Dubiose Geschäftspraktiken

Testzentren: Wachsender Schmuddelfaktor

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Berlin -

Die Corona-Schnelltests haben nicht nur seriöse Anbieter, sondern auch allerlei Glücksritter und dubiose Geschäftemacher auf den Plan gerufen. Abrechnungsbetrügereien sind offenbar nur die Spitze des Eisbergs. Immer häufiger sieht man schmuddelige Angebote.

So ziemlich an jeder Ecke sind sie zu finden: Testzentren, in denen Menschen Bürgertests durchführen lassen können. Doch während seriöse Anbieter wie Apotheken, aber auch kommerzielle Betreiber von Teststellen und sogar geschlossene Restaurants seit März eine professionelle Infrastruktur aufgebaut haben, sieht man zunehmend illustre Angebote auf dem Markt. Einige Beispiele aus Berlin.

  • Eine Friseurin berichtet von mehreren Kunden, die sie vor dem vereinbarten Termin zum Schnelltest in eine nahe gelegene Teststelle geschickt hatte. Dort führte man aber nicht den Bürgertest durch, sondern drehte den überwiegend älteren Kunden einen PCR- oder Antikörpertest für bis zu 90 Euro an.
  • Im Szenebezirk Friedrichshain wurden unlängst Schnelltests auf offener Straße am Kofferraum durchgeführt. Die Tester:innen sprachen auf dem Bürgersteig in voller Montur Passanten an; wer wollte, konnte sich im Vorbeigehen testen lassen. Weder auf dem PKW noch anderswo waren Informationen über die fliegende Teststelle zu finden.
  • Ähnlicher Fall: Im Nachbarbezirk Treptow wurde ein weißer Transporter gesichtet mit der Aufschrift „Corona Schnelltests kostenlos“. Hier wurden Nachweise ohne Termin versprochen, „ausgeführt von medizinisch geschultem Personal“. Die Firma in der Rechtsform einer Unternehmergesellschaft wurde erst im April gegründet und hat mit dem Gesundheitswesen ansonsten nichts zu tun.
  • An einer Haupteinfallstraße wurden Autofahrer auf dem Grünstreifen zwischen den beiden Fahrbahnen mit handgemalten Schildern auf eine nahende Teststelle aufmerksam gemacht. Nach mehreren Ankündigungen kam ganz zum Schluss der handgemalte Verweis auf einen Hinterhof.
  • Im Stadtteil Wedding haben gleich mehrere Döner-Buden das Geschäft für sich entdeckt und bieten Tests entweder im benachbarten Raum oder draußen im Zelt an.
  • „Ohne Termin“ und „in nur 15 Minuten“ wirbt auch im Prenzlauer Berg eine Teststelle vor einem „Späti“, der Pavillon ist konsequenterweise von einer Biermarke.

Auch mehren sich die Fälle, in denen andere Gewerbe wie Handyläden, Friseure oder Massagesalons in das Geschäft einsteigen – mutmaßlich um Umsatzeinbußen durch Lockdown-Maßnahmen auszugleichen. Das ist an sich legitim – gleichzeitig mehren sich jedoch Beschwerden, dass umgechultes Personal Tests selbst für Laien ersichtlich nicht vorschriftsgemäß ausführt. So werde buchstäblich im Vorbeigehen aus Fenstern heraus getestet, Abstriche würden dabei viel zu kurz und nicht tief genug gemacht. Die Aussagekraft solcher Testergebnisse steht stark in Zweifel.

Die Senatsverwaltung für Gesundheit hat sich auf Nachfrage nicht dazu geäußert; hier rechnet man allerdings ohnehin mit zahlreichen Schließungen von Teststellen in der nahen Zukunft. „Das Angebot der Test-to-go-Stellen orientiert sich allein an wirtschaftlichen Überlegungen der Betreiber“, teilte ein Sprecher der mit. Bei einer raschen Zunahme von Öffnungsangeboten ohne Testpflicht sei davon auszugehen, dass in den nächsten Tagen etliche Test-to-go-Stellen schließen würden. „Wie hoch diese Zahl sein wird, ist aber nicht vorhersehbar.“

Auf der anderen Seite gebe es nach wie vor Anträge auf Neuzertifizierungen von Test-to-go-Stellen. Sie würden gemeinsam mit den Bezirken „sehr genau“ auf den weiteren Bedarf hin überprüft, so die Gesundheitsverwaltung. Die tägliche Testkapazität in Berlin war demnach mit rund 800.000 am 7. Juni am größten. „Seither gehen die verfügbaren Kapazitäten langsam, aber kontinuierlich zurück.“

Derzeit liegt die Tageskapazität bei den Test-to-to-Stellen von Drittanbietern nach Angaben der Gesundheitsverwaltung bei immer noch rund 680.000 Tests, die der landeseigenen Testzentren bei etwa 16.000. Falls der Bedarf an Corona-Schnelltests wieder steigen sollte, sei nach den bisherigen Erfahrungen davon auszugehen, dass die Testkapazitäten innerhalb einer Woche wieder hochgefahren werden könnten, so die Gesundheitsverwaltung.

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