Apotheken als Vorbild

Testzentren droht Nullretax

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Berlin -

Testzentren, die bei der Abrechnung nicht alle geforderten Unterlagen vorlegen können, bleiben womöglich auf ihren Forderungen sitzen. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) lehnte die Auszahlung von rund 380.000 Euro an einen Betreiber ab, der der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nur unvollständige Nachweise geliefert hatte. Vorbild ist laut Gericht die Nullretaxation im Bereich der Apotheken.

In dem Fall ging es um ein Testzentrum, das auf einem gemieteten Stellplatz in einem Bürocontainer betrieben worden war. Für die Monate Dezember 2021 bis März 2022 überwies die KV der Betreibergesellschaft einen Gesamtbetrag von rund 220.000 Euro. Die bereits angekündigte Zahlung für April über mehr als 97.000 Euro wurde jedoch plötzlich einbehalten, genau wie die für Mai bis September abgerechneten Beträge in Höhe von insgesamt 285.000 Euro.

Hintergrund war, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig im Mai 2022 ein Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der GmbH wegen Abrechnungsbetruges eingeleitet hatte. Das Verfahren wurde zwar Ende September eingestellt, doch auch seitdem wurden die offenen Forderungen über insgesamt 383.000 Euro nicht beglichen.

Tests nicht durchgeführt?

Laut KV liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass allenfalls ein geringer Teil der abgerechneten Tests tatsächlich durchgeführt wurde. Daher habe man eine vertiefte Prüfung der ordnungsgemäßen Durchführung und Abrechnung nach § 7 TestV eingeleitet und die verbindlich vorgeschriebene Dokumentation nachgefordert. Da Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestünden, halte man es für sachgerecht, zunächst die geltend gemachten Leistungen nicht – auch nicht teilweise – auszuzahlen.

Das Testzentrum versuchte, vor Gericht eine Entscheidung im Eilverfahren herbeizuführen. Denn wegen der ausgebliebenen Gelder sei man im Grunde bereits seit Monaten insolvent, was sich nur durch die Auszahlung zumindest eines Teilbetrags abwenden ließe. Und der Geschäftsführer sei wegen privater Mietkündigung sogar von Obdachlosigkeit bedroht.

Schon für das Sozialgericht Lüneburg (SG) wirkten die Ausführung wenig glaubhaft. Nachdem das Testzentrum zunächst nicht in der Lage gewesen sei, die geforderten Abrechnungsdaten elektronisch zu übermitteln, seien im Prozess plötzlich drei Kisten Unterlagen, ein USB-Stick sowie ein PCR-Register im Aktenordner eingereicht worden. Die Belege wichen aber laut erster Prüfung der KV aber von den vorherigen Daten ab, wofür es keine plausible Erklärung gebe.

Auffällige Unregelmäßigkeiten

So seien E-Mail-Adresse und Telefonnummern der getesteten Personen nicht einheitlich protokolliert. Auch fänden sich wechselhafte Darstellungen zwischen elektronischer und papierschriftlicher Bestätigung von Testverfahren. Als weitere Beispiele genannt wurden nicht abrechnungsfähige Mitarbeitertestungen oder die Tatsache, dass in jedem einzelnen Fall die Mitteilung über die Corona-Warn-App von dem jeweils Getesteten abgelehnt worden sein soll. Schon die Prüfung für Dezember 2021 habe dazu geführt, dass Leistungen und Sachkosten zurückgefordert wurden. Im Übrigen habe sich mittlerweile herausgestellt, dass der Geschäftsführer, anders als zuvor versichert, bereits mehrfach unter anderem wegen Betruges verurteilt und vorbestraft sei.

Auch das LSG hatte große Zweifel daran, dass in dem Testzentrum alles mit rechten Dingen zugegangen ist, und wies den Antrag unter Verweis auf § 7a TestV im Eilverfahren ebenfalls ab. Laut Vorschrift besteht kein Anspruch auf Vergütung, wenn die abgerechneten Leistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht wurden, die entsprechenden Dokumentationspflichten nicht vollständig erfüllt sind oder die geltend gemachten Kosten nicht den tatsächlichen Kosten entsprechen.

Wie auch in anderen Bereichen im Gesundheitswesen sei die Abrechnung erbrachter Leistungen das „Kernelement zur Kontrolle für die Leistungsträger“ und aus diesem Grund „streng formal geregelt und vom Leistungserbringer einzuhalten“, so die Richter. Anderenfalls sei eine Leistungskontrolle nicht möglich und damit auch keine Qualitätssicherung.

Vorbild Apotheken-Retax

„Dabei kann ein Verstoß des Leistungserbringers gegen die Abrechnungsbestimmungen auch den vollständigen Ausfall des Entgelts zur Folge haben“, so das LSG. Dies gelte insbesondere für Massen-Leistungen: „So ist etwa im Bereich des Abrechnungsrechts von Apotheken-Leistungen (mit mehr als 500 Mio abgerechneten Rezepten/per anno) bei Verstößen gegen Abrechnungsvorschriften eine Reduzierung des vom Leistungserbringer (Apotheker) geltend gemachten Abrechnungsbetrages auf Null recht- und verfassungsmäßig und eine Verletzung des Grundrechts des Leistungserbringers aus Art. 12 GG nicht gegeben“, so das LSG mit Verweis auf das Urteil des Bunderssozialgerichts (BSG) und die abgewiesene Verfassungsbeschwerde.

Dass mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz aus dem Jahr 2015 geklärt wurde, dass Retaxationen wegen formaler Fehler im Rahmenvertrag ausgeschlossen werden sollten, sei angesichts der Schwere der Verstöße für den vorliegenden Fall nicht anwendbar. „Die Retaxation auf Null bleibt möglich, wenn der bloße Verstoß gegen Ordnungsvorschriften überschritten wird.“

Keine nachträgliche Heilung

So sei es hier: Die Auffälligkeiten beträfen nicht nur die Kontaktdaten von Testprobanden oder geänderte Daten in später vorgelegten schriftlichen Unterlagen. Bei einer stichprobenartigen Prüfung sei dem Gericht selbst aufgefallen, dass in einer erheblichen Anzahl von Einverständniserklärungen die Ausweisnummer fehlte oder bei der identischen Person zwei Ausweisnummern angegeben wurden. Vereinzelt fehlten der Patientenaufkleber, das Datum oder die Unterschrift der getesteten Person.

Hinzu komme, dass wegen der zentralen Bedeutung von Abrechnungsvorschriften und deren Einhaltung eine spätere Abänderung einer einmal erfolgten Abrechnung grundsätzlich ausgeschlossen sei. „Es würde zu einer erheblichen und mit den Erfordernissen einer Massenverwaltung nicht zu vereinbarenden Erschwerung des Abrechnungsverfahrens führen, wenn trotz des eindeutigen Wortlauts der maßgeblichen Regelungen eine nachträgliche Heilung des Verstoßes nach bereits erfolgter Abrechnung möglich wäre.“

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