„Telematik-Skandal“: Apotheker zahlen drauf Lothar Klein, 28.08.2019 11:29 Uhr
Bis Ende September 2020 müssen alle Apotheken an die Telematikinfrastruktur (TI) der Gematik angeschlossen sein. So sieht es das Digitalisierungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor. Nach dem ersten „Frühbucher-Angebot“ zur Ausrüstung mit der erforderlichen Hardware von der CompuGroup Medical (CGM) hat jetzt Pharmatechnik mit einem befristeten Angebot nachgelegt. Weil beide Firmen Entwicklungspartner waren, bieten die Starnberger die gleiche Leistung zum gleichen Preis für 3500 Euro an. Das TI-Paket liegt damit über der zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband ausgehandelten Finanzspritze der Kassen: Die Apotheken müssen draufzahlen.
Für 3500 Euro bietet Pharmatechnik das „Starterset Telematikinfrastruktur“ an: Dazu gehört ein zertifizierter eHealth-Konnektor, ein Upgrade für das Notfalldatenmanagement (NFDM) und ein Upgrade für den eMedikationsplan im Wert von 445,38 Euro. Inbegriffen sind zwei stationäre Kartenterminals inklusive der dazugehörigen Smartcard (gSMC-KT) und die Einrichtung und Konfiguration des VPN-Zugangsdienstes. Die Techniker installieren das System in der Apotheke. Den Gesamtwert der angebotenen Leistungen beziffert Pharmatechnik auf 4497,30 Euro – auch hier auf den Cent genau der Preis des CGM-Pakets.
Für zusätzliche 89 Euro unterstützt Pharmatechnik die Apotheker mit einem „TI-Ready-Check“ beim Ausfüllen der Checkliste. Für weitere 70 Euro monatlich „Aktionspreis“ gibt es ein „TI-Betriebspaket Plus“ für Wartung und Störungsbehebung. Für nochmals 29 Euro monatlich bietet Pharmatechnik ein Softwarepaket für das eGK-Stammdatenmanagement, die eGK-Notfalldaten, den Bundesmedikationsplan (BMP) und den elektronischen Medikationsplan eMP.
Das Pharmatechnik-Angebot gelte nur bis DAT/Expopharm, teilte ein Außendienstmitarbeiter dem niedersächsichen Apotheker Uwe Hansmann mit, der sich über die Preise ärgert: „Ist schon super, wie wir hier schon wieder zur Kasse gebeten werden. Beläuft sich doch der Zuschuss seitens Gematik auf einen maximal halb so hohen Betrag. Mal ganz abgesehen von weiteren monatlichen Gebühren. Das alles ist – vor dem Hintergrund der ohnehin fehlenden Honoraranpassung seit 2004 – ein Skandal! Wenn Boris Johnsen den Brexit nachverhandeln möchte, dann sollte die ABDA diesem Beispiel in punkto Telematik-Förderung in jedem Fall folgen!! Bei den Ärzten ist die Förderung im Verhältnis erheblich höher. Warum wird hier wieder mit zweierlei Maß gemessen?“
Anfang Januar hatten sich DAV und GKV-Spitzenverband nach monatelangen Verhandlungen für den Anschluss der über 19.000 Apotheken an die TI auf eine Finanzierung geeinigt: Apotheken erhalten danach für die Erstausstattung mit Konnektoren und Kartenlesegeräten sowie der Installationspauschale einen Betrag von gut 2600 Euro. Hinzu kommen noch Betriebskostenpauschalen.
Im Detail sieht die Einigung wie folgt aus: Für die Herstellung und den Betrieb der TI werden von den Kassen folgende Kostenpauschalen an die Apotheken gezahlt: Für die Erstausstattung mit einem eHealth-Konnektor inklusive zugehöriger gSMC-K-Smartcard und zwei stationären eHealth-Kartenterminals (KT) zahlen die Kassen 1362 Euro. Als Aufwandspauschale für die Einrichtung der neuen Technik zahlen die Kassen zusätzlich 1280 Euro. Davon entfallen 896 Euro auf die Installation und Schulung in den Apotheken und eine Pauschale in Höhe von 384 Euro für installationsbedingte Ausfallzeiten und sonstige Aufwände.
Zusätzlich gibt es einmalige Betriebskostenpauschalen: für die SMC-B-Smartcard 378,15 Euro und für die HBA-Smartcard 449 Euro. Zudem können quartalsweise Betriebskostenpauschalen für Betrieb und Wartung der Kartenterminal in Höhe von 210 Euro abgerechnet werden.
Jede Apotheke erhält als Grundausstattung einen TI-Konnektor und zwei eHealth-Kartenterminals. Größere Apotheken ab 20.000 Rx-Packungen zulasten der GKV erhalten zusätzliche Geräte: Bis zu 40.000 Rx-Packungen werden zwei zusätzliche eHealth-Terminals mit jeweils 450 Euro finanziert. Auch hier liegt der Preis über dem Erstattungsbetrag der Kassen. Für Apotheken ab 40.000 Rx-Packungen bis zu 80.000 Rx-Packungen zahlen die Kassen weitere zwei eHealth-Terminals mit jeweils 450 Euro.
Apotheken mit mehr als 80.000 Rx-Packungen müssen ihren Umsatz mit „geeigneten Unterlagen“ nachweisen. „Mehr als zehn Kartenlesegeräte pro Apothekenbetriebsstätte werden jedoch nicht finanziert“, heißt es in der Vereinbarung zwischen DAV und GKV-Spitzenverband. Abgerechnet und ausgezahlt werden die verschiedenen Beträge über den bestehenden Nacht- und Notdienstfonds (NNF). Die Kassen behalten sich eine stichprobenartige Prüfung der Abrechnungen vor. Falsche Abrechnungen können zurückgefordert werden.