Trendprodukt Hanf – CBD in der Grauzone Alexandra Negt, 16.01.2020 13:40 Uhr
Die Verbraucherzentralen warnen vor Lebensmitteln mit dem Inhaltsstoff Cannabidiol (CBD). Diese Produkte müssten als „Novel Food“ eingestuft werden – entsprechende Zulassungen lägen jedoch bislang nicht vor. Die Verbraucherschützer mahnen zur Vorsicht bei Produkten, die Kinder und Jugendliche ansprechen – vom Verzehr wird abgeraten.
CBD-Boom in Deutschland
Öle, Gummibärchen, Kaugummi, E-Zigartten-Zusatz und Kosmetik – alle möglichen Waren werden mit dem Zusatz beworben. Der Inhaltsstoff soll bei Menstruationsbeschwerden, Schlafstörungen oder Depressionen helfen. Nach Beobachtung der Verbraucherzentralen ist das Internet der Hauptumschlagplatz. Doch auch immer mehr Hanf-Läden eröffnen, wie Wiebke Franz von der Verbraucherzentrale Hessen erklärt. Darüber hinaus bieten auch Drogerien CBD-Produkte an, so können Kunden bei Rossmann das CBD-haltige Kaugummi Taff Inaff mit 5 mg Cannabidiol pro Kaugummi kaufen. Kostenpunkt: 4 Euro für 14 Kaugummis. „In diesen Produkten können gesundheitlich beeinträchtigende Mengen des psychoaktiven Stoffes Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten sein“, warnt die Verbraucherzentrale Bayern.
Samen und Blätter legal
Lebensmittel mit bestimmten Pflanzenteilen der Hanfpflanze seien legal. Samen beziehungsweise Öl oder Mehl aus der Pflanze sind traditionelle Zutaten – unter bestimmten Bedingungen dürfen sie vermarktet werden. Die Verwendung von Hanfblättern im Tee sei ebenfalls zulässig.
CBD in der Grauzone
Aus Sicht des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) muss vor dem Inverkehrbringen entweder ein Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels oder ein Antrag auf Zulassung als neuartiges Lebensmittel (Novel Food) gestellt werden. Entsprechende Zulassungen liegen bislang nicht vor. Dem BVL ist derzeit keine Fallgestaltung bekannt, wonach CBD in Lebensmitteln, also auch in Nahrungsergänzungsmitteln (NEM), verkehrsfähig wäre. „Die Produkte dürften also gar nicht verkauft werden“, erklärt Jutta Saumweber, Referatsleiterin Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Bayern. „Da die Sicherheit von CBD in Lebens- und Nahrungsergänzungsmitteln nicht hinreichend belegt ist, raten wir von einem Verzehr ab“, so Saumweber.
Die jeweiligen zuständigen Landesbehörden überwachen den Verkauf von Lebensmitteln und somit auch von CBD-haltigen Produkten. Laut Verbraucherzentrale gehen die Bundesländer unterschiedlich mit dem Thema um, nur zum Teil würden sie aktiv vorgehen und die Produkte vom Markt nehmen. „Unserer Ansicht nach ist es nicht akzeptabel, dass etwa CBD-haltige Kaugummis erhältlich sind, obwohl sie keine Zulassung haben. Wir brauchen ein bundesweit abgestimmtes, einheitliches Vorgehen der zuständigen Behörden“, so Saumweber.
Sonderfall Kaugummi
Kaugummis mit CBD-Zusatz sollen kontinuierlich über den gesamten Kauprozess eine fest definierte Menge Wirkstoff abgeben. Hersteller werben mit dem Versprechen, dass die Rezeptur die tägliche Mundhygiene ergänzt. Die im CBD enthaltenen Antioxidantien sollen den Mundraum schützen, pflegen und deodorieren. Hier liegt die Besonderheit: Waren Kaugummis zunächst als NEM verfügbar, so kommen die Produkte nach einer kurzen Marktrücknahme aktuell als kosmetisches Mittel zurück.
So auch das Kaugummi Taff Inaff: Zunächst wurde das Produkt aufgrund zu hoher THC-Werte von den Lebensmittelbehörden vom Markt genommen. Nun ist eine neue Charge verfügbar und Taff Inaff liegt als kosmetisches Mittel zur Mundpflege an den Kassen vom Drogeriemarkt Rossmann. „Die Abgrenzung zwischen Lebensmittel und kosmetischem Mittel ist nicht ganz eindeutig. Von Wirtschaftsseite wird versucht, dies entsprechend für sich zu nutzen. Die Produkte werden durch den Hersteller nicht als Lebensmittel, sondern als kosmetische Mittel zur Mundpflege in den Verkehr gebracht“, erklärt Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern.
CBD als Novel Food
Anfang 2019 hatte die EU-Kommission Cannabinoide in den Katalog der Novel Food-Verordnung aufgenommen. Ein Erzeugnis unterliegt dann der Verordnung, wenn es vor Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr in der EU verwendet wurde. Eine Zulassung von CBD als neuartiges Lebensmittel ist bisher nicht erfolgt. Das BVL, das hierzulande die Umsetzung der Novel-Food-Verordnung überwacht, stuft derartige Produkte deshalb als nicht verkehrsfähig ein.
Als besonders sensible Zielgruppe sehen die Verbraucherzentralen Kinder und Jugendliche: Hanfhaltige Lebensmittel sprechen durch ihre Aufmachung Minderjährige an. darüber hinaus kritisiert die Verbraucherzentrale die Werbeversprechen: Aussagen wie „Berauschend!“, „High“, „Achtung Suchtgefahr!“ oder „So sieht die Welt gleich entspannter aus!“ würde den Cannabiskonsum verharmlosen.
CBD als Arzneimittel
Als Arzneimittel ist CBD verkehrsfähig. Der Wirkstoff ist in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) gelistet und darf somit nur auf Rezept abgegeben werden. Ein Cannabidiol-Produkt in der Apotheke darf eine maximale Abweichung von 10 Prozent vorweisen.
Eine bislang ungeklärte Frage ist, ob CBD-Produkte ohne Zulassung der EU-Kommission als neuartiges Lebensmittel verkehrsfähig sind. Behörden und auch Verbraucherzentralen meinen: Nein, ungeprüft darf kein Verkauf stattfinden. Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen beschäftigen Gerichte.