BfArM: Kein Kreuzchen darf fehlen Alexander Müller, 17.03.2016 09:21 Uhr
Ein vergessenes Kreuz auf dem T-Rezept hat schon so manchen Apotheker vier- bis fünfstellige Beträge gekostet. Doch jetzt hat das Sozialgericht Hannover (SG) entschieden, dass gar nicht alle Kreuze auf den Vordrucken des Bundesinstituts für Arzneimittel (BfArM) zwingend notwendig sind. Die DAK kann gegen das Urteil noch in Berufung gehen – und bekommt indirekt Rückendeckung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Der Arzt hatte in fünf Fällen den teratogenen Wirkstoff Lenalidomid verordnet. Dabei hatte er auf den T-Rezepten jeweils das zweite Kreuz nicht gesetzt, mit dem er bestätigt, dass dem Patienten die Informationsmaterialien zu dem Fertigarzneimittel ausgehändigt wurden. Die DAK hatte retaxiert – insgesamt 37.500 Euro. Der Apotheker klagte und bekam in erster Instanz recht.
Aus Sicht des SG waren die Nullretaxationen unberechtigt. Der Arzt habe auf dem T-Rezept mit dem Kreuz im ersten Feld bestätigt, dass alle Sicherheitsbestimmungen eingehalten wurden. Das Kreuz im dritten Feld gebe Sicherheit darüber, dass das Präparate Revlimid in diesem Fall in-label angewandt wurde. Bei dem zweiten Kreuz handele es sich dagegen um eine doppelte Angabe, „da die Ausgabe von Informationsmaterialien mit der Einhaltung aller Sicherheitsbestimmungen (erstes Kreuz) bereits bestätigt wurde“, so das SG. Das Gericht verweist dabei auch eine Bekanntmachung des BfArM zu T-Rezepten.
Doch die Bonner Behörde will ihre eigenen Ausführungen nicht so verstanden wissen: „Unter keinen Umständen reicht eine ausschließliche Bestätigung im ersten Feld aus“, so ein BfArM-Sprecher auf Nachfrage. Die Bestätigung zur Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen decke zwar allgemein alle sicherheitsrelevanten Bestimmungen ab. Mit dem Kreuz im zweiten Feld werde jedoch festgehalten, dass der Patient nicht nur über alle Sicherheitsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt wurde, sondern ihm auch alle behandlungsrelevanten Informationsmaterialien in schriftlicher Form vorliegen. „Dieser Umstand kann maßgeblich zu einem bestmöglichen Verständnis der Patienten bezüglich der durchzuführenden Behandlungsmaßnahmen beitragen“, so der Sprecher.
In der vom SG zitierten Bekanntmachung des BfArM aus dem Jahr 2008 werden vier Bedingungen genannt, die bei der Abgabe thalidomid- und lenalidomidhaltiger Arzneimittel erfüllt sein müssen. Der Arzt muss demnach auf dem Sonderrezept bestätigen, dass die Sicherheitsmaßnahmen „im Rahmen der Verschreibung und Anwendung“ eingehalten werden sowie den In- oder Off-Label-Use vermerken. Drittens dürfe die Höchstmenge der verordneten Arzneimittel den Bedarf für vier Wochen für Frauen im gebärfähigen Alter, und ansonsten den für zwölf Wochen nicht übersteigen und jedes Rezept müsse innerhalb von sechs Tagen nach Ausstellung eingelöst werden.
Das SG sah sich in der Annahme bestätigt, dass die Aushändigung der Informationsmaterialien nicht zwingend bestätigt werden müsse. Die Broschüren seien ohnehin nur zu Behandlungsbeginn auszuhändigen und nicht bei jeder Folgeverordnung aufs Neue.
Das BfArM stellt auf Anfrage klar, dass es sich nur zu Fragen der Sicherheitsmaßnahmen äußert und nicht zu Retaxationen Stellung nimmt. In der Sache legt sich die Behörde aber fest: Bei der Belieferung eines T-Rezepts müsse der Arzt bestätigt haben, dass dem Patienten medizinische Informationsmaterialien und die aktuelle Gebrauchsinformation des entsprechenden Fertigarzneimittels ausgehändigt wurden. So sehe es die AMVV vor.
Das BfArM unterscheide nicht zwischen Erst- und Folgeverordnung, so der Sprecher. Gemäß AMVV sei allgemein von „Verschreibungen“ die Rede, die die entsprechenden Bestätigungen enthalten müssen. „Auf dem Rezept ist nicht erkennbar, ob es sich um eine Erst- oder Folgeverordnung handelt, weder für die Apotheke noch für das BfArM, das den Rezeptdurchschlag zur Auswertung erhält“, so der Sprecher.
Bei der Bewertung gibt es laut BfArM auch keinen Unterschied, ob das Arzneimittel für einen weiblichen oder männlichen Patienten ausgestellt wurde. „Schwangerschaftsprävention ist auch für männliche Patienten von Relevanz, da sexueller Kontakt von Männern, die Lenalidomid, Pomalidomid oder Thalidomid einnehmen, mit Frauen, die schwanger sind oder schwanger werden könnten, die Gefahren einer Schädigung ungeborenen Lebens bergen“, erklärt der BfArM-Sprecher.
Das SG hatte auch auf die Gesetzesbegründung der AMVV verwiesen. Dort werde auch erklärt, dass die Sicherheitsmaßnahmen nicht einzeln genannt würden. „Hieraus ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber das zweite auf dem T-Rezept zu markierende Kreuz überhaupt nicht vorgesehen hatte“, heißt es in der Urteilsbegründung. In der AMVV sind die „medizinischen Informationsmaterialien und aktuellen Gebrauchsinformationen“ zwar explizit genannt, allerdings hinter dem Wort „insbesondere“ und zusammen mit der Vorgabe, dass „erforderlichenfalls ein Schwangerschafts-Präventionsprogramm durchgeführt wird“.
Die DAK kann gegen die Entscheidung des SG noch in Berufung gehen. Auf Nachfrage teilte die Kasse nur knapp mit: „Die DAK-Gesundheit wird das von Ihnen genannte Urteil des SG Hannover in der üblichen Frist prüfen. Eine öffentliche Bewertung gibt es nicht.“