Erst Staatsexamen, dann Steuererklärung Maria Hendrischke, 29.06.2015 10:26 Uhr
BaföG, Kredite, Stipendien, Nebenjobs: Wer studiert, muss sich auch seinen Lebensunterhalt finanzieren. Obwohl Akademiker kräftig in die Steuerkassen einzahlen, konnten sie die Kosten ihrer Ausbildung bisher nicht absetzen. Das könnte das Bundesverfassungsgericht ändern: Den Richtern liegen sechs Fälle vor, in denen Absolventen ihre Ausbildung als Werbungskosten absetzen wollen. Steuerberater Christoph Gramlich hat sich im Bereich Studienkosten spezialisiert. Er rät Studenten und Berufseinsteigern, laufende Verfahren im Auge zu behalten und Ansprüche rechtzeitig mit der Steuererklärung einzureichen.
ADHOC: Was kostet ein Pharmaziestudium und wie viele Steuern können gespart werden?
GRAMLICH: Aus meiner Praxiserfahrung rechne ich mit etwa 6.000 Euro Ausgaben pro Studienjahr, das wären beim gesamten Pharmaziestudium also 30.000 Euro. Es darf nicht vergessen werden, wenn 30.000 Euro als Werbungskosten geltend gemacht werden, erhalte ich je nach Steuerbelastung höchstens 45 Prozent davon zurück; nicht etwa den vollen Betrag! Gehen wir nun davon aus, dass der Pharmaziestudent nun im ersten Berufsjahr als angestellter oder selbstständiger Apotheker etwa 40.000 Euro brutto verdient. Jeweils müsste er als Lediger auf die 40.000 Euro rund 9000 Euro Steuern zahlen. Dem Jahresbrutto beziehungsweise dem Gewinn stehen dann die schon errechneten 30.000 Euro absetzbare Studienkosten gegenüber. Demnach würde der Absolvent in dem Jahr also annähernd den gesamten Steuerbetrag zurückerhalten.
ADHOC: Das gilt seit 2004 nur, wenn das Studium als Zweitstudium zählt. Was könnte das Urteil aus Karlsruhe ändern?
GRAMLICH: Nun könnte das Bundesverfassungsgericht entscheiden, dass auch die Erstausbildung anrechenbar ist. Es ist sinnvoll, in der Steuererklärung jetzt schon sicherheitshalber auch die Kosten des Erststudiums unter Werbungskosten aufzuführen. Das Finanzamt wird die Übernahme zunächst mit Verweis auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren ablehnen. Allerdings hat der Absolvent auf diese Weise dann schon einen Fuß in der Tür, denn sonst kann es passieren, dass Ansprüche verjähren.
ADHOC: Was sollten Absolventen beachten?
GRAMLICH: Für Werbungskosten gilt, dass sie aktuell bis zu sieben Jahre nachträglich als Verlustfeststellung abgerechnet werden können. In sieben Jahren ist ein komplettes Studium zu schaffen. Aber Achtung: Derzeit prüft der Gesetzgeber, diese Frist auf vier Jahre zu verkürzen. Die Anträge sollten daher so früh wie möglich gemacht werden, damit keine Verjährungsfristen greifen. Von dieser Weitsicht profitierten zuletzt zum Beispiel Pharmaziestudenten, die vor Ihrem Studium eine Ausbildung zum PTA machten. Denn dann liegen für das Erststudium steuerlich absetzbare Zweitausbildungskosten vor.
ADHOC: Wodurch könnten Probleme entstehen?
GRAMLICH: Es kann problematisch sein, wenn schon während des Studiums Steuererklärungen geschrieben werden. Wenn für den Studentenjob eine Erklärung eingereicht wird, um sich zum Beispiel 150 Euro Lohnsteuer zurückzuholen, dann geschieht das oft etwas voreilig. Denn wenn in diesen Steuererklärungen nicht deutlich wird, dass durch das Studium Kosten angefallen sind, kann das Finanzamt später darauf verweisen, dass die Abrechnung für das entsprechende Jahr schon endgültig beschieden wurde. Das Geld ist dann weg. Natürlich ist die Erhebung der Studienkosten sehr aufwändig, aber in den Steuererklärungen während des Studiums sollte zumindest erwähnt werden, dass Kosten angefallen sind.
ADHOC: Was ist, wenn nur noch für wenige Ausgaben Belege vorliegen?
GRAMLICH: Dieses Thema wird regelmäßig überschätzt. Selbst im Extremfall, also wenn jemand gar keine Rechnungen mehr hat: Es gibt den Nachweis, dass das Studium stattgefunden hat, denn die Abschlussurkunde hebt wohl jeder auf. Dazu kommen dann vielleicht Immatrikulationsbescheinigungen und Praktikumszeugnisse. Für gewisse Ausgaben reicht schon der Lebenssachverhalt „Studium“ als Beleg. Umzugskosten ergeben sich durch einen Wohnortswechsel. Dass ein Student Bücher und Arbeitsmaterialien kaufen muss, glaubt der Sachbearbeiter im Finanzamt meist auch ohne Quittungen. Die meisten meiner Mandanten sind erstaunt, wie viel sie letztlich doch finden. Heutzutage nutzt fast jeder Onlinebanking. Auch dann gibt es Dokumente zu größeren Überweisungen wie der Miete oder Flügen zu Auslandssemestern.
ADHOC: Was raten Sie den Studenten und Uniabgängern?
GRAMLICH: Akribisch Belege zu sammeln, ist meiner Ansicht nach eher Nebensache. Wichtiger ist es, auf Verjährungsfristen für die Steuererklärungen zu achten. Und die Rechtslage ändert sich ständig. Ich rate den Absolventen für ihr Erststudium daher auch immer: Bleibt am Ball, sucht eure Chance! Beachtet die laufenden Verfahren.
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