Auseinzelung

Apotheke in der Nachweis-Falle Julia Pradel, 15.10.2015 10:33 Uhr

Berlin - 

Novartis und Bayer: Die Privilegierte Rats-Apotheke musste sich gestern vor dem Landgericht Hamburg (LG) gleich gegen zwei Pharmariesen wehren. Die beiden Konzerne werfen Apotheker Hermann Rohlfs vor, ihre Medikamente Lucentis (Ranibizumab) und Eylea (Aflibercept) in großem Maßstab auszueinzeln und die Fertigspritzen ohne Zulassung in den Verkehr zu bringen. Die Entscheidung der Richter wird für Mitte November erwartet. Mit dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung sind die Hersteller aber schon einmal zufrieden.

„Durch die erwartete Verbotsentscheidung wird sichergestellt, dass Patienten ein sicheres und wirksames Lucentis erhalten“, freut man sich bei Novartis. In Nürnberg vertritt man die Auffassung, dass der Vertrieb von Fertigspritzen mit dem Wirkstoff Ranibizumab, die mittels Auseinzelung von Teilmengen aus Original-Durchstechflaschen hergestellt werden, ohne entsprechende zentrale europäische Zulassung nicht erlaubt ist.

„Die Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit des Arzneimittels sind im Rahmen des Zulassungsverfahrens nur für das Originalarzneimittel und seine zugelassene Anwendung unmittelbar am Patienten nachgewiesen worden, nicht aber für Fertigspritzen, die von Apotheken oder Auseinzelungsbetrieben entgegen den Vorgaben der Zulassung hergestellt und versandt werden“, so das Unternehmen. Demgegenüber berufe sich die beklagte Rats-Apotheke auf das sogenannte „Apothekenprivileg“ und meine, dass sie deshalb keine gesonderte Zulassung benötige.

Aus Sicht von Novartis ist die Auseinzelung nicht von der zugrundeliegenden Zulassung gedeckt. Demnach stellt sie eine Veränderung des Arzneimittels im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dar. Der Konzern ist zuversichtlich, dass das LG seiner Auffassung folgen wird. Schließlich habe das Gericht in einem ähnlich gelagerten Verfahren gegen Apozyt bereits zugunsten von Novartis entschieden.

Die Frage, ob eine Zulassung für abgefüllte Teilmengen erforderlich ist, war damals dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt worden. Eine Freistellung hätten die Richter an zwei strenge Voraussetzungen geknüpft: Die Tätigkeiten führen nicht zu einer Veränderung des Arzneimittels und werden stets nur auf der Grundlage einer individuellen Verordnung vorgenommen.

Die Rats-Apotheke hatte argumentiert, es gebe eine Ausnahme für Rezepturen aus der Apotheke. In der EU-Verordnung 726/2004, die für bestimmte Arzneimittel eine Zulassung vorsieht, ist von einer solchen Ausnahme allerdings keine Rede. Für die Richter ist klar, dass für besondere Arzneimittel eben kein Rezepturprivileg vorgesehen ist. Unter die Richtlinie fallen beispielsweise Arzneimittel, die mithilfe von DNS-Technologie oder auf Basis von monoklonalen Antikörpern hergestellt werden, sowie Medikamente mit Wirkstoffen, die nach 2004 für die Behandlung von Krebs, Diabetes, Autoimmunerkrankungen und andere Indikationen auf den Markt gekommen sind.

Die einzige Möglichkeit, eine Rezeptur mit einem solchen Medikament herzustellen, besteht den Richtern zufolge theoretisch dann, wenn das Fertigarzneimittel nicht verändert wird. Das sei jedoch bereits der Fall, wenn sich die Haltbarkeit ändere.

Bayer erklärt, das Gericht habe in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die auseinzelnde Apotheke als Hersteller und Vertreiber die „Nachweispflicht für das Nichtvorliegen einer qualitativen Veränderung“ treffe. Der Konzern betont, dass sich das Verfahren nicht allgemein gegen die Auseinzelung als solche richte, sondern qualitätsspezifische Fragestellungen der konkreten Auseinzelung durch die Rats-Apotheke zum Gegenstand habe.

Die Apotheke habe aber in dem Verfahren nicht nachweisen können, dass die Wirkung von Eylea durch die Auseinzelung nicht beeinträchtigt werde. Bayer rügt besonders den fehlenden Nachweis der unveränderten Wirksamkeit, das Nicht-Einhalten der Kühlkette, die fehlende Filterung des Wirkstoffs nach Einbringen in die Fertigspritzen und die fehlende Zulassung der verwendeten Spritzen für die intravitreale Injektion.

Aus dem Gutachten der Rats-Apotheke selbst habe sich eine „signifikante Veränderung der Stabilität und der Haltbarkeit“ der ausgeeinzelten Fertigspritzen ergeben. „Dies sah das Gericht als ausreichend an, um eine relevante Änderung anzunehmen, die dem Vertrieb der ausgeeinzelten Fertigspritzen ohne gesonderte Zulassung entgegensteht.“ Für den Konzern eine gute Sache. In Leverkusen betont man, dass die Patientensicherheit an erster Stelle stehe: „Es muss gewährleistet sein, dass die konkrete Art und Weise der Auseinzelung von Eylea nachweislich nicht zu Qualitätsbeeinträchtigungen und/oder Wirksamkeitsverlusten des Arzneimittels führt.“