Arzneimitteldiebstähle kommen immer wieder vor, teilweise verschwinden ganze Lkw-Ladungen. Besonders anfällig sind Substanzen mit Missbrauchspotenzial – vor allem Benzodiazepine, die ohne Betäubungsmittelrezept erhältlich sind. Immer wieder tauchen in Apotheken Packungen auf, aus denen einzelne Tabletten entnommen wurden. Als Klassiker gilt Tavor (Lorazepam).
„Tavor hat keinen sicheren Verschluss, also kann sich jeder Tabletten rausnehmen“, sagt Laura, eine junge PTA aus Schleswig-Holstein. Sie berichtet, dass einem ihrer Kunden schon viermal Tabletten gefehlt haben. Da er die Tabletten immer für eine Woche vorbereite, habe er die fehlende Menge schnell bemerkt. „Beim ersten Mal fehlte eine Tablette, ein anderes Mal waren es sogar drei Stück“, sagt Laura. „Seitdem lässt der Patient die Tabletten von uns in seinem Beisein vorzählen.“
Unterfüllungen können im Fertigungsprozess ausgeschlossen werden“, so eine Sprecherin des Tavor-Herstellers Pfizer. Im Rahmen der Qualitätssicherung würden die Tabletten nach der Befüllung abgewogen. „Alle Herstell- und Transportvorgänge am Produktionsstandort sind hoch automatisiert und überprüft.“
An welcher Stelle die Tabletten in der Transportkette verschwinden, lässt sich in der Regel nicht nachvollziehen. Eine Rückverfolgung ist schwierig, denn Tavor ist kein Betäubungsmittel. „Großhändler beziehen Ware von berechtigten und qualifizierten Lieferanten und geben diese an berechtigte und qualifizierte Abnehmer weiter“, so die Pfizer-Sprecherin. Eine Manipulation durch Unbefugte während Lagerung und Transport komme nicht in Frage.
Auch wenn in den Apotheken tagtäglich tausende Packungen kontrolliert werden, erwartet PTA Laura, dass die Hersteller Maßnahmen ergreifen, um das Risiko des Arzneimittelmissbrauchs zu minimieren. Blisterverpackungen seien eine Option, ohne Versiegelung sollten jedenfalls keine Arzneimittel mehr ausgeliefert werden. „Gerade bei solchen Tabletten sollte ein Verschluss dran sein“, so Laura. Die PTA schlägt außerdem vor, die Tabletten vor Abgabe nachzuzählen.
Den aktuellen Fall hat Lauras Apotheke an die Arzneimittelkommission (AMK) gemeldet. In Eschborn werden derzeit mehrere Hinweise auf fehlende Tavor-Tabletten bearbeitet. „Die aktuelle Häufung der Fälle hatten wir zum Anlass genommen, eine Zusammenschau sämtlicher Spontanberichte durchzuführen“, so ein Sprecher. Vorsichtshalber habe man die zuständige Überwachungsbehörde informiert sowie eine Stellungnahme des Herstellers angefordert.
Seit 1993 sei jedoch keine Veränderung von potentiellen Risiken ableitbar. Schätzungen zufolge sind etwa 1,6 Millionen Menschen in Deutschland von Benzodiazepinen abhängig. Wer kein Rezept vom Arzt bekommt, versorgt sich mitunter auf dem Schwarzmarkt.
Ben
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