Im März treten mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG) neue Qualitätsstandards für aufsaugende Hilfsmittel in Kraft. Zuvor hat die Stiftung Warentest in einem Test nochmals 19 Produkte untersucht, die das Leben für Inkontinenzpatienten erleichtern sollen. Viele Windeln, Pants und Vorlagen fallen im Test durch. Schlecht schneiden im Test vor allem Produkte ab, die ab März dann gar nicht mehr für die Versorgung zugelassen sind.
Neun Millionen Deutsche leiden in Deutschland unter Inkontinenz, schreibt die Stiftung Warentest. In Deutschland sei etwa jeder Zehnte von Inkontinenz betroffen, Frauen häufiger als Männer, unter den 60- bis 79-Jährigen bis zu 40 Prozent, Tendenz: steigend. Viele Patienten beklagten, dass sie von ihrer Krankenkasse teils mit unzureichenden Produkten versorgt würden.
„Knisternde Vorlagen oder unzuverlässige Windelslips müssen aber nicht sein“, sagt die Stiftung Warentest, die 19 Produkte im Labor und mit knapp 200 Probanden im Praxistest geprüft hat. Es gebe auch gute aufsaugende Hilfsmittel. Die seien aber die oft teureren. Patienten könnten jedoch diese Produkte bei der Kasse verrechnen lassen.
„Manche Inkontinenzprodukte sorgen für peinliche Erlebnisse wie Geraschel oder Nässegefühl“, so Stiftung Warentest. Mit der Note 2,1 schnitten die Produkte der Markenhersteller Hartmann und SCA (Tena) besser ab. Diese sind laut Stiftung Warentest „zuverlässig und diskret, aber teurer als die Testverlierer“. Gesetzlich Versicherten würden oft nur günstige Produkte erstattet. Wer unzufrieden sei, sollte mit seiner Kasse oder dem Versorger verhandeln, so Stiftung Warentest. Ausgerechnet die beste Produktgruppe im Test – Einmalhosen, Pants genannt – würde von den Kassen in der Regel nicht erstattet.
Die 19 getesteten Produkte sind als Hilfsmittel für mittlere Harninkontinenz eingestuft und sollen 600 bis 750 Milliliter Urin aufnehmen können. Damit erfüllen sie die Mindestanforderungen. Ausgewählt wurden elf Produkte von Herstellern mit „hoher Marktbedeutung“ sowie acht Vertragspartner großer Kassen wie der TK, der Barmer oder der AOK Bayern.
Das Testergebnis ist laut Stiftung Warentest eindeutig: Am zuverlässigsten sind die Produkte von Hartmann und Tena, weil sie komfortabel und trocken seien. Günstige und gute Mittel sind demnach auch die Vorlagen und Pants von Seni. Auch Windeln und Vorlagen schneiden beim Test insgesamt nur ausreichend ab – fünf davon sind deutlich billiger als der Durchschnitt, vor allem die Produkte von Nona und Unizell. „Diese fünf halten nicht dicht und trocken. Sie laufen häufig aus, geben Harn wieder an die Haut ab.“
Für gesetzlich Versicherte bedeutet dies laut Stiftung Warentest: „Sie bleiben häufig auf der Strecke.“ Laut Konrad Giersdorf, Projektleiter bei Stiftung Warentest, erfüllen die schlecht bewerteten Produkte das „neue Kriterium für Rücknässung nicht“. Der Test offenbarte zudem weitere Mängel: Windeln knisterten beim Laufen oder rissen beim Wiederverschließen ein.
Karl-Josef Laumann, als Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium für Hilfsprodukte zuständig, wundert das Testergebnis nicht: Gerade bei Inkontinenzmitteln habe ich viele Beschwerden von Versicherten erhalten“, zitiert ihn Stiftung Warentest. Höherer Qualitätsanforderungen an Inkontinenzprodukte und die gesunkenen Pauschalen der Kassen passten nicht zusammen.
Am 16. Februar erst hatte der Bundestag neue Qualitätsstandards für Hilfsmittel wie Windeln, Kompressionsstrümpfe, Schuheinlagen, Prothesen, Hörgeräte oder Rollstühle beschlossen. Zudem soll Therapeuten bei medizinischen Behandlungen wie Krankengymnastik oder Massagen sowie bei der Behandlung von Sprech- und Sprachstörungen mehr Verantwortung übertragen werden.
Viele Menschen in Deutschland sind nach einem Unfall oder einem Schlaganfall auf Gehhilfen oder auf Krankengymnastik und Motorikübungen angewiesen. Diese Hilfen sind bisher nicht immer auf dem aktuellen Stand gewesen. Anlass für die Neuregelungen waren häufige Klagen darüber, dass die Krankenkassen aus Kostengründen schlechte Qualität bei Windeln für Patienten mit Blasenschwäche anboten.
Die Qualität der Hilfsmittelversorgung werde sich dank des Beschlusses ansatzweise verbessern, so der Deutsche Apothekerverband (DAV) zur Verabschiedung des Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetzes (HHVG) im Bundestag. Das Gesetz erhöhe den Stellenwert von Qualitätskriterien bei Ausschreibungen und festige die sozialrechtliche Einordnung von Verbandmitteln, führe aber auch eine neuartige Überwachung der Präqualifizierungsstellen sowie erweiterte Dokumentationspflichten bei der Hilfsmittelberatung ein.
„Die Apotheker begrüßen es, wenn die Krankenkassen nicht nur den Preis, sondern auch die Qualität bei ihren Ausschreibungen für Hilfsmittel berücksichtigen müssen“, so DAV-Chef Fritz Becker. „Inwieweit die Versicherten dadurch bessere Produkte ohne Aufzahlungen erhalten werden, müssen wir sehen. Wir werden das in der Praxis eng begleiten und gegebenenfalls weitere Vorschläge machen.“
Heilmittel sind medizinische Behandlungen, die von Vertragsärzten verordnet und von speziell ausgebildeten Therapeuten erbracht werden. Zu den Heilmitteln zählen die Anwendungen der Physiotherapie wie Krankengymnastik oder Wärmebehandlungen sowie der Logopädie bei Stimm-, Sprech-, und Sprachstörungen, der Ergotherapie bei Störungen der Motorik oder der Sinnesorgane und der podologischen Therapie bei Störungen an Füßen aufgrund einer Zuckererkrankung. Hilfsmittel sind (technische) Gegenstände, mit denen gesundheitliche Defizite ausgeglichen werden sollen – von der Inkontinenzhilfe (Windeln, Katheter) über Prothesen bis hin zu Rollatoren und Rollstühlen.
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