Betriebsergebnis

Pleitegeier über 760 Apotheken Silvia Meixner, 03.08.2017 14:38 Uhr

Berlin - 

Rund der Hälfte der Apotheker geht es richtig gut – aber 10 Prozent der Kollegen darben. Laut einem Gutachten liegt das Betriebsergebnis vor Steuern bei einem Zehntel der deutschen Apotheker bei weniger als 66.000 Euro jährlich. Damit sind die Unternehmen eigentlich nicht rentabel. Im Klartext: Über ihnen schwebt der Pleitegeier.

Die Zahlen belegen: Das viel zitierte Apotheken-Sterben ist nicht traurige Realität, sondern auch die Zukunft. Die Einkommensunterschiede bei den Apothekern sind weitaus gravierender als man auf den ersten Blick meinen könnte. Denn fast der Hälfte geht es richtig gut.

Im Schatten des Pleitegeiers agieren derzeit vor allem Einzelapotheken, die für die flächendeckende Versorgung unverzichtbar sind und für die es im Umkreis von fünf Kilometern keine Alternativ-Apotheke gibt. Bundesweit gibt es laut dem Gutachten 1700 solcher Apotheken. Das Gutachten wurde von der Apothekergenossenschaft Noweda und dem Deutschen Apothekerverlag in Auftrag gegeben.

Von den 1700 Einzelapotheken liegen etwa 760 auf oder unter der kritischen Gewinnschwelle von 66.000 Euro. Eine Apotheke ist laut Gutachten nicht mehr wirtschaftlich zu führen, wenn der Gewinn vor Steuern unter 62.500 Euro liegt. Ein weiterer unerfreulicher Aspekt für die darbenden Apotheken: Wer unter 62.500 Euro rutscht, wird bei Banken bei der Frage nach einem Kredit bestenfalls mit einem Stirnrunzeln bedacht. Laut Gutachten sind diese Unternehmen schlicht nicht mehr kreditwürdig. Die Chance, aus einer vorübergehenden finanziellen Krise mit Hilfe eines Kredits wieder herauszukommen, sinkt damit auf Null.

Die guten Nachrichten: 48 Prozent der Apotheker haben Grund zum Jubeln, mit einem Betriebsergebnis vor Steuern von mehr als 149.000 Euro stehen sie nach Ansicht der Studienautoren „sehr gut“ da. Rund zwei Fünftel der 20.000 deutschen Apotheker freuen sich über ein jährliches Betriebsergebnis zwischen 83.000 und 149.000 Euro.

Finanziell hervorragend geht es jenen rund 300 Apotheken, die Zytostatika herstellen und den 150 Unternehmen, die neben dem klassischen Apothekengeschäft auch einen größeren Versandhandel betreiben. Damit ist man finanziell auf der sicheren Seite. Laut Gutachten haben im vergangenen Jahr 7569 von 20.023 befragten Apotheken 2016 mit 160.000 oder mehr Euro Jahresergebnis vor Steuern abgeschlossen. Die höchsten Ergebnisse wurden dabei nicht detailliert beziffert.

Da die Studie im Vorjahr erstellt wurde, liegt ihr die damals aktuelle Apotheken-Zahl, nämlich 20.023, zugrunde. Mittlerweile ist diese Zahl weiter gesunken, im April 2017 lag sie erstmals seit der Wiedervereinigung unter 20.000. Das historische Tief betrug im Jahr der Wiedereinigung 19.898 Apotheken.

Im Jahr 2016 schlossen bundesweit 226 Apotheken. Wenn der Trend sich fortsetzt, wird für 2017 ein neuer Negativrekord erwartet. Die Zahl der Betriebsstätten geht seit dem Höchststand mit 21.602 Betriebsstätten im Jahr 2008 kontinuierlich zurück: Innerhalb der vergangenen acht Jahre haben netto 1570 Apotheken aufgegeben, das entspricht einem Rückgang um 7,3 Prozent.

Gegenüber dem „Handelsblatt“ sagte die grüne Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche, dass sie die Entscheidung der Bundesregierung, mit dem Arzneimittelstärkungsgesetz die Apothekenhonorare um 110 Millionen Euro zu erhöhen „fast für eine Veruntreuung von Versichertengeldern“ halte. Das werden die 760 von der Pleite bedrohten Apotheker mit Sicherheit anders sehen.

Mit Spannung wird das Ergebnis jener Studie erwartet, die das Bundeswirtschaftsministerium zum Thema Apothekenpreisverordnung in Auftrag gab. Die Studie wird von einem Beirat begleitet, in dem Großhandel, Apotheken, Kassen und Gesundheitsministerium involviert sind. Erstmals soll dabei das Statistische Bundesamt verlässliche Daten zur Wirtschaftlichkeit von Apotheken liefern. Die Ergebnisse der Studie werden erst nach der Bundestagswahl veröffentlicht.