Die Aut-idem-Liste mit derzeit acht Wirkstoffen ist am Mittwoch in Kraft getreten – die Apotheker wurden auf dem falschen Fuß erwischt: Wegen der fehlenden Übergangsfrist herrsche Chaos in den Apotheken, kritisiert Lutz Engelen, Präsident der Apothekerkammer Nordrhein. Weder sei die Software eingestellt, noch hätten die Ärzte informiert werden können. Eine Mitgliedschaft der Apotheker im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) könnte solche Probleme seiner Meinung nach künftig verhindern.
Besonders viel Arbeit bereitet Engelen zufolge Levothyroxin. Bislang seien Patienten in der Apotheke mit Verweis auf pharmazeutische Bedenken meist mit ihrem gewohnten Präparat versorgt worden. Künftig dürfen die Wirkstoffe der Substitutionsausschlussliste jedoch nicht mehr ausgetauscht werden.
Engelen warnt vor den Folgen, wenn Ärzte weiterhin irgendein L-Thyroxin-Präparat verordnen. Apotheker stünden dann vor der Wahl, gegen den Widerstand der Patienten und den eigenen Sachverstand das verordnete Präparat abzugeben, oder das Rezept vom Arzt ändern zu lassen. Der Kammerpräsident kritisiert nicht nur den Arbeitsaufwand für die Apotheker, sondern fürchtet auch drohende Retaxationen.
Der aktuelle Fall gebe Anlass, noch einmal über die Mitgliedschaft der Apotheker im G-BA zu diskutierten so Engelen. Er ist überzeugt, dass Apotheker in dem Gremium zumindest für eine Übergangsregelung gesorgt hätten, die offenbar vergessen wurde. „Inhaltlich ist die Regelung richtig“, betont der Kammerpräsident mit Blick auf die Nicht-Austauschbarkeit von Arzneimitteln. „Das muss aber richtig umgesetzt werden – jetzt ist es Chaos schlechthin.“ Auch Wirkstoffverordnungen gelten jetzt als „unklare Verordnungen“ und müssen zurück in die Arztpraxis.
Zuletzt hatten die Apotheker im Herbst auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) in München über eine Mitgliedschaft im G-BA diskutiert. Die Apothekerkammer Nordrhein und der Hessische Apothekerverband (HAV) hatten ihren Antrag für die Mitgliedschaft schon im Vorfeld abgemildert und wollten immerhin erreichen, dass die ABDA im Vorfeld des nächsten Apothekertags Informationen zu Kosten und Finanzierbarkeit vorlegt. Der Antrag wurde dennoch abgelehnt.
ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz verwies in der Debatte auf die Historie des Antrags: Der Vorschlag, in den G-BA zu kommen, sei erstmals auf dem Apothekertag 2003 diskutiert worden. Man habe die Forderung an den Gesetzgeber herangetragen, der ihn abgelehnt habe. Weitere Anträge seien 2011 in einer ABDA-Mitgliederversammlung abgelehnt, beim Apothekertag 2012 zurückgezogen und beim Apothekertag 2013 abgelehnt worden.
HAV-Vorstandsmitglied Dr. Detlef Weidemann hatte sich dafür ausgesprochen, beim nächsten Apothekertag zu entscheiden und den Kollegen bis dahin die Chance zu geben, Pro und Contra abzuwägen. Die ABDA-Geschäftsführung verwies auf bereits vorgelegte Daten und monierte, Anträge mehrfach bearbeiten zu müssen. Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbands, wandte ein, man nehme sich durch eine Mitgliedschaft im G-BA die Möglichkeit, dessen Entscheidungen zu kritisieren.
Von den acht Wirkstoffen auf der Substitutionsausschlussliste wird das Schilddrüsenhormon L-Thyroxin mit Abstand am häufigsten abgegeben: Im vergangenen Jahr wurden laut Arzneiverordnungsreport fast 1,2 Milliarden Tagesdosen (DDD) verordnet. Auf die Kombination mit Kaliumiodid entfielen 347 Tagesdosen.
Hier kommt als Problem hinzu, dass große Hersteller wie Hexal laut Berichten von Apothekern immer wieder mit Engpässen zu kämpfen haben. Hexal ist mit 280 Millionen DDD bei L-Thyroxin Nummer 2 im Markt. An erster Stelle steht Henning mit 420 Millionen Dosen.
Die anderen Wirkstoffe der Aut-idem-Liste wurden laut Arzneiverordnungsreport deutlich seltener abgegeben: Auf Digitoxin kommen 94 Millionen DDD, auf β-Acetyldigoxin 22 Millionen DDD, Phenytoin 7 Millionen DDD, Ciclosporin 5 Millionen DDD sowie auf Tacrolimus und Digoxin jeweils 2 Millionen DDD.
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