Straßensperrung: Trostlosigkeit vor Apotheke Carolin Ciulli, 01.10.2019 14:28 Uhr
Seit einem Monat fehlt in der Kaiser- und Elefanten-Apotheke in Hamburg ein Großteil der Laufkundschaft. Grund ist eine Vollsperrung der Straße vor der Tür für sechs Monate wegen eines Modellprojekts. Die Auswirkungen seien deutlich, sagt Apothekerin Anette Kaiser-Villnow. Blieben die Kunden erst einmal weg, seien sie wahrscheinlich nicht mehr zurückzuholen.
Vor der Apotheke von Kaiser-Villnow wurde Anfang September eine autofreie Zone eingerichtet. Mehrere Straßenabschnitte im Hamburger Stadtteil Ottensen dürfen nicht mehr befahren werden. Nur noch Anwohner oder Händler mit Ausnahmegenehmigung kommen rein. Dazu benötigt man einen Parkplatz im Hinterhof oder einen privaten Stellplatz. Die übrigen Anwohner oder Geschäftsleute sowie Besucher und Kunden müssen zu Fuß gehen.
Die leere Straße vor der Apotheke verschreckt die Kundschaft: „Eine Kundin sagte, hier sehe es trostlos aus“, so Kaiser-Villnow. „Ich finde auch, es ist weniger Frequenz.“ In ihren Geschäftsbüchern ist die Vollsperrung noch nicht angekommen. Am Wochenende werde das Konzept der Stadt, die Straßen für die Bürger attraktiver zu machen, angenommen. Unter der Woche herrsche „Totentanz“. Die Anwohner seien berufstätig und hätten keine Zeit auf der Straße zu Picknicken oder Yoga zu machen.
Die Stimmung in der Nachbarschaft habe sich in den vergangenen vier Wochen deutlich verschlechtert. Angesiedelt sind unter anderem ein Blumen-, Handy- und Haushaltsladen, eine Fahrschule, ein Restaurant und eine Physiotherapiepraxis. „Viele spüren weniger Anmeldungen, bekommen Absagen und einer musste sogar schon einen Mitarbeiter entlassen. Das ist schrecklich“, so Kaiser-Villnow.
Die Apothekerin blickt mit Sorge auf die nächsten Monate: „Jetzt beginnt ja erst die dunkle Jahreszeit“, sagt sie. Dann sei die Gegend gruselig und nicht mehr einladend. Bei schlechtem Wetter wie momentan sei gar nichts los. Bei gutem Wetter nutzten Fahrradfahrer die Straßen als Rennstrecke. Fahrzeuge mit Ausnahmegenehmigung würden oftmals von Fußgängern angegangen, die sich als „Hilfssheriffs“ fühlten, sagt Kaiser-Villnow, die selbst mit ihrem Auto noch bis zum Parkplatz im Hinterhof fahren darf.
Die Apothekerin und weitere Händler haben eine Initiative gegründet. Sie fühlen sich von der Politik allein gelassen. Eigentlich hieß es, dass es für die Gewerbetreibenden nicht zu Einbußen kommen dürfe. Doch bisher gebe es keinerlei Evaluationskriterien. Zudem funktioniere die Kommunikation mit dem Bezirksamt nicht zufriedenstellend. „Wir haben das Gefühl, die halten uns hin. Deshalb werden wir selbst aktiv.“ Zwei Unterstützer wollen sogar gegen das Verbot klagen.
In den vergangenen Wochen gab es aber auch gute Nachrichten: Das anfangs ausgesprochene Taxi-Verbot wurde gestrichen und die Lieferanten-Zeit zwischen 23 und 11 Uhr gelockert. Ein kurzes Be- und Entladen durch die Großhändler ist jetzt erlaubt. Darüber sind die Apotheken erleichtert. Der gesperrte Bereich umfasst mehrere hundert Meter in Abschnitten der Bahrenfelder Straße, der Ottenser Hauptstraße und der Großen Rainstraße. Der Stadt zufolge gibt es auch eine Option, das Gebiet zu erweitern.