Dr. Bernhard Bellinger zur Maskenabgabe

„Strichlisten sind aufbewahrungspflichtig“

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Berlin -

Eingekaufte Masken kostenlos abgeben und das irgendwie mit dem Zuschuss aus dem Nacht- und Notdienstfonds (NNF) verrechnen – auch buchhalterisch stellt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Apotheken vor Herausforderungen. Steuerberater Dr. Bernhard Bellinger erklärt im Interview mit APOTHEKE ADHOC, worauf die Apotheken achten sollten und warum jede Strichliste Datum und Unterschrift benötigt.

ADHOC: Wie sollen die Apotheken die Maskenabgabe im Warenwirtschaftssystem verbuchen?
BELLINGER: Es gibt das Gerücht, es bestünde überhaupt keine Dokumentationspflicht für die abgegebenen Masken. Das stimmt leider nicht. Man muss unterscheiden zwischen der Dokumentationspflicht für den Erhalt der Zahlungen aus dem NNF. Da gibt es in der Tat für Abgaben nur bis zum 31.12.2020 keine Dokumentationspflicht, weil der Zahlbetrag sich ja an der Anzahl der Packungen verschreibungspflichtiger Fertigarzneimittel zur Anwendung bei Menschen des III. Quartals 2020 orientiert (§ 7 Abs. der VO). Ganz anders sieht es im Steuerrecht aus.

ADHOC: Welche Dokumentationspflicht habe die Apotheken?
BELLINGER: Es geht damit los, dass der Wareneingang für die Masken zwingend im Warenwirtschaftssystem zu dokumentieren ist. Das ist noch verschmerzbar. Das sollte auch keiner auf die leichte Schulter nehmen. Wer eine permanente Inventur in seinem WWS durchführt und auch nur einen einzigen Artikel pro Jahr abgibt, ohne vorher den Wareneingang im WWS einzupflegen, für den scheidet permanente Inventur für das betroffene Wirtschaftsjahr aus. Der Prüfer darf die komplette Inventur verwerfen, wenn nicht der komplette Wareneingang im WWS eingepflegt wurde.

ADHOC: Und die Abgabe an Kunden?
BELLINGER: Die Abgabe eines gegen Entgelt bezogenen Artikels durch eine Apotheke ist ein Geschäftsvorfall, der einzeln (!) aufzeichnungspflichtig ist nach § 146 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung. Hinzu kommt Bonpflicht, obwohl der Zahlbetrag 0,00 Euro ist. Steuerrechtlich ist das absolut eindeutig. Die KassensicherungsVO macht nämlich mit der Bonpflicht bei der Abgabe keinen Unterschied, ob ein Entgelt gezahlt wird oder nicht. Nach der reinen Steuerlehre müsste der Apotheker also pro Patient einen Kassenvorgang erzeugen und dem Patienten mit den Masken gleichzeitig den Bon aushändigen, sofern der Patient nicht auf die Mitnahme des Bons verzichtet. Rein praktisch lässt sich das definitiv nicht umsetzen ab einer Apotheke der Größenklasse von spätestens rund 1,2 Millionen Euro Jahresumsatz.

ADHOC: Was empfehlen Sie?
BELLINGER: Zwingend und alternativlos ist das Einpflegen der eingekauften Masken in das Warenwirtschaftssystem. Wenn ich danach bei der Abgabe der Masken das nicht praktisch kann, was ich steuerrechtlich müsste, muss ich vorsorglich einen Weg wählen, der mich bei einer Betriebsprüfung möglichst unangreifbar macht. Wenn man jetzt bedenkt, dass die Verletzung der Bonpflicht keiner gesetzlichen Sanktion unterliegt, bleibt praktisch nur, Strichlisten zu führen, die Masken ohne Bon abzugeben und dann abends nach Schließung der Apotheke im Warenwirtschaftssystem die Anzahl der abgegebenen Masken mit einer einzigen Buchung aus dem Warenwirtschaftssystem auszupflegen.

ADHOC: Eine Strichliste reicht aus?
BELLINGER: Die Strichlisten sind aufbewahrungspflichtig und müssen (!) wie bei einer Inventur erkennen lassen, von wem die Striche sind. Also pro Blatt Strichliste eine lesbare Unterschrift und Datum. Alle Blätter mit Strichlisten müssen aufbewahrt werden. Am besten legt man dafür einfach einen Leitzordner an und schreibt auf die Rückseite „Corona-Masken/12/2020“.

ADHOC: Und die Umsetzung im Warenwirtschaftssystem?
BELLINGER: Am besten legt man einen Kunden an, zum Beispiel „Kunde: Corona-Maske-kostenfrei“. Wenn das System es zulässt, gibt man dort als Rabattkondition 100 Prozent an. Pflegt man jetzt die Abgabe der Masken bei diesem „Kunden“ ein, generiert das Warenwirtschaftssystem keine steuerpflichtigen Erlöse, was auch richtig ist. Die Variante wäre, dass man in einem ersten Schritt den Warenabgang zum VK von 6,00 € auslöst und in einem zweiten Schritt den Gesamtbetrag als uneinbringliche Forderung ausbucht. Dann passen in der Summe die Angaben auf dem Tagesabschlussbon und es wird keine Steuer ausgelöst, wie es richtig ist.

ADHOC: Ist das steuerrechtlich ein sicherer Weg?
BELLINGER: Nein. Der steuerrechtlich vorgeschriebene Weg ist aber in der Praxis definitiv nicht durchzuführen. Der Gesetzgeber instrumentalisiert die Apotheker als distributives Helferlein und vergisst, dass die im Kontext nach dem Steuerrecht zu erfüllenden Aufzeichnungspflichten bei der Abgabe im Dezember 2020 unmöglich zu erfüllen sind. Deswegen wird man später Augenmaß von den Betriebsprüfern verlangen müssen. Ich hatte dazu gestern ein Telefonat mit der Oberfinanzdirektion NRW, wo ich um eine Aufzeichnungsvereinfachung gebeten habe. Das ist für die Finanzverwaltung in einer solchen Geschwindigkeit aber nicht machbar, zumal Aufzeichnungserleichterungen (Eingriff in die Abgabenordnung) in die Zuständigkeit des Bundes fallen, wo bei solchen Entscheidungen die 100-Meter-Zeit mit der Sonnenuhr gestoppt werden kann. Gleichwohl müssen sich die Apotheker ja irgendwie helfen. Und dann ist nur noch die Frage, welches Vorgehen hat das kleinste Risiko? Dahin geht meine Skizzierung des Buchungsweges.

 

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