Manipulierte Kassen, Schummelsoftware oder falsche Rechnungen – seit Jahren prellen Steuerbetrüger den Fiskus. Bund und Länder wollen bis Herbst ein Gesamtkonzept vorlegen. Doch herrscht nicht mal Einigkeit über die Schadenssumme – geschweige denn über das Gegenmittel.
Steuerbetrug mit manipulierten Ladenkassen macht dem Fiskus seit Jahren zu schaffen – ohne dass nachhaltig etwas dagegen unternommen würde. Bund und Länder haben sich bisher auf kein geeignetes Gegenmittel einigen können. Und überziehen sich immer mal wieder mit Vorwürfen. Bis zum Herbst soll zwar ein gemeinsames Gesamtkonzept vorliegen. Doch das dürfte schwer werden.
Denn bisher herrscht noch nicht einmal Einigkeit über das Ausmaß des Schadens in Deutschland: Hier gehen die Zahlen mehr als deutlich auseinander. Da ist von unseriösen Berechnungen die Rede oder von schlicht verwechselten Begriffen aus englischen Texten.
Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz jedenfalls gehen davon aus, dass durch manipulierte Kassen in Deutschland Steuern von bis zu zehn Milliarden Euro hinterzogen werden – jährlich. Darauf verwies auch der Bundesrechnungshof in einem internen Bericht vom Mai. Was wiederum von Medien übernommen wurde. Die Steuergewerkschaft hält diese zehn Milliarden Euro pro Jahr sogar nur für ein Minimum.
Der Bund kann darüber nur den Kopf schütteln. Da habe sich ein mächtiger Rechenfehler eingeschlichen – mit Faktor 20, heißt es verärgert in Berlin. Statt rund zehn Milliarden Euro im Jahr würde es nach dieser Lesart eher um 500 Millionen Euro gehen.
Fakt ist: Der Staat verliert Jahr für Jahr Einnahmen, weil Unternehmen Umsätze nicht oder falsch erfassen – vor allem in der Gastronomie und in anderen Branchen mit hohem Bargeldanteil. Zur Manipulation wird auch Spezialsoftware genutzt – sogenannte Zapper. Die zeichnet Bedieneingaben nicht auf, löscht Daten, erfasst nicht erfolgte Geschäftsvorgänge oder verkürzt Umsätze. Aber wie hoch ist nun der Schaden, und vor allem – welche Berechnungen stimmen?
Im Bundesfinanzministerium heißt es, eine Schätzung des jährlichen Steuerausfalls sei schlicht nicht möglich. Denn es fehle an belastbaren Grundlagen für eine Berechnung. Die immer wieder ins Feld geführten zehn Milliarden Euro seien nicht seriös und auch vom Bundesrechnungshof unkritisch übernommen worden.
Die Begründung: Nordrhein-Westfalen habe eine kanadische Schätzung zugrunde gelegt, wonach im Gastronomiebereich für die Provinz Québec jährlich 1,3 Milliarden kanadische Dollar pro Jahr hinterzogen worden seien. Tatsächlich besage die Studie aber, dass es sich um geschätzte 133 Millionen kanadische Dollar für zwei Jahre handele.
Und: Unter der Annahme der Vergleichbarkeit der sonstigen Faktoren der kanadischen Provinz Québec mit ganz Deutschland sei eine Hochrechnung anhand des Bruttoinlandsprodukts erfolgt. Es sei daher nicht erstaunlich, dass so für Deutschland mit seiner hohen Wirtschaftsleistung besonders hohe Steuerausfälle herauskämen.
Das wiederum lässt das nordrhein-westfälische Finanzministerium nicht auf sich sitzen, nennt die Vorwürfe aus Berlin haltlos und lästert: Die Zahlen stammten in der Tat aus Québec, den Experten im Bundesfinanzministerium seien aber „einige Fehler unterlaufen“. So verwechsele der Bund offensichtlich Umsatz- und Steuerausfälle.
Aus dem englischen Text gehe zudem eindeutig hervor, dass es sich um Ausfälle für ein fiskalisches Jahr handele. Der Begriff werde dort wie im deutschen Steuerrecht für ein Steuerjahr benutzt, das sowohl das betreffende Kalenderjahr (2008) als auch das abweichende Wirtschaftsjahr (2007/2008) umfasse, das in dem Kalenderjahr ende.
Dann legt das SPD-geführte Düsseldorfer Ministerium noch nach in Richtung CDU-geführtes Bundesfinanzministerium: NRW habe auch „eigene, realistische Hochrechnungen“ angestellt. Diese bewegten sich wiederum „analog zu den Zahlen aus Québec“.
Das eigentliche Problem, mit welchem Konzept und welcher technischen Lösung die Tricksereien verhindern werden sollen, gerät vor diesem Fingerhakeln um hochgerechnete Québec-Zahlen beinahe in den Hintergrund. Ob sich Bund und Länder bis zum Herbst einigen, scheint aus einem ganz anderen Grund fraglich: Länder und Gewerkschaften favorisieren das schon bestehende und erprobte INSIKA-System, das von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt entwickelt wurde. Es basiert auf einer per Chip erzeugten digitalen Signatur jeder Buchung, die gespeichert wird. Doch der Bund ist skeptisch – weitere Konflikte sind also programmiert.
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