Testkauf: Apotheke scheitert mit Imupret APOTHEKE ADHOC, 28.11.2017 14:30 Uhr
Einmal mehr knöpfte sich ein TV-Sender die Apotheken vor. Diesmal wurde in einem Beitrag des NDR-Verbrauchermagazins „Markt“ getestet, was Apotheken zur Prophylaxe von Erkältungen empfehlen und verkaufen. Kritisiert wurde nicht nur, dass die empfohlenen Produkte kaum wirksam seien. Moniert wurde auch, dass in Apotheken Medikamente zur Prophylaxe verkauft werden, obwohl sie eigentlich erst bei ersten Erkältungssymptomen eingenommen werden sollten.
Schon zu Beginn des Beitrag ist klar: Die Autoren des Beitrags gehen davon aus, dass alle Präparate , die gemeinhin zur Prophylaxe von Erkältungen empfohlen werden, keinen großen Nutzen haben. Trotzdem schickt man einen Tester in zehn Apotheken, der einen expliziten Wunsch nach einem Prophylaxemittel äußert. „Guten Tag, ich bin gesund, möchte mich aber vor einer Erkältung schützen. Und mein vierjähriges Kind“, mit diesen Worten soll er in den getesteten Apotheken vorstellig geworden sein.
In der ersten Apotheke rät man dem vermeintlich Vater prompt zu Imupret von Bionorica. Die Apothekerin empfiehlt das Arzneimittel explizit zur Prophylaxe. Obwohl der Tester sie darauf hinweist, dass er noch keine Symptome habe, bleibt die Apothekerin bei ihrer Empfehlung und beharrt darauf, dass man das Präparat auch vorbeugend nehmen kann. 12,55 Euro bezahlt der Tester in dieser Apotheke.
„Das ist etwas, wenn die Erkältung schon da ist“, bewertet Professor Dr. Gerd Glaeske als befragter Experte den ersten Einkauf. Auch Bionorica teilt auf Nachfrage des Senders mit, dass Imupret bei ersten Anzeichen einer Erkältung helfe. Man empfehle den Apothekern genau nach dem Kaufgrund beziehungsweise dem Beschwerdebild zu fragen, und entsprechend zu beraten, zitiert NDR aus der Stellungnahme des Unternehmens.
In der nächsten Apotheke wird dem Tester neben Zink das Nasenspray Algovir verkauft. Das Spray gibt es auch für Kinder. Gemäß den Angaben von Hersteller Hermes kann das Präparat eine Erkältung verhindern. Das Unternehmen schreibt NDR dazu: „Gemäß der Packungsbeilage kann Algovir durch die anhaltende Befeuchtung vorbeugend gegen die Entstehung von Schnupfen und grippalen Infekten wirken.“ Die Apotheke steht ebenfalls zu ihrer Empfehlung: „Auch prophylaktisch ist dieses Produkt wirksam“, teilte sie dem TV-Sender mit.
Glaeske widerspricht. Mit Vorbeugen habe das Präparat wenig zu tun. Der Pharmakologe beruft sich dabei auf die Studienlage. Bei den verkauften Produkten handele es sich um Mittel, die in den Studien bei Menschen, die bereits Schnupfen hatten, geprüft wurden.
Skeptisch sieht Glaeske auch die nächste Empfehlung einer Apotheken. Dort hat man dem Testkäufer mit Orthomol immun und 49,95 Euro den teuersten Einkauf beschert. Da sei alles drin, was man für ein starkes Immunsystem brauche, soll man in der Apotheke gesagt haben. Doch die Autoren weisen daraufhin, dass der Hersteller sein Produkt jedoch nicht als Prophylaxemittel bewerbe und sogar betone, dass es nur unter ärztlichen Aufsicht zu verwenden sei. Das Urteil von Glaeske fällt vernichtend aus: „Das ist ausgesprochen zweifelhaft, ob solche angeblich immunstimulierenden Nahrungsergänzungsmittel einen Sinn machen.“
Immer wieder sei in den Apotheken zu Produkten mit Vitamin C geraten worden. „Man weiß seit mehreren Jahren, dass Vitamin C absolut nichts mit der Prophylaxe von Erkältungserkrankungen zu tun hat“, kritisiert Glaeske. Das sei lange Zeit ein Mythos gewesen, von dem man inzwischen abgerückt sei. Bei einer vernünftigen Ernährung bräuchten weder Erwachsene noch Kinder zusätzliche Vitamine.
Auch der befragte Mediziner Dr. Martin Scherer von der Uni-Klinik Hamburg-Eppendorf rät im Beitrag grundsätzlich von Prophylaxe-Mitteln ab: „Bei einer Erkältung habe ich es mit einer Vielzahl von Viren zu tun. Hier das Immunsystem unspezifisch stimulieren zu wollen, ist nicht sinnvoll“, wird er zitiert. „Wenn es mir gut geht, dann gibt es da nicht mehr viel zu optimieren. Die Produkte, die es hier gibt, führen zu einer unspezifischen Aktivierung des Immunsystems – für sie gibt es keinerlei belastbare Wirksamkeitsbelege.“
Im Ergebnis haben neun von zehn Apotheken Präparate zum Schutz vor einer Erkältung und zur Stärkung des Immunsystems verkauft. In sieben Apotheken wurden auch Produkte für Kinder empfohlen. Bei den Testkäufen wurden nach Angaben des TV-Senders pro Apotheke zwischen 6,75 und knapp 50 Euro fällig. Nur eine Apotheke erfüllte somit die Erwartungen des Rundfunksenders und verkaufte nichts. Stattdessen habe man dort dem Tester zur gesunden Lebensweise geraten: ausgewogene Ernährung, frische Luft und Bewegung.