Ärzte im Haus, eine Haltestelle direkt vor der Tür, viel Laufkundschaft: Die Alpha-Apotheke in Berlin Friedrichshain verfügt über Standortvorteile, von denen Pharmazeuten nur träumen können. Dennoch ist der Betrieb jetzt geschlossen, die Regale sind leer, die Schaufenster ausgeräumt. Inhaberin Waltraut Wald fand keinen Nachfolger – wohl auch weil ihr die Konkurrenz den Rang abgelaufen hat.
Wieder hat es eine Apotheke in Berlin getroffen. Die Alpha-Apotheke bestand seit 1998 und lag in bester Lage im Bezirk Friedrichshain, der sich seit der Wende zum pulsierenden Szenekiez entwickelt hat. Die Warschauer Straße ist seit jeher eine wichtige Verkehrsader und beherbergte schon immer zahlreiche Geschäfte. In den vergangenen Jahren boomte diese Ecke Berlins regelrecht und zog immer mehr Touristen an.
Gute Voraussetzungen also auch für die Alpha-Apotheke, die von allen ansässigen Einzelhändlern eigentlichen den besten Standort hatte: Wer zu Fuß vom S-Bahnhof kam, stolperte geradezu hinein – sie war eins der ersten Geschäfte auf dem Weg. Auch ein Supermarkt sowie eine dm-Filiale gegenüber und eine Bus- sowie Straßenbahnhaltestelle direkt vor der Tür sollten eigentlich jeden Standortentwickler entzücken. Dazu kam, dass mit einer Kinder- und Jugendärztin sowie zwei Allgemeinmedizinern in einer Gemeinschaftspraxis gleich mehrere Verordner im Haus waren.
Dennoch fand Wald keinen Nachfolger. Seit Ende Mai ist der Betrieb geschlossen, das Ladenlokal steht leer, die Internetseite ist nicht mehr erreichbar. Die Gründe dafür, dass kein Kollege den Standort übernehmen wollte, dürften vielfältig sein. Aus dem Umkreis heißt es, der Betrieb sei zu stark allein auf Rezepte ausgerichtet gewesen. „Nur mit der Belieferung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist kein Blumentopf mehr zu gewinnen“, sagt einer der benachbarten Apotheker.
Tatsächlich kam die Alpha-Apotheke als klassische Kiez-Apotheke daher. Die Einrichtung stammte noch aus den 90er Jahren, die Öffnungszeiten waren alles andere großzügig für einen Szenekiez: Von 8 bis 18.30 Uhr wurden Kunden unter der Woche bedient, samstags von 9 bis 13 Uhr. Zum Vergleich: Der Rewe gegenüber hat rund um die Uhr geöffnet.
Als 2005 keine 200 Meter entfernt auf der anderen Straßenseite eine Filiale der BerlinApotheke eröffnete, wurde es ernst. Der Standort, der heute zum Verbund der Bezirksapotheke gehört, hat nicht nur bis 20 Uhr – samstags bis 18 Uhr – geöffnet, sondern bietet zahlreiche Services beispielsweise für Zielgruppen wie junge Familien oder Anhänger der Alternativmedizin an.
Als HIV-Schwerpunktapotheke haben sich Inhaberin Melanie Dolfen und ihr Team auch die Beratung zu schweren chronischen Erkrankungen auf die Fahne geschrieben. Zudem wird in Marketing investiert, alleine das Schaufenster ist alle paar Wochen ein neuer Hingucker.
Ende 2018 siedelte sich eine weitere Apotheke im Umkreis an. An der rund 700 Meter entfernten Warschauer Brücke eröffnete die East Side Mall; direkt am Eingang des Centers hat sich Birgit Aschenbach mit ihrer zweiten Filiale, der Aschenbachs Arena-Apotheke niedergelassen.
Nach Angaben von Kollegen tat sich Wald zuletzt – wie viele andere Selbstständige – auch noch mit der Personalsuche schwer. In Berlin ist die Mitarbeiterakquise für viele Apotheker ein leidiges Thema; gerade junges Personal orientiert sich eher in Richtung renommierter Apotheken mit vielfältigen Tätigkeitsbereichen. Aktuell werden über die Kammer allein 74 Approbierte gesucht, für PTA sind sogar 82 offene Stellen gelistet.
Die Kunden der Alpha-Apotheke wurden per Aushang über die Schließung informiert: Sie sollen ihre bestellten Arzneimittel in der knapp 600 Meter entfernten Grünberger Apotheke abholen.
Berlin sticht bei den Schließungen hervor: Laut Zahlen der ABDA ist die Apothekenzahl in der Hauptstadt in den vergangenen Jahren doppelt so schnell gesunken wie im bundesdeutschen Durchschnitt. Gab es zum Jahresende 2015 noch 854 Betriebsstätten, waren es zwei Jahre später nur noch 812 – ein Minus von knapp 5 Prozent, gegenüber 2,5 Prozent bundesweit. Im vergangenen Jahr setzte sich dieser Negativtrend weiter fort: In der Hauptstadt waren es nur noch 792 Apotheken.
Die Apothekendichte liegt ebenfalls unter dem bundesweiten Schnitt. 22 Betriebe gibt es laut ABDA-Zahlen je 100.000 Einwohner in Berlin; bundesweit sind es 23. Nur noch in Bremen ist die Dichte mit 21 Apotheken niedriger. Die meisten Apotheken je 100.000 Einwohner liegen im Saarland (30), gefolgt von Sachsen-Anhalt (26) sowie Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern (beide 25).
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