelfall belegen können, retaxiert die Kasse. Ein Betroffener fühlt sich vom Importeur im Stich gelassen.
Orifarm ist exklusiver Rabattpartner der AOK Sachsen-Anhalt für Palexia. Doch der Reimporteur hatte bei dem Tapentadol-haltigen Betäubungsmittel im Frühsommer des vergangenen Jahres einen Lieferengpass. In einer Apotheke wurde das jeweils dokumentiert – mit Ausnahme von vier Rezepten. Zu diesen Fällen hat der Inhaber keinen Defektbeleg und das hatte die üblichen Folgen: Die AOK retaxierte, obwohl sie von dem Ausfall ihres Rabattpartners wusste.
Der Apotheker versuchte anschließend, vom Reimporteur rückwirkend einen Beleg ausgestellt zu bekommen, erhielt aber eine Absage: „Wir bitten um Verständnis, dass wir Ihnen hinsichtlich der Lieferfähigkeit von Palexia Retard systembedingt im Nachhinein keine Bescheinigung über die Verfügbarkeit beziehungsweise Nichtverfügbarkeit ausstellen können.“
Immerhin bestätigte der Reimporteur dem Apotheker allgemein, dass es zur fraglichen Zeit einen Engpass gab: „Wir können allerdings mitteilen, dass die Nachfrage für Palexia Retard im Mai sehr stark zugenommen hat, so dass es hier bereits zu Engpässen gekommen ist. Eine noch stärkere Beschränkung der Lieferfähigkeit trat bei uns dann im Juni und Juli auf. Hierüber wurde unsere Rabattvertragspartnerin, die AOK Sachsen-Anhalt entsprechend informiert.“
Der Apotheker hat für das Vorgehen der Kasse kein Verständnis – selbst wenn sie formal im Recht sein möge: Warum retaxiert die AOK, wenn sie vom Rabattpartner bilateral über den Engpass informiert wurde? Die Kasse konnte damit rechnen, dass die Apotheker die Verträge nicht umsetzen können und auf Alternativpräparate umstellen müssen. Dass dann trotzdem in jedem Einzelfall auf den Beleg bestanden wird, findet der Apotheker bürokratischen Unfug.
Eine Sprecherin der Kasse erklärte auf Nachfrage: „Die AOK Sachsen-Anhalt geht von einem generellen Lieferdefekt aus, wenn wir entsprechend vom Vertragspartner informiert wurden. Diese Zeiten haben wir nicht retaxiert.“ Wenn etwa eine Rabattpartner beispielsweise mitteilt, dass er mehrere Monate nicht liefern kann, müssen die Apotheken nicht jeden Einzelfall nachweisen. „Das ist nicht notwendig, da wir nicht retaxieren. In dem hier fraglichen Fall war der Vertragspartner aber generell lieferfähig“, so die AOK-Sprecherin.
Der Apotheker ärgert sich aber auch über die Absage von Orifarm. Aus seiner Sicht müsste es technisch ohne Weiteres möglich sein, einen Lieferengpass auch nachträglich im System nachvollziehen zu können. Deshalb hat er sich erneut an den Reimporteur gewendet. Die Antwort empfinde er als Kunde und Geschäftspartner als sehr unbefriedigend. „Aus diesem Grund bitten wir Sie nochmals um Unterstützung, das heißt die Ausstellung der von uns angeforderten Defektbelege. Sicherlich werden Sie eine Möglichkeit dafür finden.“ Der Apothekenberater aus dem Innendienst entschuldigte sich erneut – man könne leider keine andere Auskunft geben.
Eine Orifarm-Sprecherin erklärte, dass man eine „Nichtverfügbarkeitsbescheinigung“ nachträglich nur ausstellen könne, wenn die Apotheke direkt bestellt habe, also entweder telefonisch, per Fax oder MSV3. Die von den Retaxationen der AOK betroffenen Apotheken seien allerdings keine Direktkunden, sondern hätten über den Großhandel bestellt. „Seitens dieser Apotheken wurde uns gegenüber keine Anfrage gestellt“, so die Sprecherin. „Für den Defektenbeleg wird allerdings der Zeitstempel der Anfrage mit Uhrzeit und Datum benötigt, da wir Auskunft darüber geben müssen, ob zu einem konkreten Zeitpunkt Ware verfügbar war oder nicht.“
Im Nachhinein könne man diese konkrete Auskunft nicht geben, da sich die Lieferfähigkeit im Verlauf eines Tages ändere. Zwar hätte Orifarm die betroffenen Apotheken nach Angaben der Sprecherin gern mehr unterstützt, konnte aus den genannten Gründen aber „nur allgemein auf die bestehenden Engpässe in den Monaten Mai, Juni und Juli hinweisen. Wir bedauern, dass die Krankenkasse dies anscheinend nicht akzeptiert.“
Der Reimporteur kritisiert fehlendes Augenmaß: „Wenig kulant finden wir, dass die Krankenkasse für die Monate Mai und Juni etwaige vorgelegte Nichtverfügbarkeitsnachweise des Großhandels nicht für ausreichend hält, da diese nur nach dem neuen Rahmenvertrag ab Juli 2019 ausreichen. Im Mai und Juni hätten die Apotheken noch beim Hersteller/Importeur anfragen müssen.“
Selbst für die entstanden Engpässe gibt der Reimporteur der Kasse die Schuld: „Schließlich möchten wir darauf hinweisen, dass Orifarm vor Abschluss des Rabattvertrags ausführlich den Bedarf mit der Krankenkasse erörtert hat. Insbesondere um hierdurch zu klären, ob Orifarm eine Verfügbarkeit gewährleisten kann. Tatsächlich lag die Nachfrage dann überraschend deutlich über den durch die AOK erwarteten Bedarf, sodass es letztlich zu Engpässen gekommen ist.“ Auch vor diesem Hintergrund hoffe man, dass sich die Kasse letztlich kulant zeigen werde.
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