Kempten

Die Zehn: Graffiti und Ghetto-Slang

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Berlin -

Kempten im Allgäu ist kein einfaches Pflaster für Apotheken. Die Kleinstadt verfügt über ganze 13 Apotheken; unter den Konkurrenten ist eine der bekanntesten und größten Apotheken Deutschlands: die Bahnhof-Apotheke. Nur 280 Meter von ihr liegt die ehemalige Apotheke Nr. 10, die Michael Bentz seit Juni führt. Der Pharmazeut will sich mit einem jungen, urbanen Image gegen die Konkurrenz behaupten.

Eine klassische Apotheke, die gesittet und altehrwürdig daherkommt, kam für den Jungapotheker nicht in Frage. „Eine weitere Apotheke von der Sorte braucht hier niemand“, sagt er. Denn die allermeisten Apotheken in Kempten seien eher im Premiumbereich angesiedelt. Deshalb will Bentz einen anderen Weg gehen. „Die junge, urbane Apotheke, die sich durch Individualität von anderen Apotheken und Geschäften in der Kemptner Fußgängerzone abhebt“, beschreibt der junge Apotheker die Neuausrichtung der Apotheke.

Bentz besitzt bereits zwei Apotheken in Randlagen von Kempten: die Alpin Apotheke am Klinikum und die Rottach Apotheke. Beide befinden sich in einem Ärztehaus. „Naturgemäß machen wir den größten Umsatz dort im Rx-Bereich“, erläutert er. „Ich wollte mich einfach etwas breiter aufstellen und mit einem Standort in der Fußgängerzone mit hoher Frequenz etwas Neues ausprobieren.“

Als die Vorbesitzerin der „Apotheke Nr. 10“ in Rente gegangen sei, habe er die Gelegenheit ergriffen, erzählt Bentz. Und das, obwohl der Umsatz seinen Angaben nach zuletzt „extrem niedrig“ gewesen sei. Die Vorbesitzerin habe sehr viel Pech mit Personal gehabt und den Laden zum Schluss allein geschmissen. Daneben sei das Warenlager der Apotheke extrem klein gewesen. Auch habe es kein stimmiges Gesamtkonzept gegebenen. „Außer Aktionen von Linda ist da marketingtechnisch schon lange nichts mehr gemacht worden“, erläutert Bentz, der für die strategische Neuausrichtung der Apotheke mit einer Marketingagentur zusammenarbeitet.

Nach dem Umbau prägt nun eine moderne Gestaltung, in Grundzügen angelehnt an Industriedesign-Optik, den Innen- und Außenbereich der Apotheke. „Nachdem die Apotheke jetzt nicht mehr zur Linda-Gruppe gehört, haben wir unsere Gestaltungsfreiheit genutzt“, erläutert der Apotheker. „Statt jedoch die alte Einrichtung einfach zu entsorgen, haben wir sie neu gestaltet, um die Umbaukosten gering zu halten.“

So wurden die roten Freiwahl-Regale im Eingangsbereich mit Plakaten mit Werbebotschaften abgedeckt. Manche Regale wurden mit einer Folie in Betonoptik abgeklebt. Passend dazu wurden von einem jungen Kemptener Industriedesigner Displays aus Rohstahl sowie Multiplexwannen angefertigt. Auch die Fassade des Gebäudes hat einen neuen Anstrich erhalten. Spezielle sogenannte „TAG-Graffitis“ kommen wiederkehrend auch im Innenraum als Regal-Überschriften zum Einsatz.

Auch der Name der Apotheke wurde abgewandelt. „Da sie im täglichen Sprachgebrauch sowieso 'Die Zehn' genannt wird, haben wir den Namen aus Markteinggründen modifiziert“, erläutert er. Statt „Apotheke Nr. 10“ heißt sie nun „Die Zehn – Die Apo in der Fuzo“. Auch der Namenszusatz soll eine Anlehnung an Jugendsprache sein und modern wirken. „Apo in der Fuzo klingt nicht so altbacken wie 'Ihre Apotheke in der Fußgängerzone'“, meint der Pharmazeut. Die gesamte Umgestaltung hat nach Angaben von Bentz gerade einmal 3000 Euro gekostet.

Trotz der vergleichsweise kleinen Offizin will der Apotheker ein großes Sortiment an Medikamenten anbieten können. „Dank des Austauschs mit der Alpin Apotheke und der Rottach Apotheke, bietet 'Die Zehn' das volle Sortiment innerhalb kürzester Zeit“, erklärt Benzt. „Für alle, die nicht warten möchten oder nicht selbst vorbei kommen können, gibt es den Botendienst.“

Der Fokus der neuen Apotheke soll auf OTC-Arzneimitteln, hier vor allem auf den sogenannten Schnelldrehern, liegen. „Die geplanten Marketingaktionen werden entsprechend an dieser Strategie ausgerichtet sein“, sagt der Apotheker. Welche Maßnahmen es sind, will er noch nicht verraten. „Wir befinden uns noch in der Abstimmung. Es geht nach den Sommerferien Mitte September los“, kündigt er an. Bereits jetzt geben die Plakate, die vor den ehemaligen Freiwahl-Regalen hängen, die Marschrichtung vor. Darauf werden Arzneimittel gegen akute kleine Wehwehchen, wie Husten und Schnupfen, beworben.

Während viele Apotheker möglichst umfangreiches Freiwahlangebot in ihren Apotheken präsentieren wollen, setzt Bentz auf Zurückhaltung. „Je mehr der Kunde sieht, desto weniger nimmt er wahr“, erläutert er seine Philosophie, die dem Prinzip „Weniger ist mehr“ folgt. „Deshalb haben wir auch die Freiwahlregale im Eingangsbereich mit Großplakaten abgehängt.“ Auch Kosmetikprodukte sollen eine untergeordnete Rolle spielen. Bentz will sich auf lediglich zwei Kosmetiklinien konzentrieren.

„Natürlich bin ich mit dem Kauf ein Risiko eingegangen“, gibt Bentz unumwunden zu. Eine Apotheke in der Innenstadtlage sei auch für ihn, der bisher zwei klassische Apotheken führte, ein neues Terrain. Das Ganze sei eben ein Experiment, bei dem er und sein Team noch viel lernen und herausfinden müssten, was am besten funktioniere.

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