Apotheker Peter Ricken betreibt im Ruhrgebiet schon drei Apotheken. Jetzt möchte er seinen Filialverbund vergrößern und sucht dafür Investoren. Er bietet „festverzinsliche Darlehen“ und sogar „gewinnorientierte Kapitalanlagen als stille Beteiligungen“. Insgesamt will der Apotheker auf diese Weise 1,5 Millionen Euro einsammeln.
Zum Filialverbund gehören die Apotheke in der Rathaus-Galerie und die Apotheke im Hauptbahnhof in Essen sowie die Apotheke in der Rathaus-Galerie in Hagen. Jetzt soll der Verbund um eine Apotheke am evangelischen Krankenhaus in Mülheim erweitert werden. Der Campus soll bis November um vier Praxen (Onkologe, Radiologe, Gynäkologe und Hausarzt) sowie eine Physiotherapie und ein Sanitätshaus erweitert werden. Hier soll auch die Apotheke einziehen.
Die Neueröffnung an sich ist nichts besonders, stutzig macht die angestrebte Finanzierung. Die Investoren beteiligen sich laut Prospekt nämlich an der „Apotheke Rathaus Galerie Peter Ricken e.K.“ und damit „unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg einer seit vielen Jahren ertragreichen Pharmaziegruppe“. Das eingeworbene Kapital soll vor allem in die Einrichtung des neuen Ladenlokals und den Aufbau des Warenlagers genutzt werden.
Die neue Filiale im Mülheimer Krankenhaus wird als etablierter Standort mit überdurchschnittlichem Kundenpotenzial in einem „ungesättigten Markt“ beschrieben, der vom Skaleneffekt im Verbund profitieren könne. Die „vorteilhaften Startbedingungen“ in Kombination mit einer „erfahrenen Filialleitung und Stammbelegschaft“ versprechen laut Prospekt eine „rasche Marktdurchdringung und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung“. Ricken rechnet mit einem Umsatz von 1,6 Millionen Euro, in den beiden Folgejahren mit 2,5 Millionen Euro, unter anderem wegen des neuen Ärztehauses. „Auch Investoren können davon profitieren.“
Kapitalgeber können sich an dem weiteren Erfolg der Apothekengruppe „gewinnorientiert oder mit Festverzinsung“ beteiligen. Versprochen werden „beste Renditeaussichten“: Demographischer Wandel und ein zunehmend komplexer Gesundheitsmarkt steigerten den Beratungsbedarf und die Wachstumsaussichten für Apotheken.
„Performante Eingliederungen früherer Filialgründungen schließen Startschwierigkeiten der Apotheke am Evangelischen Krankenhaus weitgehend aus.“ Stattdessen profitiere der Standort sofort von Skaleneffekten im Verbund. Und: „Bewährte Controlling-Instrumente überwachen laufend die Geschäftsentwicklung und minimieren das Anlagerisiko für Investoren.“
Genussrechte
Bis zu 20 Investoren soll über Genussrechte eine „renditeorientierte, unmittelbare Unternehmensbeteiligung in Form von stillem Gesellschaftskapital“ ermöglicht werden. Ab 10.000 Euro ist man als Anleger dabei. Mitspracherechte sind ausgeschlossen, versprochen wird aber eine „Teilnahme am Gewinn und Verlust der Emittentin“. Es gibt eine Grunddividende von 5,5 Prozent. Zusätzlich wird eine Überschussdividende in Aussicht gestellt: 15 Prozent des Jahresüberschusses sollen anteilig an die Investoren verteilt werden. „Alle Dividenden- und Bonuszahlungen stehen unter dem Vorbehalt ausreichender Jahresüberschüsse.“ Der Einstieg kostet 5 Prozent der Zeichnungssumme, die Laufzeit beträgt sieben Jahre, wobei mit einer Frist von zwei Jahren zum Ende des Geschäftsjahres gekündigt werden kann. Die Rückzahlung erfolgt zum Buchwert.
Stille Beteiligung
Zusätzlich werden 20 stille Gesellschaftsbeteiligungen angeboten. Hier beträgt die Mindestzeichnung 20.000 Euro, die Laufzeit beträgt mindestens fünf volle Jahre. Die Bedingungen sind analog zum Genussrechtsmodell, die Grunddividende liegt allerdings bei 6,5 Prozent.
