Arzneimittelsicherheit

Das zerteilte Leid

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Berlin -

Teilen, vierteln oder lieber ganz lassen? Ob und wie Tabletten geteilt werden können, ist in der Praxis nicht immer leicht zu sagen. Eine Pflicht für die Hersteller, entsprechende Informationen in der Fachinformation zu veröffentlichen, gebe es nicht, kritisiert Professor Dr. Klaus Langer, Direktor des Instituts für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie an der Universität Münster. Aus seiner Sicht werden viele Tabletten geteilt, die gar nicht geteilt werden dürften.

Langer kritisiert, dass oft nicht zwischen den verschiedenen Formen der Teilbarkeit unterschieden wird: Einige Tabletten könnten zur Dosisanpassung geteilt und geviertelt werden. In diesem Fall muss die Eignung der Bruchkerbe bereits bei der Entwicklung des Produktes untersucht werden. In diesem Fall ist in der Fachinformation ein entsprechender Hinweis zu finden, dass die Arzneiform in gleiche Dosen teilbar ist.

Anders sieht es aus, wenn die Teilung nur die Einnahme erleichtern soll. In diesem Fall müssen die Hersteller nicht nachweisen, dass die Teile gleichförmig sind. Diese Tabletten dürfen aus Sicht von Langer nicht zur Dosisanpassung geteilt werden, weil dies mit erheblichen Risiken und Unwägbarkeiten verbunden ist.

Bei einer Retardierung oder Magensaftresistenz führe die Teilung unweigerlich zum Verlust dieser Funktion, bei Schutzüberzügen werde die Arzneistoffqualität beeinflusst. Eine toxikologische Gefährdung sieht Langer bei Wirkstoffen aus dem Bereich der CMR-Substanzen (cancerogen/mutagen/reproduktionstoxisch). Solche Tabletten sowie Präparate ohne Bruchkerbe oder auf Basis osmotischer Systeme dürfen Langer zufolge aus technologischer Sicht nicht geteilt werden.

In der Praxis wird das jedoch oft nicht beachtet: Langer untersuchte gemeinsam mit der Amtsapothekerin Dr. Ute Stapel aus Hamm die Medikation von 1725 Bewohnern in 23 Alten- und Pflegeheimen. Demnach werden täglich mehr als 1300 Tabletten beziehungsweise 267 Arzneimittel geteilt. 154 Arzneimittel – 58 Prozent – gibt es in passender Stärke im Handel, die übrigen Medikamente müssen zur Dosisanpassung geteilt werden. 11 Prozent der geteilten Arzneimittel hätten laut Fachinformation und Gelber Liste nicht geteilt werden dürfen.

Als eine Ursache vermuteten Langer und Stapel, dass das Personal die Hinweise zur Teilbarkeit falsch verstanden habe. Die Erfahrung zeige, dass konkrete Angaben dazu in den Fachinformationen oftmals fehlten, so Langer. In einigen Fällen ließe sich die Teilbarkeit nur indirekt ableiten, etwa weil bei einer ein- und ausschleichenden Dosierung eine halbe oder eine dreiviertel Tablette empfohlen werde.

Langer untersuchte in einer zweiten Studie mit Pharmaziestudenten acht Arzneimittel, die in vier Stücke geteilt werden können, auf ihre Teilbarkeit: Madopar von Roche, Bromazepam 6 von 1A, Doxepin von Aliud, Metoprolol Stada, Haldol von Janssen-Cilag, Lamotrigin Desitin quadro, Prednison von Galenpharma und HCT Stada.

Jeweils 30 Tabletten wurden entweder durch pharmazeutisches Personal nach dem Europäischen Arzneibuch geteilt – also gebrochen – oder mit einem Tablettenteiler oder einem Küchenmesser geviertelt. Schließlich wurden die Tabletten auch Laien gegeben, die sie nach ihren eigenen Vorstellungen teilen sollten.

Bei ihrer Untersuchung gingen die Wissenschaftler davon aus, dass die einzelnen Tablettenstücke bis zu 15 Prozent vom Durchschnittsgewicht abweichen dürfen, unter 30 Teilungen war eine Ausnahme erlaubt. Sechs Präparate erfüllten diese Anforderung, wenn sie durch eine sachkundige Person gebrochen wurden. Bei Prednison und HCT waren die Abweichungen größer.

Bei den anderen Teilmethoden fielen mehr Tabletten durch den Test. Am besten schnitt die Teilung mit dem Küchenmesser ab. Langer betont aber, dass diese Methode kritisch hinterfragt werden sollte, da jeder Patient eine andere Technik anwende und die Wahl des Messers einen großen Einfluss habe.

Im Vergleich zu ungeteilten Arzneiformen gibt es deutlich größere Abweichungen bei der Dosierung: Während bei Bruchstücken Abweichungen von bis zu 15 Prozent erlaubt sind, werden bei einzeldosierten Arzneiformen üblicherweise nur Abweichungen von 5 bis 10 Prozent toleriert. Unter diesem strengeren Maßstab bestanden nur vier Präparate (Bromazepam 6, Doxepin, Metoprolol und Lamotrigin) den Test – wenn sie von Fachpersonal geteilt wurden. Bei den anderen Methoden sah es schlechter aus.

Die Fertigarzneimittel, die für eine Teilung zur Dosisanpassung zugelassen sind, erfüllen der Studie zufolge weitgehend die Anforderungen des Arzneibuchs zur Gleichförmigkeit. Langer kritisiert jedoch, dass diese Anforderungen deutlich hinter den Prüfanforderungen ungeteilter Tabletten liegen.

Tabletten zur Dosisanpassung sollten nur geteilt werden, wenn sie dafür zugelassen seien und in der Packungsbeilage eine entsprechende Information vorliege, betont Langer. Sinnvoll wäre aus seiner Sicht eine gesetzliche Vorgabe, die Hersteller dazu zwingt, Angaben zur Teilbarkeit zu machen.

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