Softwarehaus haftet für Zapper-Schulden APOTHEKE ADHOC, 10.02.2015 15:16 Uhr
Stellt ein Softwareanbieter Manipulationssoftware für seine eigenen Systeme zur Verfügung, haftet er für die damit hinterzogenen Steuern. Das hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) am 7. Januar in einem Eilverfahren entschieden und den Geschäftsführer zur Zahlung von 1,6 Millionen Euro verurteilt. Im konkreten Fall ging es um ein Eiscafé. Entsprechende Manipulationssoftware – genannt Zapper – gab es in der Vergangenheit jedoch auch für Apotheken-EDV.
Der Besitzer des Eiscafés hatte im Jahr 2002 ein Kassensystem gekauft, das neben diverser Hardware auch eine Software zur Manipulation der im Kassensystem erfassten Daten umfasste. Bei einer Betriebsprüfung und Steuerfahndung wurden Festplatten mit dem Kassenprogramm „AriadneNT“ sowie ein USB-Stick mit dem passwortgestützten Manipulationsprogramm „Asteroids.exe“ sichergestellt.
Das Passwort wurde durch das Landeskriminalamt geknackt. Laut Gericht konnten daher Datenmanipulationen festgestellt werden, mit denen in erheblichem Umfang die tatsächlich erzielten Umsätze reduziert worden waren – einschließlich Nebenabgaben ist im Beschluss von rund 2,69 Millionen Euro im Zeitraum von 2003 bis 2011 die Rede.
In dem Steuerstrafverfahren vor dem Landgericht Koblenz (LG) hatte der Eisdielenbesitzer die Manipulationen in vollem Umfang eingeräumt. Demnach habe ihm der Softwareanbieter das Kassensystem verkauft und ihn auch in die Benutzung der Manipulationssoftware eingewiesen. Dabei sei ihm versichert worden, die Software könne völlig risikolos eingesetzt werden. Das LG Koblenz verurteilte den Inhaber wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Das Urteil und die entsprechend geänderten Steuerfestsetzungen wurden rechtskräftig.
Gegen den Geschäftsführer des Softwarehauses wurde dann ein Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet. Darüber hinaus erließ das Finanzamt einen Bescheid, mit dem er für die Steuerrückstände des Eisdielenbesitzers – damals rund 2,8 Millionen Euro – in Haftung genommen wurde. Denn der Inhaber des Eiscafes hatte die hinterzogenen Beträge nicht beglichen und die Vollstreckungsmaßnahmen hatten laut Gericht „keinen nennenswerten Erfolg“.
Der Geschäftsführer des Softwareanbieters legte beim Finanzamt Einspruch ein: Das Manipulationsprogramm habe ein Mitarbeiter entwickelt, er selbst habe keine Kenntnis davon gehabt. Es sei auch auf keinem Rechner der Firma gefunden worden, sondern nur auf dem persönlichen Laptop eines Mitarbeiters.
Das Programm sei zudem so versteckt gewesen, dass selbst die Steuerfahnder sie bei der ersten Durchsuchung nicht entdeckt hätten, sagte der Geschäftsführer aus. Er selbst hatte nach eigenen Angaben nur im Vertrieb ausgeholfen und den Steuerhinterzieher nicht in die Benutzung der Software eingewiesen. Bei dessen Aussagen handele es sich um Schutzbehauptungen, um eine Strafmilderung zu erreichen. Im übrigen habe er in Italien sehr wohl pfändbares Vermögen.
In Juni 2014 reduzierte das Finanzamt die Haftungssumme auf rund 1,6 Millionen Euro, da in der Zwischenzeit bei dem Eisdielenbesitzer Gelder eingetrieben werden konnten. Der Geschäftsführer der Firma klagte gegen den aus seiner Sicht rechtswidrigen Bescheid und beantragte vorläufigen Rechtsschutz. Weder er selbst noch die Firma würden über ausreichend Liquidität verfügen, um den geforderten Betrag zahlen zu können. Das FG lehnte den Eilantrag ab.
Das Gericht hatte jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids: Wer an einer Steuerhinterziehung teilnehme, hafte nach der Abgabenordnung (AO) für die verkürzten Steuern und könne dafür in Anspruch genommen werden.
Dies Rechnung der Softwarefirma belege, dass das mit der Manipulationssoftware verbundene Kassensystem an das Eiscafé verkauft wurde, der Geschäftsführer sei dabei als Bearbeiter genannt. Es sei nicht entscheidend, wann genau und durch wen die Installation und Einweisung in das Programm erfolgt seien oder wer die Manipulationssoftware entwickelt habe. Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung bestehe darin, dass das System die Möglichkeit der Steuerverkürzung beinhalte. Das System sei ausdrücklich als völlig risikoloses Instrument zur Verkürzung von Steuern angeboten und verkauft worden.
Unabhängig von der Höhe der Schuld konnte das Finanzamt laut Beschluss die Softwarefirma in Anspruch nehmen. Die Norm in der AO habe nämlich Schadenersatzcharakter und solle eine Schadensersatzpflicht in Höhe der verkürzten Beträge begründen. Der Kläger werde hier nicht für sein Fehlverhalten als Geschäftsführer in Anspruch genommen, sondern für die vorsätzliche Beteiligung an der Steuerhinterziehung, heißt es im Beschluss.
Auch bei Betriebsprüfungen in Apotheken haben Finanzbeamte schon den Einsatz von Manipulationssoftware nachweisen können. Wegen jahrelanger Steuerhinterziehung wurde zwei OHG-Apothekern aus Bayern sogar die Betriebserlaubnis ihrer gemeinsamen Apotheke entzogen.
Im März 2012 waren alle Niederlassungen des Softwarehauses Lauer Fischer durchsucht worden. Die heutige CompuGroup-Tochter hatte aber jede Beteiligung von sich gewiesen. In einer ersten Stellungnahme nach der Durchsuchung hatte ein Sprecher angegeben, dass sich die Ermittlungen „gegen einige Mitarbeiter der Lauer-Fischer GmbH wegen des Verdachts der Beihilfe zur Hinterziehung von Steuern zu Gunsten einiger Kunden“ gerichtet hätten. Tatsächlich gab es Manipulationssoftware dem Vernehmen nach auch für andere EDV-Systeme.