Anleihekapital als Namensschuldverschreibung
Ohne Gewinnbeteiligung funktioniert die angebotene vinkulierte Namens-Schuldverschreibung. Auch hier soll 20 Interessenten mit mindestens 10.000 Euro der Einstieg ermöglicht werden, das gesamte Emissionsvolumen beträgt ebenfalls bei 1,5 Millionen Euro. Die Festverzinsung für die Anleihe liegt bei 5 Prozent, die Laufzeit bei fünf Jahren. Emissionskosten fallen nicht an, Anlaufverluste werden ausgeschlossen. Die Rückzahlung erfolgt zum Nominalpreis.
Grundbuchbesichertes Darlehen
Wer es sicherer mag, kann mit einem Darlehen über mindestens 50.000 Euro einsteigen, das mit 3,5 Prozent verzinst ist und durch Eintragung im Grundbuch besichert ist. Die Laufzeit beträgt sieben Jahre, auch hier gibt es weder Agio noch Anlaufverluste.
Nachrangdarlehenskapital
Noch einmal 20 Investoren wird ein Nachrangdarlehen als Einmalanlage ab 5000 Euro angeboten. Je nach Laufzeit und Beteiligungshöhe ist ein Zins von bis zu 4,5 Prozent vorgesehen. Die Mindestlaufzeit beträgt fünf volle Jahre.
Betreut wird das Projekt vom Finanzberater Dr. Horst Werner aus Göttingen. Nachdem Ricken auf ihn zugekommen sei, habe man die Gruppe „an den Beteiligungsmarkt gebracht“. Es gehe um die vierte Apotheke und weitere Investments, für die der Apotheker zusätzliches Kapital benötige. Auch wenn das Modell für ihn selbst eine Premiere im Apothekenmarkt sei, sei diese Art der Finanzierung nichts Ungewöhnliches, sagt Werner, der von Hause aus Jurist ist. Stille Beteiligungen gebe es seit Jahrhunderten; gerade in der heutigen Niedrigzinsphase seien solche Anlagen eine interessante Alternative. Umgekehrt wolle sich nicht jeder Unternehmer sein Geld ausschließlich bei der Bank besorgen. Zu seinen Plänen und zur Resonanz könne aber nur Ricken Auskunft geben. Der Apotheker war für Nachfragen bislang nicht zu erreichen.
Die zuständige Amtsapothekerin kündigte auf Nachfrage an, sich mit dem Fall näher befassen zu wollen. Denn apothekenrechtlich ist das Ansinnen des Apothekers zumindest fragwürdig. So müssen Apotheker eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass sie keine Vereinbarungen getroffen haben, die unter anderem gegen § 8 Satz 2 des Apothekengesetzes (ApoG) verstoßen. Und darin heißt es wörtlich: „Beteiligungen an einer Apotheke in Form einer Stillen Gesellschaft und Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für dem Erlaubnisinhaber gewährte Darlehen oder sonst überlassene Vermögenswerte am Umsatz oder am Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, insbesondere auch am Umsatz oder Gewinn ausgerichtete Mietverträge sind unzulässig.“ Die Aufsichtsbehörde will auch die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) zu Rate ziehen.
Die Apotheke Rathaus Galerie wurde 1978 – damals noch als Apotheke im City Center – von Apotheker Dr. Klaus Ricken gegründet. Sein Sohn vergrößerte den Betrieb 2011 um die erste Filialapotheke im Hauptbahnhof in Essen, 2014 kam die Filiale in Hagen dazu. Ricken ist außerdem im Vorstand des Apothekerverband Essen/Mülheim/Oberhausen, einem von acht Bezirksverbänden im Apothekerverband Nordrhein (AVNR).
Zum Leistungsangebot der Gruppe gehören neben den Apotheken mit Kernkompetenz in den „klassischen Beratungsschwerpunkten“ außerdem ein „Concierge-Service“, in dem „B2B-Tätigkeiten und -Services“ für Unternehmen zusammengefasst sind sowie die hauseigene Hausmarke Kara mit Kosmetik, Mineralstoffen und Vitaminsupplements.
„Mit steigendem Gesundheitsbewusstsein wachsen auch die Chancen am Apothekenmarkt“, werden die Vorteile für Investoren einem Prospekt angepriesen. Und weiter: „Eine Vielzahl renditestarker Beteiligungsmodelle erlaubt Investoren, ihr Engagement exakt auf die individuelle Anlagestrategie abzustimmen.“ Fazit: „Die moderne Beratungs- und Service-Apotheke dient Kunden und Investoren.“
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