Apotheken sollen gegen Corona impfen – oder nicht? In Deutschland wurde und wird derzeit wieder darüber diskutiert, welchen Beitrag die Offizin leisten kann, um durch die nächste Coronawelle zu kommen. In Italien ist man da schon einen Schritt weiter: Im nördlichen Landesteil Südtirol impfen die ersten Apotheken seit vergangener Woche gegen Corona.
Auch in Italien kamen die Corona-Impfungen in Apotheken nicht über Nacht. Doch die Impfkampagne wird dort von einem Mann geleitet, der offensichtlich weiß, wie man hart durchgreift: Generalleutnant Francesco Paolo Figliuolo, ehemaliger Logistik-Kommandeur der italienischen Armee und seit März von Premierminister Mario Draghi als außerordentlichen Kommissar für die Umsetzung von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie unter anderem mit der Organisation der Corona-Impfungen betraut.
Der Afghanistan-Veteran wird seiner straffen und konsequenten Organisation wegen mit Lob überhäuft – ihm sei es zu verdanken, dass die italienische Impfkampagne besser laufe als die vieler europäischer Nachbarn. Auch Stephan Peer zeigt sich mit Figliuolos Arbeit zufrieden: „Bei uns ist die Impfkampagne richtig durchgestartet, seit der die Verantwortung trägt. Er hat deutlich weniger Berührungsängste“, sagt er und bezieht das vor allem auf eine bestimmte Initiative des Drei-Sterne-Generals: die Apotheken in die Impfkampagne einzubinden.
Im Mai war die Entscheidung gefallen und daraufhin die Weiterbildung in die Bahnen gelenkt worden: Ähnlich wie in Deutschland besteht die aus einem Theorie- und einem Praxisteil. Ersterer konnte online absolviert werden, der zweite Teil besteht aus einem sechs- bis achtstündigen Praktikum in einem Impfzentrum. „Dort wurden wir in alle Bereiche von Anamnese über Aufbereitung bis Dokumentation eingewiesen und haben am Ende auch Impfungen mit den dortigen Krankenpflegern durchgeführt“, erzählt Peer. „Das Praktikum war etwas zeitaufwendig, aber sehr interessant und gut organisiert. Nach dieser Schulung dürften wir auch formal in einem Impfzentrum arbeiten.“ Er selbst hatte das Praktikum bereits im Frühjahr als einer der ersten Apotheker absolviert.
Vergangene Woche ging es dann in Südtirol los. Die Peer-Apotheke in Lana gehört zu den ersten, die die Immunisierung anbieten und zeigt sich zufrieden: „Es läuft sehr gut. Die Nachfrage ist wirklich riesig, weil die Leute sich lieber schnell hier impfen lassen wollen als den längeren Weg in Impfzentren auf sich zu nehmen“, sagt er. „Wir sind wirklich ganz normal in den Impfbetrieb eingebunden.“
Dabei dürfen die Apotheken Personen ab zwölf Jahren sowohl Erst-, Zweit- als auch Booster-Impfungen verabreichen – allerdings nur Menschen ohne Vorerkrankungen. Impfwillige erhalten einen Anamnesebogen, in dem neben aktuellen Symptomen wie Fieber auch allerlei Allergien und Vorerkrankungen abgefragt werden: Herz-oder Lungenerkrankungen, Asthma, Nierenerkrankungen, Diabetes, Anämie oder andere Bluterkrankungen, Krebs, Leukämie, HIV, Transplantationen und dergleichen weiter. Wer in den in den vergangenen drei Monaten immunsupprimierende Medikamente eingenommen wie Kortison, Prednison oder andere Steroide eingenommen oder sich einer Chemo- beziehungsweise Strahlentherapie unterzogen hat, darf sich genauso wenig in der Apotheke impfen lassen wie Personen, die jemals unter Krampfanfällen, Epilepsie oder neurologische Störungen litten.
„Wir dürfen nur diejenigen impfen, die auf dem Anamnesebogen überall Nein angekreuzt haben“, erklärt Peer. „Das nimmt schon einige große Gruppen heraus.“ Außerdem zählen dazu auch Schwangere, Stillende und Frauen, die planen, im Monat nach der Impfung schwanger zu werden. „Da wollen wir nochmal mit dem Sanitätsdienst sprechen, denn das ist ja nicht mehr aktuell.“ Tatsächlich hatte auch die deutsche Stiko lange von Impfungen von Schwangeren und Frauen mit akutem Kinderwunsch abgeraten, ihre Haltung aber revidiert, nachdem eine ausreichende Datengrundlage die Unbedenklichkeit belegte. In Italien ist das ebenfalls so, muss aber offensichtlich noch in die Regelungen für Impfungen in den Apotheken integriert werden.
Voll in die Impfkampagne eingebunden zu sein, heißt aber auch, sich selbst zu kümmern. „Wir bekommen vom Sanitätsdienst nur den Impfstoff, das Zubehör müssen wir selbst beschaffen.“ Bestellt werden können alle zugelassenen Impfstoffe über ein Onlineportal, allerdings rationiert. „Wir bekommen maximal 60 Dosen pro Woche“, sagt Peer. Warum diese Beschränkung? Das wisse er auch nicht. „Wir haben es einfach ausprobiert und bei der Zahl der Vials immer auf + 1 geklickt, bis Schluss war.“
Ein Nachteil sei, dass die Apotheken immer eine Woche im Voraus ihre Bestellungen abgeben müssen. „Es geht also schlecht, kurzfristig auf eine Änderung der Nachfrage zu reagieren.“ Auch deshalb sei er in der ersten Woche langsam gestartet und habe nur zwölf Impfungen durchgeführt. „Wir wollten erst einmal schauen, wie es mit der Planung des Materials und der Termine funktioniert. Diese Woche starten wir aber schon mit mindestens 36 Impfungen.“
Dabei legt Peer Wert darauf, vernünftig zu planen – also insbesondere, dass kein Impfstoff unbenutzt verfällt. Deshalb vergibt die Peer-Apotheke Impftermine per No-Q, also über dieselbe Software, mit der sie auch Testtermine organisiert. „Wenn das Vial angestochen wurde, bleiben nur sechs Stunden, um es zu verimpfen. Wir haben deshalb auch immer jemanden in der Hinterhand, den wir spontan anrufen können, falls ein Termin kurzfristig ausfällt.“
Außerdem macht es das Verfahren auch vor Ort schneller: Die Impflinge erhalten Einverständniserklärung und Anamnesebogen bereits vorab per E-Mail und können beides in Ruhe zuhause ausfüllen. Auch die italienischen Behörden versuchen das Verfahren möglichst effizient zu gestalten: „Es ist versucht worden, alles zu digitalisieren, die Impfbescheinigungen zum Beispiel“, erklärt Peer. „Es gibt ein Portal der öffentlichen Verwaltung, zu dem ich einen Zugang habe. Da kann ich künftig die Impfungen eintragen.“
Peer zeigt sich überzeugt, dass die Impfungen in den Apotheken einen Unterschied machen werden. „Das Aufheben der Hemmschwelle funktioniert umso besser, je dezentraler die Struktur ist. Und wir private Anbieter kriegen das auch schnell überall hin“, sagt Peer. „Außerdem sind die Reaktionen der Kunden sehr gut. Wir erhalten viel Wertschätzung und sie freuen sich, dass sie nicht extra ins Impfzentrum müssen.“
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