Durch die Anpassung der Medizinprodukte-Abgabeverordnung (MPAV) können nun auch Antigen-Schnelltests zum direkten Nachweis von Sars-CoV-2 an Laien abgegeben werden. Hersteller und Apotheken können sich vor Anfragen nicht retten. Doch abgegeben werden kann nichts. Bislang ist kein Schnelltest auf dem Markt, der alle geforderten Kriterien zur Laienanwendung erfüllt. Eine Sonderzulassung wie in Österreich könnte die Tests schnell in die Sichtwahl bringen.
Trotz Änderung der MPAV können Antigen-Schnelltests bisher nicht an den Laien abgegeben werden. Zur erlaubten Abgabe von In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung muss eine Konformitätsbewertung unter Beteiligung einer Benannten Stelle durchlaufen werden. Hierfür wird neben einem angepassten Verfahren und einer leicht verständlichen Gebrauchsinformation auch eine Laienstudie gefordert. Auf diese Studie verzichten die Hersteller allerdings zum Teil bewusst, da die Durchführung und Begutachtung sich bis zu einem Jahr hinziehen könnte.
Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) könnten die Hersteller einen Antrag auf Sonderzulassung stellen, wenn sie die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geforderte Dokumentation vorlegen. „Hier gilt das Konformitätsbewertungsverfahren zur Erlangung der CE-Kennzeichnung. Parallel zu dieser Prüfung, bei der für bestimmte Elemente eine Benannte Stelle einzuschalten ist, gibt es die Möglichkeit der Sonderzulassung“, heißt es seitens des BMG. Denn das BfArM kann, abweichend von den eigentlich geltenden Bestimmungen, das erstmalige Inverkehrbringen oder die Inbetriebnahme einzelner Medizinprodukte in Deutschland befristet zulassen, wenn deren Anwendung im Interesse des Gesundheitsschutzes liegt.
Diese „Sonderzulassung“ eines Medizinproduktes komme jedoch nur dann in Betracht, wenn die Durchführung eines regulären Konformitätsbewertungsverfahrens nicht abgewartet werden kann. Zusätzlich muss nachgewiesen werden, dass keine medizinisch gleichwertigen Alternativen am Markt sind. Das BfArM gibt an, dass bisher kein einziger Hersteller eine Sonderzulassung beantragt hat.
Die Durchführung eines regulären Konformitätsbewertungsverfahrens verpflichtet den Hersteller des In-vitro-Diagnostikums zur Vorlage zahlreicher Dokumente bei Benannter Stelle. In der zugehörigen EU-Richtlinie finden sich die Anforderungen zum Inverkehrbringen von In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung. So müssen die Hersteller der Tests innerhalb der Spezifikation für Produkte zur Eigenanwendung beispielsweise gewährleisten, dass die Ergebnisse so angegeben werden, dass „sie von einem Laien ohne Schwierigkeiten verstanden werden“. Gleichzeitig müssen „Hinweise und Anweisungen für den Anwender zu den zu treffenden Maßnahmen (bei positivem, negativem oder unklarem Ergebnis) und zur Möglichkeit eines falsch positiven oder falsch negativen Ergebnisses“ gemacht werden.
Zur Ausstellung einer Konformitätserklärung muss der Antrag des Herstellers auch Ergebnisse von Testberichten und Studien enthalten, die mit Laien durchgeführt wurden. Es müssen ausreichend Angaben vorliegen, die die „geeignete Handhabung des Produktes im Hinblick auf die vorgesehene Eigenanwendung belegen“. Auf diese Laienstudien verzichten einige Hersteller bewusst, da der zeitliche Aufwand zu groß wäre. Nal von Minden gibt einen Zeitraum von mehreren Monaten an: „Ohne Sonderregelung des Gesundheitsministeriums würde es Monate dauern, bis ein Corona-Heimtest zugelassen wäre. Für eine offizielle Heimzulassung müssten wir zunächst eine Laienstudie durchführen. Hierfür müssten wir kooperierende Kliniken suchen."
In Österreich können Antigen-Schnelltests bereits abgegeben werden. Dank einer Sonderzulassungsregelung ist es den Herstellern möglich, ihre Tests auch für die Heimanwendung anzubieten. Die Regelung betreffend der Zertifizierung von Schnelltests nach österreichischem Medizinprodukte-Gesetz wurde um einen Paragraphen in der Bundesabgabeverordnung ergänzt. Dort heißt es: „Ergänzend zu §113a Medizinproduktegesetz wird festgelegt, dass Schnelltests zum Nachweis eines Vorliegens einer Infektion mit Sars-CoV-2, die durch den Hersteller für eine Probennahme im anterior nasalen Bereich in Verkehr gebracht und mit einer CE-Kennzeichnung gemäß dem Medizinproduktegesetz […] versehen sind, jedoch vom Hersteller bisher nicht zur Eigenanwendung in Verkehr gebracht wurden, im Falle einer Pandemie grundsätzlich auch zur Eigenanwendung verwendet werden können.“
Weiter heißt es: „Eine Verwendung zu diesem Zweck ist nur zulässig, wenn der Hersteller, dessen Bevollmächtigter oder ein Inverkehrbringer dieser Tests bestätigt, dass bei Eigenanwendung ein Sicherheits- und Leistungsniveau erreicht wird, das die Funktionstauglichkeit und die Einsatztauglichkeit für den geplanten Zweck gewährleistet und im Wege einer Selbstverpflichtung die Einhaltung dieser Anforderungen durch Übermittlung einer entsprechenden Bestätigung an das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen bestätigt. Den anterior nasalen Tests sind andere ähnlich minimal invasive Tests gleichzuhalten. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen wird in diesen Fällen nicht von Amtswegen tätig.“ Mit diesem Paragraphen wurde in Österreich das Problem beseitigt, dass es laut Medizinproduktegesetz im Moment keine Tests gibt, die zur Eigenanwendung zugelassen sind. Befristet bis zum 30. Juni dürfen somit Antigen-Schnelltests an Privatpersonen abgegeben werden.
Tests mit modifizierter Probeentnahme gibt es bereits mehrere. Entweder ist die Entnahme von Nasensekret aus der vorderen Nase möglich, oder die Anwender müssen lediglich eine Sputum-Probe abgeben. Nal von Minden und Roche setzen auf die nasale Testung. Anders zum bisher notwendigen nasopharyngealen Abstrich reicht es nun aus, wenn der Anwender das Teststäbchen ungefähr zwei Zentimeter tief in die Nase einführt. Selbst für Patientengruppen, bei denen eine schlechte Compliance zu erwarten ist, wurden bereits Lösungsansätze verfolgt. So bietet Weko einen Lolly-Test an, der lediglich noch gelutscht werden muss.
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