Mit dem Versorgungsgesetz will die schwarz-gelbe Bundesregierung Kliniken die Tür zur ambulanten Versorgung öffnen. Auf diese Weise soll der Wettbewerb zwischen stationärem und ambulantem Bereich gestärkt werden. Kritiker bezweifeln, dass es am Ende fair zugehen wird. Für neuen Zündstoff sorgt ein Urteil des Finanzgerichts Münster: Die Richter haben entschieden, dass Krankenhäuser keine Umsatzsteuer für Zytostatika-Rezepturen berechnen müssen, die in der ambulanten Versorgung zum Einsatz kommen.
Der Betreiber eines Krankenhauses weigert sich, Umsatzsteuer für die Herstellung von Zytorezepturen an das zuständige Finanzamt abzuführen. Das Klinikum hatte wegen eines Mangels an niedergelassenen Onkologen vor Ort eine Sondergenehmigung („Institutsermächtigung“) erhalten. Seitdem dürfen die Krankenhausärzte Krebspatienten ambulant behandeln; die Rezepturen werden in der hauseigenen Apotheke hergestellt.
Das Finanzamt beruft sich auf eine Steuerrichtlinie, nach der die Umsatzssteuer bei Medikamenten fällig wird, wenn diese durch Krankenhausapotheken oder Klinikambulanzen zur unmittelbaren Anwendung an Patienten abgegeben werden. Die Herstellung diene in erster Linie der Einnahmeerzielung, argumentiert das Finanzamt. Kliniken träten so in Konkurrenz zu öffentlichen Apotheken.
Die Richter entschieden zu Gunsten der Klinik: Die Zytostatika-Abgabe werde als Nebenleistung zur Krebstherapie erbracht, die Umsätze seien daher eng mit den Behandlungen verbunden und damit umsatzsteuerfrei. Ob die Therapie ambulant oder stationär erfolgt, ist laut Gericht nicht entscheidend. Einen Wettbewerb zwischen niedergelassenen Apotheken und Krankenhausapotheken können die Richter nicht erkennen: Öffentliche Apotheken könnten allenfalls die Lieferung von Zytostatika, nicht aber die Behandlungsleistung erbringen.
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig: Das Finanzamt hat Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Ein Termin für die Verhandlung steht noch nicht fest.
Der Verband der zytostatikaherstellenden Apotheker (VZA) sieht eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der öffentlichen Apotheken: „Das Urteil ist ein Schlag ins Gesicht der Zytoapotheken“, kritisiert VZA-Präsident Dr. Klaus Peterseim. Um die Umsatzsteuer zu sparen, könnte die Behandlung in Klinikambulanzen statt bei niedergelassenen Onkologen für Kassen künftig attraktiv werden.
Zusätzlich fühlen sich Zytoapotheker von den Ausführung des Krankenhauses provoziert: Die Klinik vertritt den Standpunkt, dass nur besonders ausgerichtete Krankenhäuser in der Lage sind, flächendeckend die Belieferung mit Zytostatika sicherzustellen. Niedergelassene Apotheken könnten wegen des Erfordernisses der individuellen und zeitnahen Herstellung die Zyto-Versorgung nicht sicherstellen; ihnen fehlten die benötigte Einrichtung und Ausstattung.
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