Sterilrezepturen

Zyto-Pfusch: Kassen verlieren Rabattpartner APOTHEKE ADHOC, 02.12.2016 15:24 Uhr

Berlin - 

Apotheker Peter S. aus Bottrop sitzt in U-Haft, weil er in großem Stil bei der Herstellung von Sterilrezepturen gepanscht haben soll. Während der Fall in den Medien für Schlagzeilen sorgt, müssen Onkologen bei der Versorgung ihrer Patienten improvisieren. Denn die Apotheke war Rabattpartner mehrerer Krankenkassen.

Der 46-jährige Apotheker hatte bei der Ausschreibung der Knappschaft Bahn-See (KBS) zwei Lose geholt. Außerdem erhielt er einen Zuschlag beim gemeinsamen Vertrag von GWQ und DAK, der gestern gestartet ist.

Auch wenn der Name des Apothekers bislang nicht öffentlich genannt wurde, hat GWQ bereits umfassend und unmittelbar reagiert: Der Vertrag mit der Apotheke wurde einem Sprecher zufolge am 1. Dezember bis auf Weiteres ruhend gestellt. Alle betroffenen Onkologen wurden unverzüglich informiert. Die Versorgung wurde für andere Apotheken freigegeben. Lösungen, die gegebenenfalls für den 2. Dezember bereits vorproduziert wurden, konnten erneut durch eine andere Apotheke angefertigt werden. Eine Stellungnahme der KBS steht noch aus.

Betroffen zeigte sich Dr. Klaus Peterseim, Vorsitzender des Verbandes der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA). Es gelte selbstverständlich die Unschuldsvermutung. „Aber bis gestern habe ich es nicht für möglich gehalten, dass ein Apotheker mit betrügerischen Machenschaften Gesundheit und Leben seiner Patienten aufs Spiel setzen würde.“ Die Apotheker der Region seien „zutiefst betroffen“ über diesen Fall und hätten umgehend die Versorgung der Patienten übernommen.

Der Apotheker galt laut Bild-Zeitung als Vorzeige-Geschäftsmann in Bottrop: Er soll Millionen in die Modernisierung der Stadt investiert und sich ehrenamtlich engagiert haben. Für die Sterilherstellung mit bis zu zehn Angestellten soll er eigens die Apotheke modernisiert haben.

S. soll in mindestens 40.000 Fällen Infusionen zur Krebsimmuntherapie abweichend von den individuellen ärztlichen Verordnungen zu gering dosiert haben. Laut Staatsanwaltschaft beruht der Anfangsverdacht auf Informationen eines Insiders. Mehrere Wochen lang wurde bereits ermittelt. Ein Abgleich von Abrechnungen und Lieferscheinen habe dabei Diskrepanzen ergeben. Am 29. November wurden die Geschäfts- und Privaträume durchsucht.

Bei der Herstellung soll er auch gegen Hygienevorschriften verstoßen haben. Mit den Kassen habe der Apotheker den vollen Betrag abgerechnet. Der finanzielle Schaden liege bei 2,5 Millionen Euro.

Welchen gesundheitlichen Schaden der Apotheker angerichtet hat, ist offen. Aufgrund des rechnerischen Ansatzes sei es nicht möglich zu sagen, ob nur alle Lösungen gestreckt wurden oder ob nur einzelne Lieferungen zu wenig oder gegebenenfalls gar keinen Wirkstoff enthielten. Daher sei voraussichtlich nicht herauszubekommen, welche Patienten von fehlerhaften Infusionen betroffen waren und welche Auswirkungen das gehabt haben könnte, erklärte die Staatsanwaltschaft.

S. sitzt in Untersuchungshaft, weil Fluchtgefahr besteht. Er verfüge über die finanziellen Möglichkeiten, sich ins Ausland abzusetzen und so seiner Strafe zu entgehen, so die Staatsanwaltschaft. Im Fall einer Verurteilung wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetzes und gewerbsmäßigen Betruges drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

Der Apotheker schweigt bislang. Obwohl es sich um eine ziemlich große Apotheke handeln soll, gibt es laut Staatsanwaltschaft keine weiteren Beschuldigten. Aufgrund der U-Haft sind die Ermittler bestrebt, ihre Arbeit schnellstmöglich zu einem Abschluss zu bringen.