„Irgendwann ist Schluss mit der Liquidität“

Test-Apotheker: KV verweigert seit einem halben Jahr die Auszahlung

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Berlin -

Im brandenburgischen Hohen Neuendorf bringt ein Streit mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) einen Apotheker an den Rand des Ruins: Er betreibt ein großes Testzentrum mit mehreren tausend Tests pro Woche – und zwar seit über einem halben Jahr aus eigener Tasche. Denn seit dem vergangenen Juli überweist ihm die KV kein Geld. Grund sind kleine Formalitäten bei einem Bruchteil der Tests und ein offensichtlicher Übermittlungsfehler, für den sich niemand zuständig fühlt. Kontakt zur KV hält er mittlerweile nur noch über seinen Anwalt.

Apotheker Reinhard Eger hat sich eigentlich vorbildlich eingebracht: Bereits seit April 2021 betreibt er in der Stadthalle von Hohen Neuendorf das kommunale Testzentrum. Der Durchsatz ist hoch, das Zentrum kommt jeden Monat auf eine vierstellige Zahl an Tests. Es lief gut bei Eger – bis im Juli 2021 die neue Testverordnung kam. Um dem um sich greifenden Betrug dubioser Testcenter-Betreiber etwas entgegenzusetzen, wurde mit ihr beschlossen, dass die jeweils zuständige Kassenärztliche Vereinigung die Abrechnungen einer Plausibilitätsprüfung unterziehen. Für einen seriösen Anbieter wie Eger, der sogar in Zusammenarbeit mit seiner Kommune handelt, eigentlich kein Anlass zur Sorge. Eigentlich.

Aber ab Juli kam plötzlich kein Geld mehr. „Ich habe mich lange geduldet und dann nach zwei Monaten gefragt, wo denn mein Geld bleibt“, erzählt er. „Da hieß es, sie würden noch prüfen, sie wüssten noch nichts und können mir auch noch nicht sagen, wann die Auszahlung ist.“ Wieder einen Monat später erhielt er dann Post von der KV: Anhörungsbögen. „Da musste ich dann erklären, warum meine Zahlen angeblich nicht stimmen.“ Tatsächlich fragwürdig war dabei der Monat August: Eger hatte knapp 3000 Tests abgerechnet, beim Gesundheitsamt waren aber nur 478 gemeldet worden. „Da wurde beim Gesundheitsamt offenbar eine falsche Zahl angegeben. Allerdings ist es ganz offensichtlich, dass das keinen Sinn ergibt. Ich habe in den Monaten davor und danach stets mehrere tausend Tests abgerechnet, warum sollten es im August nur 478 sein?“ Doch weder bei der KV noch beim Gesundheitsamt habe jemand dem Fehler nachgehen wollen. Dafür wollte die KV eine Liste mit allen durchgeführten Tests samt Angaben zu Getesteten, Durchführung und Ergebnis.

Die Mühe machte sich Eger und ließ den Papierstapel via Hermes zur KV bringen. Und wartete erneut. Ergebnis: Bei 134 der rund 3000 aufgeführten Tests sei die Leistungsdokumentation unvollständig, es würden beispielsweise Angaben zum Grund des Tests, zur Zeit oder aber zur Übermittlung des Testergebnisses fehlen. „Da fehlt mal hier, mal da ein Kreuzchen, mehr nicht!“, sagt er. Hinzu kämen Unklarheiten bei der Unterscheidung der Abrechnung von PoC- und PCR-Tests.

„Man könnte doch zur Not diese 134 Tests aussetzen und mir den Rest bezahlen – stattdessen werde ich behandelt wie ein Betrüger“, sagt er. Hinzu kommt laut KV, dass die beiden Monatsabrechnungen für Juli und September verspätet eingegangen seien – wenige Tage allerdings, wie Eger beteuert. Schließlich müssen die Abrechnungen am dritten Tag des Folgemonats eingereicht werden, was bei einem Testzentrum seiner Größe auch keine triviale Aufgabe sei.

Die KV hatte ihm im Dezember mitgeteilt, dass es in ihrem Ermessen stehe, die Auszahlung auszusetzen, wenn Abrechnungen in die Plausibilitätsprüfung einbezogen sind. Das hat sie also für die Monate Juli, August, September, Oktober und November getan. Für Dezember kam das Geld merkwürdigerweise im Januar – und das Geld für Januar, das am 15. Februar hätte auf dem Konto sein sollen, ist bisher auch noch gekommen. Sechs von sieben Monaten fehlen also. „Wäre das Geld mal zwei oder drei Monate zu spät gekommen, könnte man das noch zähneknirschend hinnehmen. Und es wäre nicht so schlimm, wenn das keine Summen wären, die ich reinvestieren muss. Aber irgendwann ist Schluss mit der Liquidität, ich muss ja auch bezahlen.“ Allein die 15 Mitarbeiter des Testzentrums seien schon ein Posten, den man nicht so einfach deckt.

Die Kommunikation mit der KV habe seinen Frustpegel dabei noch in die Höhe getrieben. „Ich habe nur fadenscheinige Begründungen gehört, warum es nicht gehen soll, mir das Geld zu überweisen. Die, die man bei der KV erreicht, wissen entweder selbst nicht Bescheid oder haben keine Kompetenzen“, erzählt Eger. „Eine Mitarbeiterin sagte mir einfach, sie könnten das Geld ja nicht zum Fenster rausschmeißen.“ Mittlerweile hat er einen Anwalt eingeschaltet, um den Sachverhalt mit der KV zu regeln. „Er hat mir davon abgeraten, zu klagen. Das würde über das Sozialgericht gehen und drei Jahre dauern, macht also keinen Sinn.“ Also übernimmt er die Kommunikation Egers mit der KV und versucht, die Kastanien für ihn aus dem Feuer zu holen.

Und es sah zwischenzeitlich auch gut aus: Es sei ihm eine Zahlung für den 28. Januar zugesagt worden, erzählt er. Doch auch die kam nie. „Wir halten den Kopf hin, testen und setzen uns den Viren aus – und die sitzen da im warmen Bürostuhl und kriegen 3,5 Prozent Provision dafür, dass sie alles behindern“, sagt er. „Wenn ich das in der Apotheke mit meinen Kunden machen würde, würde kein einziger mehr kommen.“

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